DIE SIEGER DER GESCHICHTE. Auch ein Nachruf auf einen Helden Brüssels

Im Wahlkampf für den Nationalrat 1970 spielte ein Plakat mit dem Bild des Bundeskanzlers Klaus eine Rolle. Darauf stand: „Ein echter Österreicher!“ Und alle wusste, was gemeint war. Der Klaus ist kein polnischer Jude, wie der andere da, dieser Kreisky. Der Erfinder dieses Plakats war Alois Mock. Es heißt, Kreisky sei zeit seines Lebens diesem Herrn Mock doch etwas reserviert begegnet.

Die Medien, die sonst überall Antisemitismus wittern wie die Trüffelschweine ihre Schwammerl, erwähnen in ihren Nachrufen diese so kennzeichnende Aktion ihres Helden nicht.

Mock war nicht aufzuhalten. Als Kurzzeit-Unterrichtsminister war er eher peinlich und unbedarft. Er musste danach jahrelang warten. Schließlich wurde er langjähriger ÖVP-Partei-Obmann. Nach den Wahlen von 1986 jedoch wurde er Vizekanzler und, vor allem, Außen­minister. Als solcher zog er den EG-Anschluss mit aller Zähigkeit und allem Fanatismus durch. Bei den Verhandlungen war er wegen Parkinson ernsthaft gehandicapt. Die österrei­chische Bundesregierung ließ ihn gewähren. Leute aus der technischen Ebene haben später kopfschüttelnd erzählt, wie er eine Position nach der anderen, die ihnen wichtig waren, preisgab. Dabei saß die Vertrauensfrau des SP-Kanzlers Vranitzky – jene Brigitte Ederer, die durch den „Ederer-Tausender“ unsterblich wurde. Sie nickte dies Alles ab. Später schrieben sogar konservative Zeitungen, etwa die NZZ: Österreich hat sich in den Verhandlungen reich gerechnet, weil die Verhandler nicht in der Lage waren, zwischen Kursen und KKP (Kauf­kraftparitäten: die österreichische Währung, der Schilling, stand außen im Vergleich zum inneren Wert viel höher) zu unterscheiden. Und jetzt zahlt es dafür die überhöhten Beiträge.

Das war die Hauptleistung des A. Mock. Es war eine Leistung, ganz objektiv beurteilt. Das hat Österreich wesentlich stärker umgemodelt als die ganze Ära Kreisky.

Man muss auf diese Zeit zurück schauen und vielleicht auch noch das eine oder andere Dokument dazu lesen. Man kommt tatsächlich aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Nach der Wahl 1986 wollte Mock, trotz Niederlage, unbedingt Kanzler werden. Zuerst versuchte er, mit der nunmehrigen Haider-FPÖ ins Geschäft zu kommen. Aber seine Partei ging nicht mit. Die hatten längst begriffen: Mit Vranitzky als Bundeskanzler war dies politisch ein viel besseres Geschäft. Aus ihm war viel mehr heraus zu holen. So ließen sie den schönen Franz Bundeskanzler sein. Er machte ja doch ihre Politik, und zudem hielt er die SP ruhig; vielmehr: er drehte sie um, vor allem bezüglich EG.

Nochmals die Dokumente. Im Arbeitsübereinkommen zum Abschluss der Koalitions-Verhandlungen (16. Jänner 1987) gibt es keinen Abschnitt „Außenpolitik“. Dafür heißt das zentrale und bei weitem umfangreichste Kapitel „Budget“. Die „Sanierung“ muss über Leistungskürzungen, „ausgabenseitig“ erfolgen. Gleichzeitig, trotz Defizit, wird aber eine „merkbare Absenkung des [ESt-] Tarifs“ vereinbart. Um die KöSt eiert man herum: Man wird sie einige Zeit später um die Hälfte senken, die Konzerne also großzügig beschenken.

Erst in der Regierungs-Erklärung (28. Jänner 1987) taucht die Außenpolitik auch auf. Bezüglich der EG hält man fest, dass man die „Teilnahme an der Weiterentwicklung des europäischen Integrations-Prozesses“ anstrebe. Von einem Anschluss ist noch nicht offen die Rede. Noch bestand die Sowjetunion, und noch glaubte man, zur Zurückhaltung verpflichtet zu sein. Man hat bisweilen auch den Eindruck, mit der Fixierung auf das Budget und den Leistungsabbau wäre das eigentliche Hauptziel schon festgeschrieben.

  1. Mock aber bohrte weiter und hatte Erfolg. Ziemlich kurze Zeit später schickte die Bundesregierung den „Brief nach Brüssel“ ab: das Anschluss-Gesuch.

Als Partei-Obmann war Mock der ÖVP nicht erfolgreich genug. Sie ersetzte ihn durch einen Clone, diesen bald auch wieder, usf.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Guido Schmidt, Außenminister in der Anschlussregierung von 1938, wegen Hochverrates vor Gericht gestellt. Seyss-Inquart, der Anschluss-Kanzler, wurde in Nürnberg gehängt. Ist der Hinweis auf das Verhalte der beiden wirklich so weit hergeholt?

Alois Mock wird ein Staatsbegräbnis bekommen. Franz Vranitzky lebt noch bequem, und wie man vernimmt in guter Gesundheit und ruht sich auf seinen Lorbeeren aus.

Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Noch sind die Gefolgsleute und Marionetten des Finanzkapitals und der EU ganz klar die Sieger.

Wie lange noch?

Albert F. Reiterer, 1. Juni 2017