LUGER, KHOL, HUNDSTORFER, HOFER, VAN DER BELLEN, WABL, AWADALLAH, GRISS, … Was geht die Bundespräsidentenwahl die Linke an?

Am 24, April 2016 wird in Österreich die Wahl des Bundespräsidenten stattfinden; der erste Wahlgang jedenfalls. Ein zweiter wird aller Voraussicht nach zwei Wochen später abrollen. Die Zeitungen, vor allem das Intelligenzler-Blatt „Österreich“, sind voll davon. Was geht das die Linke an? „Müssen“, dürfen, sollen sich Linke mit einer Wahl auseinandersetzen, die zur reinen Ablenkung von wesentlichen politischen Fragen dient? Solange wir in diesem politi­schen System leben und arbeiten, sind solche Events eines durchgestylten Manipulations-Prozesses Teil unserer täglichen Erfahrung und ziemlich wichtig. Wir müssen uns also damit auseinandersetzen, wenn wir uns von der politischen Wirklichkeit nicht abkoppeln wollen. Oder ist jemand allen Ernstes der Ansicht: Manipulation braucht man nicht analysieren?

Unter allen möglichen Kandidaten / Kandidatinnen ist Alexander van der Bellen für Linke der am wenigsten akzeptable. Er hat sich geoutet, als potenzieller Putschist. Die FPÖ würde er angeblich nicht angeloben. Weil sie EU-kritisch sei. Lassen wir den Wirklichkeitsgehalt dieser Behauptung einmal beiseite. Damit wird dann eine legitime politische Haltung, vertreten von einer Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, in die Illegalität gerückt. Wir selbst sind davon besonders stark betroffen.

Dies entspricht aber ganz der Haltung der politischen Klasse nicht nur in Österreich. Mit einer ähnlichen Begründung hat der portugiesische Präsident über Wochen und Monate die dortige Regierungs-Bildung behindert, bis er aufgegeben hat. Und Giorgio Napolitano, bis vor etwa einem Jahr Oberhäuptling in Italien, zumindest dem Protokoll nach, hat seine ganze Amtszeit hindurch einen permanenten Staatsstreich verkörpert. Sein (ex-) christlich-demokratischer Bruder im Geist bestimmt heute die italienische Politik. Der permanente Staatsstreich heute heißt Matteo Renzi.

Dies sind also die Vorbilder, denen der grüne Kandidat nacheifert. Dazu gehört auch noch Franz Josef Fischer, der den ersten Angriffskrieg der Bundesrepublik seit dem Nazi-Reich zu verantworten hat. Van der Bellen nennt ihn immer wieder als Busenfreund und Berater.

Na und? Wir wissen schließlich: Das ist ja der Sinn dieses schönen Amtes, und so entstand es. In den 1920ern wurden die Christlichsozialen zusammen mit den Heimwehren immer unge­duldiger. Mit Wahlen erreichten sie ihr Ziel einfach nicht. Immer lauter wurden die Putsch-Drohungen der Heimwehren. Die Sozialdemokratie bekam es mit der Angst zu tun. Der rechte Karl Renner und der angeblich linke Otto Bauer waren schließlich zu einem Kompromiss bereit. Kern der Vereinbarung war die Präsidentschaft. Allerdings wurde nicht etwa der Präsident gestärkt. Die Regierung muss für Alles, was der Präsident tun soll, das Skript schreiben. Fast Alles: Bei der Regierungs-Bildung selbst hat er einen gewissen Spielraum.

Diese Präsidentschaft übernahm dann auch die SPÖ 1945 unter der falschen Flagge, die Verfassung von 1920 würde wieder hergestellt. Als besonderes Gustostückerl kam noch der Gesslerhut der Wahlpflicht für diese realpolitisch unbedeutendste Wahl überhaupt dazu: Es ist eine reine Schikane. Der Staatsbürger soll sich vor dem Staatsgötzen verneigen. – Im übrigen stellte dann eine der diskreditiertesten Figuren der Ersten Republik den ersten, nicht vom Volk gewählten Präsidenten: Karl Renner hatte freiwillig und ohne die geringste Not, aus reiner Wichtigtuerei und offensichtlich aus Übereinstimmung den Nazi-Anschluss Österreichs ebenso wie der Überfall auf die Tschechoslowakei öffentlich begrüßt und sogar eine Rechtfertigungs-Broschüre dazu geschrieben. Diesen vorbildlichen Österreicher machte man also zum ersten Bundespräsidenten.

Alexander van der Bellen steht ganz und gar in der Tradition des Austrofaschismus und des Karl Renner.

