DER „WAHLSIEG“ DER NEOLIBERALEN IN DEN NIEDERLANDEN UND DIE ÖSTERREICHISCHE POLITIK: Anmerkungen mit einem Blick auf uns selbst

Die Regierung in den Niederlanden hat eine wahrhaft vernichtende Niederlage erlitten. So­wohl an Stimmen wie auch an Mandaten wurde sie annähernd halbiert. Das sind nicht mehr spanische, das sind bereits griechische Verhältnisse. Die Sozialdemokratie ist völlig zusam­mengebrochen, nach derzeitigem Stand von 24,8 % auf 5,7 %. So stark hat es nicht einmal die Pasok 2014 – 2016 erwischt. Nicht einmal mehr ein Viertel des Ausgangsbestands also; und der war ohnehin schon historisch niedrig. Jeroen Dijsselbloem muss sich wohl einen neuen Job in der EU suchen. Aber ob ihn die noch will? Zwar ist eine Wahlniederlage dort fast eine Voraussetzung für den Posten eines Kommissars oder auch der/des Außenbeauftragten. Denn das belegt, dass sich die betreffende Figur nicht um die Bevölkerung kümmert. Aber doch wiederum nicht in diesem Ausmaß! Er kann sich ja mit Varoufakis zusammen nun um eine neue Kraft in Europa kümmern.

Die VVD hat auch fast ein Fünftel ihres Bestands verloren, von 26,6 % auf 21,3 %. Aber sie konnte ihren neoliberal-konservativen Stamm einigermaßen halten.

Was die Linke in den Niederlanden betrifft, bin ich zu schlecht informiert, um hier urteilen zu können. Die Grünlinken scheinen mir denn doch zu sehr nach den rechten „Linken“ etwa der BRD auszusehen. Aber da sollen Informiertere urteilen.

Und die österreichischen und deutschen Weltblätter vom „Straubinger Tagblatt“ über die „Rhein-Neckar Zeitung“ bis zu den „Niederösterreichischen Nachrichten“ schreiben und vor allem der ORF spricht vom „Erfolg“ der EU-Kräfte. Zum Einen kann man nur sagen: Wir wünschen uns dringend einen weiteren solchen Erfolg. Zum Anderen aber ist doch festzu­halten: Diese Desinformations-Kampagne ist ein absoluter Skandal. Aber er liegt seit Jahren auf der Linie des ORF. Dies ist also das erste Problem dieser Wahlen hier, in Österreich und auch übrigens in der BRD, wenn dort vielleicht auch ein wenig abgeschwächt.

Wir müssten etwas gegen den ORF unternehmen. Insbesondere der Hörfunk mit seinen Journalen fährt diesen Kurs nunmehr seit vielen Jahren. In letzter Zeit ist es aber immer übler geworden. Figuren wie die Frau C. Vospernik verbreiten nur Propaganda und Hetze. Es ist eine Mischung aus Dummheit, Faulheit und Bösartigkeit – Faulheit, weil sich diese Typen gar nicht mehr die Mühe antun, sich zu informieren, obwohl dies heute leichter als je wäre. Es erinnert wahrhaft bereits an dunkle Zeiten, die wir seit langem hinter uns glaubten.

Dann gibt es einen weiteren Punkt, der für uns höchst interessant ist, und der besonders auch in den letzten Monaten sonnenklar geworden ist. Er hat insofern mit den Niederlanden zu tun, weil bei uns die FPÖ in dieselbe Kategorie wie Wilders gesteckt wird, und auch hier die Staatstragenden, also die gesamte Medienlandschaft, mit „Pfeifen im Walde“ reagieren, nämlich mit dem Versuch, sich die für sie beunruhigenden Ergebnisse schön zu reden – siehe Präsidentschaftswahlen.

Es findet derzeit eine diskrete Umstrukturierung des politischen Systems auch in Österreich statt. Nicht nur ich sah bis vor kurzem folgendes Szenario als die wahrscheinlichste Entwick­lung der politischen Oberfläche in Österreich: Die FPÖ gewinnt bei den nächsten Wahlen wiederum stark und wird zur personell bestimmenden Kraft der künftigen Regierung. Da sie aber keine politische Potenz hat, zeichnet sich schnell wieder ein Szenario ab, wie wir es schon einmal zwischen 2000 und 2007 kannten: Die Partei bricht entweder zusammen, oder aber sie verliert jedenfalls stark an Unterstützung. Das müsste dann politische Spielräume für neue Kräfte eröffnen.

Doch nun können wir etwas Anderes beobachten: Die FPÖ mausert sich bereits zur Regie­rungspartei, bevor sie noch in der Regierung ist. Sie unterscheidet sich nur mehr in einzelnen, z. T. recht hässlichen Nuancen von der bisherigen Regierung. Damit verliert sie auf Dauer ihren Appeal als Oppositions-Symbol für die Bevölkerung. Die Wahrscheinlichkeit des oben skizzierten Szenarios nimmt ab.

Es wird allerdings etwas dauern, bis die Bevölkerung realisiert, was da vor sich geht. Es ist eine Frage der Zeit. Diese Wandlung zur Regierungspartei kann der FPÖ das Genick brechen, bevor sie noch in der Regierung ist, je später die Wahlen angesetzt werden, umso eher.

Auch das macht politischen Raum frei, aber nicht in derselben Klarheit, wie es eine formelle Regierungspartei FPÖ bringen würde. Die Frage stellt sich z. B., welche Rolle solche Kräfte wie Dühringer in diesem Zusammenhang bzw. in diesem Raum spielen. Ich muss gestehen, dass ich selbst eher skeptisch bin. Da ist zu viel Naivität im Spiel.

Die Frage stellt sich, ob es irgendeine Kraft in Österreich gibt, die hier ansetzen kann. Unsere hoffnungsvollen Blicke in ein südliches Bundesland sind u. U. doch mehr vom Wunsch als von der Realität bestimmt. Wir selbst aber sind (noch?) Zaungäste der politischen Entwick­lung und müssen uns vorderhand auf Analyse, Kommentare und Zurufe beschränken.

Albert F. Reiterer, 17. März 2017