‚Operation Ursula‘: Wohin treibt die EU?

von Klaus Dräger

Mit großer Fanfare („Eine Union, die mehr erreichen will“) stellte die künftige Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen ihre politischen Leitlinien und die designierten Kommissionsmitglieder vor. Das neu gewählte Europäische Parlament (EP) soll im Oktober 2019 die vorgeschlagenen KommissarInnen anhören und prüfen. Bis zum 1. November soll die neue Kommission vom EP bestätigt werden. Wie in der Vergangenheit werden einzelne mögliche neue Kommissionsmitglieder von den EP-Abgeordneten scharf kritisiert.

‚Empört euch‘ – EP-Style …

Im Visier sind dabei vor allem die Vorschläge aus Osteuropa. Dem designierten Erweiterungskommissar Laszlo Trócsányi aus Ungarn wird seine Rolle bei der autoritären Justizreform von Viktor Orbàn vorgehalten. Der rumänischen Kandidatin Rovana Plumb wird eine mögliche Korruptionsaffäre von 2017 zur Last gelegt. Gegen den polnischen Kandidaten Janusz Wojciechowski von der PiS läuft ein Ermittlungsverfahren der EU-Anti-Betrugsbehörde OLAF wegen ungeklärter Reisekostenabrechnungen. Auch Macrons Kandidatin, die vormalige französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard, steht in der Kritik. Als frühere Europaabgeordnete beschäftigte sie EP-Mitarbeiter, die eigentlich zuhause nur für ihre Partei arbeiteten – was illegal ist.

Das EP interessierte sich hingegen nicht für die frühere Affäre der designierten Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde. Als Finanzministerin unter dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy hatte sie eine später als illegal verurteilte Entschädigung von mehr als 400 Mio. Euro an dessen befreundeten Geschäftsmann Bernard Tapie durch gewunken. Sie wurde von einem französischen Sondergericht dafür für schuldig befunden – allerdings ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Zweierlei Maß

Dass Ursula von der Leyen wegen der Bundeswehr-Berater-Affäre vor einen Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen wird – dies hat die Europaabgeordneten bei ihrer vorläufigen Bestätigung als Kommissionspräsidentin im Juli 2019 nicht gekümmert. Dem scheidenden Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker hatten damals die Luxemburg-Leaks Recherchen ja auch nicht geschadet. Als Finanzminister und Ministerpräsident von Luxemburg hatte er das Land zu einem Steuersenkungssparadies für multinationale Unternehmen gemacht, und bestehendes EU-Recht elegant dabei umgangen. Das Feuer von Medien und EP-Abgeordneten konzentriert sich jetzt auf die vorgeschlagenen Kommissionsmitglieder aus Osteuropa – aus Sicht des westlichen Publikums ist diese Region ohnehin ein ‚Hort der Korruption und Vetternwirtschaft‘.

Frei nach der Bibel (Matthäus 7,3) gilt aber: „Was siehst Du den Splitter im Auge deines Nächsten, aber den Balken in deinem Auge nimmst Du nicht wahr?‚Crony capitalism‘ – die Kumpanei von politischen Funktionsträgern mit dem Kapital und reichen Freunden- ist jedenfalls kein spezifisch osteuropäisches Problem. Auch im Westen und weltweit werden oligarchische Strukturen und die Vorteilsnahme daraus in öffentlichen Ämtern immer deutlicher sichtbar.

Möglicherweise wird das EP dem einen oder anderen aktuell umstrittenen Personalvorschlag nicht zustimmen. Im Großen und Ganzen wird von der Leyen ihr Team aber wohl durchbekommen. Spötter frotzeln bereits über die ‚Unschuldig-bis-zum-Beweis-des Gegenteils--Kommission‘. Unterhalten, kurzfristig das Interesse an Skandalen und Sensationen schüren, das ist ihr Geschäft. Strukturelle Analyse? Fehlanzeige. Bald wird die ganze Aufregung um die neue Kommission wohl wieder unter einem Mantel des Vergessens zugedeckt werden – wie damals bei Juncker, und wie bei den umstrittenen EU-Kommissionen zuvor (Santer, Barroso). Die bewältigten ähnliche Vertrauenskrisen erfolgreich: einige Fehler zugeben, einige nominierte Kommissare opfern – aber bitte die europäische Staatsräson berücksichtigen. Umstrittene Personen austauschen, dann ’sozial‘ blinken – und danach lief es wieder wie vorher.

