Schicksalswahl Hessen?

von Thomas Zmrzly

Wenige Stunden vor der hessischen Entscheidung! Schicksalswahl für Merkel und Nahles oder doch nur Stühlerücken inmitten von Trumpismus, Euro-Krise und dem Hoffen auf Stabilität!

Nun wird medial schon einmal die morgige Wahl in Hessen zum Schicksalstag der GroKo in Berlin und insbesondere der beiden Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Andrea Nahles (SPD) erklärt. Und ganz falsch scheint dies auch nicht zu sein, denn bei einem Verlust der hessischen Landesregierung durch die CDU (Ministerpräident Volker Bouffier) würde dies im Gegensatz zum Wahlergebnis in Bayern einen Merkeltreuen treffen. Das wäre nicht ohne Konsequenzen für die Kanzlerin. Andererseits wer soll denn bitte schön die Kanzlerin ersetzen? Nun ein Putsch wäre immer möglich, und putschartige Umstürze in den deutschen bürgerlichen Parteien sind ja der Regel und nicht der Ausnahmefall. Trotzdem haben schon einige Medien dieses Szenario durchexerziert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es dazu eines eigenen Programms und geeigneten Personals bedürfe. Ergebnis: Na ja, was sich alle aufmerksamen Beobachter*innen schon vorher dachten. Weder inhaltlich noch personell bietet sich jemand wirklich an! Und bei der SPD ist die Sache noch vertrackter! Thorsten Schäfer-Gümbel (TSG) ist sozialdemokratisches Urgestein aus Hessen und macht nach allen Berichten nach ein „erfolgreichen“ sozialdemokratischen Wahlkampf gegen den Bundestrend. Sollte er also wirklich die SPD in Hessen unter 20% führen, so wäre die Krise der SPD tatsächlich grundsätzlich im Innern der Partei angekommen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende in NRW Kutschaty (wichtigster Landesverband der SPD) wird in Interviews schon zitiert mit den Worten, dass frühere Unterstützer der GroKo dies nun bereits nicht mehr wären, und ein spätestens Anfang des kommenden Jahres stattfindender Parteitag über die Bilanz in der Partei in der Groko neu über dieselbige und die Teilnahme der SPD hieran entscheiden müsse. Nebenschauplatz: Die TAZ empfiehlt der SPD eine Linkswende in der Sozialpolitik und eine Rechtswende in der Migrationsfrage mit Bezug auf den geschassten SPD-Strategen Niels Heisterhagen. Aber auch bei den linksliberalen Pro-Atlantikern wird klar, dass es keine oder noch keine „alternative“ Strategie, geschweige denn politisches Personal dafür gibt. Und? Die mediale Kampagne „Schicksalswahl“ könnte dazu führen, dass sich ehemalige – oder noch CDU- und SPD-Wähler dazu veranlasst sehen doch noch für „Stabilität“ zu stimmen, und beide Parteien weniger abzustrafen, als sich in den Wahlumfragen bisher abgezeichnet hat.

Und die AfD?

In den bundespolitischen Diskussionen spielt sie sogar noch mehr als bei der Bayernwahl gar keine Rolle. In den Umfragen steht sie zwischen 12 und 13%. Dass sie eher am unteren Rand der Prognosen landen wird, legt das Ergebnis aus Bayern nahe, wo sie zuletzt bei 10–14 bei Wahlumfragen gehandelt wurde, um dann mit 10,2% zu landen.

Die FDP und DIE LINKE werden beide bei 8% gehandelt. Die FDP die lange Zeit bei 6–7 dümpelte wird am meisten vom negativen bundespolitischen Trend der CDU profitieren und versuchen so eine rein rechnerische Mitte-Links-Regierung aus SPD/GRÜNEN/LINKEN zu verhindern.

DIE LINKE steht seit Monaten schon konstant bei ihrem Umfrageergebnis und wäre, wenn sie denn so um 7% und mehr einfahren würde ein Riesenerfolg, der mit Bezug auf die Bundespartei gegen die allgemeine Entwicklung stünde! Ein Landesverband im Westen der Republik, der recht kontinuierlich an seiner grundsätzlichen Ausrichtung festhält und sich vor 5 Jahren erfolgreich einer rot-grünen Umklammerung des progressiven Neoliberalismus erwehrt hatte ohne dafür abgestraft zu werden. Mit einer eloquenten Spitzenkandidatin und einer klaren sozialpolitischen Kampagne im Kontrast zu den Linksliberalen (SPD und Grüne) wie auch gegen die rechtspopulistische AfD ist ein gutes Wahlergebnis möglich. Leider wird dies die innerparteiliche Debatte um die Ausrichtung der Partei nicht entschärfen, weil die Diskussion nicht mehr über die Frage des Kampfes gegen den Neoliberalismus geführt wird, sondern sich das alte Koordinatensystem innerparteilich hin zu den Regierungslinken (Erhalt des Euro/EU; R2G; Akzeptanz von Schuldenbremsen und Privatisierungen etc.) verschoben hat.

Wie auch immer – ob Schicksalswahl oder Stabilität – Dissens ist nötig und möglich! Lassen wir uns überraschen!