Brot und Spiele?

von Murat Gürol, Aktivist des Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft

Der Mechanismus, den Plebs durch Brot und Spiele zufrieden zu stellen, um soziale Unruhen schon im Vorfeld zu unterbinden, wirkt heute genauso wie im alten Rom. Bei diesem geht es aber vorrangig nicht um die Befriedigung des Hungers und die Belustigung des Volkes, sondern um die Ablenkung, die diesem Mechanismus zugrunde liegt. Folgerichtig wendet sich die neoliberale Politik der neuen Regierung durch die Einschränkung des Arbeiterkammerabschlags von 0,5 auf 0,4% in eine Richtung, die den Anteil der Zufriedenstellung der Unterschicht gefährlich reduziert, aber durch den fremdenfeindlichen Diskurs den Anteil der Ablenkung massiv erhöht.

Die diskriminierende und rassistische Politik von schwarz-blau versteht es ebenso, durch die Einteilung der arbeitenden Bevölkerung in heimische und fremde Proletarier „kulturelle“ Sicherheitsschotts dort einzubauen, von wo aus dem liberalen Projekt die größte Gefahr droht, nämlich der Arbeiterklasse. Druck auf die Musliminnen durch Kindergarten-, Schul- oder Korandiskurse und Zuckerl für österreichische Familien mit zwei Kindern in Form von Steuererleichterungen dienen der Verstärkung dieser ohnehin schon vorhandenen Sicherheitswälle. Dass Teile der Linken dieses moderne „divide et impera“ mitspielen, indem sie den antimuslimischen Diskurs mittragen, erleichtert ihnen nur die Umsetzung ihres Projekts. Und der Gros der blauen Wählerschaft profitiert ohnehin genauso wenig von der speziell auf Besserverdienende zugeschnittenen Umverteilung, die nur scheinbar von vermeintlichen asylantischen „Großfamilien“ auf österreichische Familien gelenkt wird.

Unterm Strich verlieren die notorisch an österreichischer Politik desinteressierten Migranten ebenso wie ihre nicht viel besser bemittelten, von Rassismus verblendeten einheimischen Mitbürger. Vor der Schaumschlägerei immer neuer Auftragsstudien über die Inkompatibilität der Musliminnen mit der österreichischen Gesellschaft werden dann populistische Wahlversprechen ohne Aufsehen zu erregen noch in den ersten Regierungswochen gebrochen, wie die koalitionäre Willensbekundung zur Unterzeichnung der transatlantischen Freihandelsverträge CETA und TTIP zeigt.

Eine Überbrückung der plebejischen Gräben setzt voraus, dass zunächst der antimuslimische Diskurs verdrängt wird durch das Hinzeigen auf den neoliberalen Balken im Auge des Betrachters, der den Splitter im Auge des Migranten fokussiert. Nur dadurch erlangen Zuwanderer überhaupt die notwendige Luft, sich in ihrer neuen Wahlheimat überhaupt einbringen zu wollen und sich nicht durch die trügerische Hoffnung einer Rückkehr in ihre Heimatländer verblenden zu lassen, um sich ihren Problemen, die größtenteils auch die Probleme ihrer autochthonen Mitmenschen sind, zu stellen. Für beide Teile der Benachteiligten bedeutet dies eine Hinwendung zu Österreich im Sinne eines gemeinsam mit Gerechtigkeit zu füllenden Rahmens.