Das ‚Ursula-Bündnis‘ – was steckt dahinter?

Im Europawahlkampf 2019 positionierten sich fast alle deutschen und westeuropäischen Parteien entlang der Linie: ‚Europa nicht den Nationalisten überlassen‘, gegen ‚Populismus‘, für die EU als ‚Friedensprojekt‘ und vieles mehr. Dazu waren die Botschaften von konservativ, sozialdemokratisch, liberal, grün bis zu großen Teilen der ‚radikalen Linken‘ ziemlich ähnlich. ‚Feinde‘ waren für all diese die Brexit Party in Großbritannien, die Lega in Italien, die PiS in Polen, Victor Orbán in Ungarn, Marine Le Pen in Frankreich, AfD und FPÖ, und auch die Fünf-Sterne Bewegung (M5S). Es ging dabei vereinfachend um ‚Pro‘ oder ‚Kontra‘ Europa – nicht um links und rechts.

Nach der Europawahl wollten sowohl das EP als auch Angela Merkel das ‚Spitzenkandidaten‘-Modell retten (Macron eher nicht). Das gelang nicht: im EP gab es weder eine Mehrheit für den konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber (EVP), noch für Frans Timmermanns (Sozis), noch für Margrethe Vestager (Liberale). Das EP konnte so das von ihm stets hoch gehaltene Spitzenkandidatenmodell nicht durchsetzen. Im Rat der EU (Regierungschefs) gelang das erst Recht nicht.

Dieses Modell ist vorerst tot. Viele WählerInnen fühlten sich betrogen – auch weil sie über die rechtlichen Hintergründe dazu von den Mainstream Medien nicht oder kaum verständlich informiert wurden. Sie glaubten an eine ‚europäische transnationale Demokratie‘, die es im wirklichen Leben nicht gibt.[1] Alles Wesentliche in der EU wird in erster Linie von nationalen Regierungen ausgehandelt.

Macron zauberte deshalb erst mal Frau von der Leyen aus dem Hut, um diese institutionelle Blockade aufzulösen. Viele Analysten außerhalb von Deutschland denken: das war ein intelligenter Coup. Damit habe er einen deutschen EZB-Präsident Jens Weidemann verhindert, der stets gegen die lockere Geldpolitik der EZB wetterte. Mag sein – aber Angela Merkel war stets zufrieden mit der ultra-lockeren EZB-Geldpolitik von Mario Draghi. Diese hat den Bundeshaushalt stark entlastet. Beide konnten Berlusconi 2011 in die Wüste schicken (was Protestbewegungen in Italien – mit ganz anderen Motiven – nicht schafften). Danach wurde erst mal eine Expertenregierung ‚Monti‘ installiert. Merkel und Draghi waren dazu ein gut eingespieltes Duo.

Sie hoffen, dass Lagarde auf dieser Linie weiter macht, was diese auch beteuert. Dies gefiel dem EP-Ausschuss für Wirtschaft und Währung, der Lagarde bereits grünes Licht erteilte. Unbequemen Fragen wegen der auch unter ihrer Ägide als IWF-Präsidentin drakonischen Austeritätspolitik gegen Griechenland musste sie sich dort kaum stellen.

Kräfteverhältnisse in der EU

Hinter Ursula von der Leyen als neuer Kommissionspräsidentin versammelten sich sehr heterogene politische Kräfte. Dies geschah entlang ’nationalstaatlicher Interessenlagen‘ – also der nationalen Kapitale, ihrer Fraktionen, und der jeweiligen Regierungen, die so was stets intern und ‚international‘ austarieren müssen. Ein klares ‚Links-Rechts‘ Schema gibt es in der EU dazu nicht.

In der entscheidenden Abstimmung im EP hatte sie die volle Unterstützung von Macrons gestärkten Liberalen. Kleinere Teile ihrer konservativen EVP und der Sozialdemokraten stimmten offenbar aber nicht für sie, allen voran die MEP der deutschen SPD. Sowie die EP-Fraktion der Grünen.