Und die anderen Kandidaten?

Selten zeigte sich die Situation der classe politique in so grellem Licht. Die anderen Regie­rungs-Kandidaten könnten sogar den Einzug in die Stichwahl verfehlen, nach heutigem Stand, nur wenig mehr als ein Monat vor der Wahl. Ein Wunder? Hundstorfer hat als Sozialminister das gemacht, was ihm die harten Neoliberalen vorschrieben. Schon heute trauern sie ihm nach. Als Gewerkschafter hat er mitgeholfen, die Gewerkschafts-Bank zu verjankern. Als guten Abschluss seiner Tätigkeit werden wir ihm wahrscheinlich den Verlust von ein paar Hundert Millionen Euro zu verdanken haben. Aus Unfähigkeit? Aus Absicht? Er hat eine rechtzeitige Vorsorge gegen ein unglaublich freches Manöver der Bank Austria verschlampt. Selbst wenn der materielle Schaden dieses Raubzugs noch zu verhindern sein sollte, bleibt ein sehr unangenehmer Nachgeschmack. Der Rechtsstaat lebt davon, dass man sich auf seine Regeln verlassen kann, solange sie gelten. Eine Rückwirkung, ein Bruch dieser Rechtssicher­heit, gehört zu jenen Missachtungen, mit denen die politische Klasse seit Langem den Geist der österreichischen Verfassung ruiniert.

Andres Khol schließlich gehörte in der Zeit der VP-FP-Koalition zu jenen Politikern, wo seine Partei stets um ein paar Punkte abrutschte, wenn er in der Öffentlichkeit auftrat. Aber um seine Partei hat er ein Verdienst: Er verhinderte, dass der übelste politische Arbeiter in seine eigenen Taschen Partei-Obmann wurde.

Beide Figuren sind für die jetzige Regierung symbolträchtig. Sie als Kandidaten für dieses Amt, das selbst nur ein Symbol ist, sagen alles über den Zustand dieser Parteien und ihres Personals aus.

Norbert Hofer, die Marionette des H. C. Strache, hat gute Chancen. Man könnte nur den letzten Absatz wiederholen.

Die liberal-konservative Irmgard Griss wird auf diskrete Weise von der österreichischen Journaille fertig gemacht. Man beachte nur den Titel des rosa Leibblatts aller links- und gleichzeitig neoliberalen Intellektuellen vom 9. März! Das wiederum sagt viel über diese Journaille und die Öffentlichkeit, welche sie konstituieren, aus. Interessanter Weise fürchten sie sich vor einer solchen Kandi­datin, die doch ihre einzige Chance wäre. Aber eine Niederlage der Regierungskandidaten inklusive Van der Bellen wäre für das politische System offenbar eine Katastrophe.

Richard Luger wäre eigentlich der Bundespräsident, den wir uns als Linke wünschen müssten. Der würde dieses üble Amt endlich dorthin befördern, wohin es gehört: in den Orkus.

Und der Schluss daraus?

Das politische System Österreichs mit seiner Einbindung in das Imperium EU hat eine politische Klasse erzeugt, die irgendwie an die habsburgischen Politiker vor gut einem Jahrhundert erinnert. Unglaubliche Unfähigkeit in ihrem eigenen Sinn paart sich hier mit Arroganz, persönlicher Mickrigkeit und gleichzeitig der wilden Entschlossenheit, sich an ihre Positionen zu klammern. Selbst die kärglichen Reste der vom Brüsseler Imperium noch übrig gelassenen Kompetenzen werden in aller Regel nicht genutzt, nur wenn sie, die politische Klasse, akut bedroht ist – wie etwa derzeit in der Migrationsfrage. Kommata der Weltge­schichte (Grabbe) ist eine Beschreibung, die für diese Personengruppe noch zu hoch greift.

Aber freuen brauchen wir uns als Linke darüber auch wieder nicht. Diese völlige Zerrüttung der politischen Elite führt nämlich zu einer Zerstörung auch des Konzeptes Politik. Die Politik der Antipolitik hat zwar viel für sich, angesichts dessen, dass bisher Politik in aller Regel gegen die Bevölkerung ging. Aber genutzt haben diese Politik bisher praktisch immer die Rechten, und es hat ihnen genutzt. Also freuen wir uns nicht zu früh und passen wir auf! Im Gegensatz zu naiven und unreflektierten Anarchisten haben marxistische Sozialisten Politik, die bewusste Selbststeuerung der Gesellschaft, stets als überragend wichtiges Instrument im Kampf um die Emanzipation der Subalternen betrachtet.

Albert F. Reiterer 9. März 2016