Diese Opposition ist für die Zukunft nicht Ernst zu nehmen. Die Führung der deutschen Grünen (Parteivorsitzende, Bundestagsfraktion) waren die Ersten, die von der Leyen zu ihrer Bestätigung durch das EP auch inhaltlich wegen ihres ‚mutigen Programms‘ gratulierten. Und damit ihr eigenes Spitzenteam im EP (Ska Keller, Sven Giegold) düpierten. Diese kamen zu dem (m.E. realistischen) Urteil, dass von der Leyens Green Deal und viele ihrer anderen Versprechen nach genauer Lektüre der Unterlagen nur heiße Luft seien. Dies wurde von den deutschen Grünen herunter gespielt. Diese Reaktion von den Bundesgrünen ist m.E. leicht zu deuten: Schwarz-Grün in Deutschland ist ihre bevorzugte Perspektive.

Wie auch immer: am Ende kam Ursula nur auf knappe 9 Stimmen über der absoluten Mehrheit im EP (dafür sind 374 Stimmen nötig). 383 MEP stimmten für sie; 327 dagegen. Unterstützt wurde sie unter anderem von Mitte-links: z.B. von den Sozis aus Spanien (Pedro Sanchez), aus Portugal (Antonio Costa), der PD aus Italien und sogar von den EP-Abgeordneten von Jeremy Corbyn’s Labour.

Ohne die Stimmen der ‚Populisten‘ – gegen die die CDU und andere ja hauptsächlich Wahlkampf machten – wäre sie krachend durchgefallen. Für Ursula stimmten die ‚Populisten‘ der Fünf-Sterne-Bewegung aus Italien (14 MEP), und auch mehrheitlich die EP-Mitglieder der ‚rechtspopulistischen‘ PiS aus Polen (26 MEP) und von Viktor Orbàns Fidez aus Ungarn (13 MEP). Insofern: von der Leyen wird Kommissionspräsidentin von Kaczyński’s und Orbàn’s Gnaden.

Das ist den deutschen Mainstream-Medien peinlich. Sie hatten ja die Kampagne ‚überzeugte Europäer gegen Nationalisten‘ maßgeblich vorangetrieben. Sie warnten stets auch vor einem angeblich anti-europäischen ‚Linkspopulismus‘ (z.B. DIE LINKE, Unidas Podemos in Spanien, Mélenchon in Frankreich usw.).

Dass ‚ihre Ursula‘ ohne Unterstützung der zuvor so gebrandmarkten ’nationalistischen Populisten‘ nicht bestätigt worden wäre – dies besser ausblenden. Auch ansonsten eher kritische Medien wie die Nachdenkseiten und andere hatten diesen Widerspruch zwischen CDU-Kampagne und deren ‚Realpolitik‘ kaum thematisiert.

Ein holpriger Beginn …

Von der Leyen hatte einen schwierigen Start als designierte EU-Kommissionspräsidentin. Kurz später hatte sie auch Glück. Die Koalition in Italien von Salvinis Lega und der 5-Sterne Bewegung (M5S) brach auseinander. Damit ist Ursula ein Problem los: den ansonsten eskalierenden EU-Haushaltsstreit mit Italien. Die neue PD-M5S Koalition gibt sich europapolitisch deutlich moderater. Dort wird dieses neue Bündnis von Freund und Feind als coalizione Ursula‘ betitelt, weil sowohl PD als auch M5S im EP für von der Leyen votierten. M5S verlangt jetzt nur, dass Italien etwas mehr ‚Flexibilität‘ bei den Regeln des ‚EU-Stabilitäts & Wachstumspakts‘ (SWP) erlaubt wird. Matteo Renzi (PD) forderte das stets zu seiner Zeit als Italiens Premierminister. ‚Flexibilität‘ beim SWP – für Deutschland und Frankreich wurde das zuvor ja auch schon mal gemacht – auf Druck von Schröder und Chirac. Am EU-Austeritätsregime (und dem Zwang zu weiteren neo-liberalen Strukturreformen) änderte das aber nichts, und sollte es auch nicht.

Die italienische Fünf-Sterne-Bewegung möchte sich jetzt übrigens der Fraktion der Grünen im EP anschließen. Deren Mehrheit ist dafür aufgeschlossen und verhandelt. Letztlich geht es dabei um Status und Geld: wenn die MEP der Grünen/EFA-Fraktion im EP aus Großbritannien wg. Brexit wieder weg wären, verlöre diese 11 Sitze aus dem UK (7 Grüne, 3 SNP Schottland, 1 Plaid Cymru Wales) von ihren derzeit insgesamt 75 EP-Sitzen. Da wären 14 Neuzugänge aus Italien schon willkommen. Früher hatten die Grünen übrigens auch kein Problem damit, dass die flämische ‚rechtspopulistische‘ N-VA aus Belgien lange Zeit zu ihrer EP-Fraktion gehörte. Der Wandel von M5S vom ‚populistischen‘ Saulus zum EU-freundlichen Paulus, die Grünen ohnehin von der CDU umworben? Das wäre doch viel versprechend für die Stabilisierung der ‚extremen Mitte‘ im EP …

Von der Leyen versucht andererseits alles, um die osteuropäischen Regierungen (und insbesondere die von Polen und Ungarn) in einen Konsens der ‚extremen Mitte‘ in der EU einzubinden. Ungarn’s Viktor Orbàn bekundete, sie verstehe die Haltungen Osteuropas besser als andere in der Juncker-Kommission zuvor. Frans Timmermanns soll nun EU-Kommissar für Klimaschutz werden (Green Deal im EU-Sprech). Zuvor war dieser in der Juncker-Kommission prominent gegen die Regierungen von Ungarn und Polen eher propagandistisch als rechtlich aktiv, um deren autoritäre Justiz- und Medienreformen anzuprangern. Von der Leyen schlug dann vor, ein Ressort in der Kommission „Schützen, was Europa ausmacht“ (Protecting the European Way of Life) zu schaffen – ein deutliches Signal an Orbàn und Kaczyński. Dies hat eine kontroverse Debatte selbst unter den Mainstream Parteien in der EU ausgelöst. Denn ‚Europa vor den Fremden schützen‘ – so wird dies m.E. zu Recht in ideologischer Hinsicht verstanden – war ja stets ein zentraler Slogan nicht nur der osteuropäischen harten Rechten. Im wirklichen Leben passt dazu allerdings schon lange kein Blatt mehr zwischen die Anti-Flüchtlings-Agenda von Orbàn und Konsorten und der offiziellen EU-Politik von Merkel, Macron und anderen EU-Granden.

Die Balkan-Route wurde mit dem EU-Türkei-Deal dicht gemacht, und die Mittelmeer-Route durch Druck auf afrikanische Länder weitgehend auch. Salvini wurde nie dafür sanktioniert (wie auch), dass durch seine Dekrete die zivile Seenotrettung kriminalisiert wurde und deren Schiffe italienische Häfen nicht anlaufen durften. Das dahinter stehende EU-Regime soll nach Macron, Merkel, von der Leyen so weiter gehen. Wer ein ‚begründetes Recht‘ auf Asyl nachweisen kann – o.k., dies solle man schon in ‚Afrika‘ prüfen. Ansonsten gilt: die als Wirtschaftflüchtlinge betrachteten Personen möglichst schnell zurück führen. Sollten welche dabei sein, die die EU wg. ‚Fachkräftemangel‘ usw. gebrauchen kann – auch gut. Das sind halt die (neoliberalen) Kriterien dafür, welche MigrantInnen rein dürfen und wer draußen bleiben soll.

„Strategische Souveränität“?

Um von der extremen Mitte im EP (Konservative, Liberale, Sozis und Grünen) erst mal als designierte Kommissionspräsidentin bestätigt zu werden, versprach Ursula von der Leyen den diversen Akteuren dort das Blaue vom Himmel. Gegenüber Macron: Ausbau der Aufrüstungsunion‘ und der etablierten Politik zur ‚Festung Europa‘. Den EU-Südländern: Man könnte ja den bestehenden Stabilitäts- und Wachstumspakt ‚flexibler‘ anwenden. Sozis und Grünen: Klimaschutzfonds bei der Europäischen Investitionsbank, EU-Regeln zum Mindestlohn, EU-Initiativen zu einer ‚EU-Arbeitslosen-Rückversicherung‘ und einiges mehr.

Eine bemerkenswerte Reaktion auf diese ‚Operation Ursula‘ kommt von Andrew Watt (vom Europäischen Gewerkschafts-Institut ETUI und dem Wirtschaftsforschungs-Institut der Hans-Böckler-Stiftung IMK). Folgt man dem Gewerkschafts-Experten Watt, so vertritt von der Leyen „die internationalistischste progressive Agenda, die seit vielen Jahren auf EU-Ebene präsentiert wurde.“

Na dann … – welchen ‚Internationalismus‘ strebt von der Leyen denn an? Ihr Leitbild ist ’strategische Souveränität‘ – ‚Europas Wille zur Macht‘. Dies wird von ihr, von Macron und europäischen Denkfabriken schon länger propagiert. Was ist damit gemeint?

Aufrüstungsunion, Festung Europa – wie gehabt, und Konsens in der EU. Die EU müsse ein ‚global player‘ werden, um zwischen USA, China und Russland nicht zerrieben zu werden. Sie benötige vor allem eine eigenständige Geo-Politik und Geostrategie, erst Recht nach einem möglichen ‚No-Deal-Brexit‘. Deshalb brauche sie auch eine neue Industriepolitik. Deren Ziel: größere ‚EU-Champions‘ schaffen, die im globalen Wettbewerb mit den USA und China mithalten können. Etwa so, wie der deutsche Wirtschaftsminister Altmaier und der französische Präsident Macron dies wegen der angestrebten Fusion von Siemens und Alstom schon längst forderten. Dafür sei das EU-Wettbewerbsrecht zu lockern. Die EU solle zudem eigene Standards zu Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz schaffen und dies massiv fördern. Die ‚internationale Wettbewerbsfähigkeit‘ von EU-Champions solle durch einen EU-Fonds gestärkt werden. Das Leitbild ‚Strategische Souveränität‘ beinhaltet somit sowohl wirtschaftliche, militärische, geo-politische und andere Aspekte. Diese weiter gehenden Visionen der EU-Denkfabriken werden auch in internen Diskussionspapieren der Kommission aufgegriffen.

Ob sich das durchsetzt? Flexiblere Regeln zum Stabilitätspakt, das EU-Wettbewerbsrecht lockern – dagegen sträubt sich die ‚Hanseatische Liga 2.0′ (ein von den Niederlanden geführtes Staatenbündnis mit Dänemark, Finnland, Schweden und den baltischen Staaten). Sie verteidigen eisern Schäubles und Scholz‘ Prinzip der ’schwäbischen Hausfrau‘ in der Haushaltspolitik (die ’schwarze Null‘). Sowie den freien Wettbewerb in einer ‚freien Marktwirtschaft‘. ‚Europäische Champions‘ fördern- das würde aus ihrer Sicht vor allem deutschen und französischen Unternehmen nutzen. Eine durchaus realistische Analyse, die auch von osteuropäischen Regierungen geteilt wird…

Auch in der CDU sind solche Ideen sehr umstritten. Von der Leyens‘ ’soziale Versprechen‘ wie z.B. zu einer EU-Arbeitslosen-Rückversicherung wurden dort stets abgelehnt. Ob diese wirklich ’sozial‘ wäre, steht noch mal auf einem anderen Blatt.

Aussichten

Insofern gilt für die ‚Operation Ursula‘ wie für die EU insgesamt: sich durchwursteln ist das Gebot der Stunde. Dass die neue Kommission bestätigt wird, könnte gelingen. Auch wenn mit dem einen oder anderen ‚blauen Auge‘.

Danach kommen aber härtere Probleme, die ihre Schönwetter-Agenda schnell zu bloßem bedruckten Papier machen könnten. Möglichweise ein No-Deal-Brexit zum 31. Oktober 2019 (weil kein Austrittsvertrag des UK mit der EU zustande kommt), neue Handelssanktionen von Trump (Flugzeuge, Autos) gegen die EU, eine internationale Rezession, Krieg gegen den Iran und vieles mehr. Die EU-internen Konflikte (z.B. um die künftige Osterweiterung um Balkanstaaten wie Albanien, Nord-Mazedonien, Kosovo usw., um Geopolitik gegenüber China, USA und Russland, um die Durchsetzung von ‚Rechtsstaatlichkeit‘, die Verteilung der noch ankommenden Flüchtlinge und die Migrationspolitik, um die künftige Wirtschafts- und Geldpolitik) – diese werden sich eher zuspitzen. ‚Operation Ursula‘ – eine ‚Mission impossible‘? Wir werden sehen …


[1] Siehe meinen Beitrag in Z 119, September 2019, zu ‚ Europawahl 2019 – Debakel für die EU-Linke ‚