"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
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Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

GRIECHISCHE UNABHÄNGIGKEIT UND DER „UNABHÄNGIGE“ FINANZ-STAATSSEKRETÄR

Eine Notiz und eine Nachfrage

Vor zwei Wochen stolperte ich in Le Monde (29. Juli 2015, p. 5) über folgende Meldung: Ex-Finanzminister Varoufakis habe einen €-Austritt vorbereitet. Dabei habe seine Task-Force, der u. a. der jüngere Galbraith vorsaß, folgenden Vorschlag gemacht – und jetzt zitiere ich wörtlich (bzw. in deutscher Übersetzung): „Man musste dazu an die Steuernummern im Ministerium herankommen, das von den Gläubigern Athens besetzt (occupée) ist. … Ein Jugendfreund, Informatikprofessor in Columbia, wurde beauftragt, den Rechner des Ministeriums zu hacken…“

Man reibt sich die Augen: Der Finanzminister, der Chef der Finanzverwaltung des Landes, will oder muss den Computer des eigenen Ministeriums hacken?

Die Geschichte machte die Runde. Der Spiegel kochte sein eigenes Süppchen daraus (25. Juli 2015, S. 108, unter „Kultur“, nicht etwa Politik; dann weiter im Spiegel online: 27. 7. 2015 – das Datum ist kaum sicher zu eruieren). Er macht Varoufakis zum künftigen Führer einer Euro-Linken, da der Ex-Finanzminister ja wegen seiner Konsequenz so glänzend geeignet ist: Beim ersten Paket nach der Wende war er abwesend; beim zweiten stimmte er dagegen, beim dritten dafür… Aber irgendwie scheint er der Journaille Angst zu machen. Auch der Artikel in Le Monde ist dazu bestimmt, den Politiker madig zu machen. Denn so günstig sind die Umfragen auch nicht, wie uns ORF und Zeitungen es täglich vorlügen.

Aber das lenkt nur ab. Wiederholen wir das Unfassbare: Der oberste Chef der Finanzen, in einer Regierung aus demokratischen Wahlen, muss offenbar auf quasi-kriminelle Weise den Zugang zum Computer des eigenen Ministeriums erschleichen. Denn dieses Ministerium ist von der Troika besetzt.

Nun fällt mir ein Text ein. Kurz zuvor erschien bei Campus, Frankfurt, ein dickes Buch über die Krise in Griechenland, herausgegeben von der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung – also offiziös. „Die wichtigste Neuerung [des Ersten Memorandums, 2010 / 11] war die Einrichtung eines unabhängigen Finanzsekretariats, das – nach dem Vorbild des Zentral­bankpräsidenten – mit einem in seiner fünfjährigen Amtszeit nicht kündbaren Experten zu besetzen war“ (Kazakos 2015, 40). (Anzumerken ist, dass dieser Text von einem „deutschen Griechen“ stammt, also einem Verteidiger der offiziellen deutschen Politik.)

Sagen wir es ohne Umschweife: Die griechische Finanzpolitik ist nicht nur de facto, sondern formell und de jure, der griechischen Demokratie entzogen.

So ging Großbritannien seinerzeit im 19. Jahrhundert in Ägypten vor, als der britische Gene­ralkonsul die dortige Politik leitete; oder etwa zur selben Zeit, zusammen mit Frank­reich, im Osmanischen Reich; oder natürlich bald auch schon einmal in Griechenland: Δυστιχϖς επτοχεύσαμεν „leider sind wir bankrott“, sagte der Ministerpräsident Charilaos Trikoupis dem griechischen Parlament 1893. Ab 1898 nahm somit eine Internationale Finanz-Kommission (IFC) die Dinge selbst in die Hand. Darin saßen Vertreter Englands, Frankreichs, Russlands, Italiens, des Deutschen Reichs und der Habsburger.

„Wahlen ändern nichts“, sagen dazu Schäuble und Juncker. Wer dies nicht akzeptiert, muss nicht nur gehen. Er riskiert auch einen Prozess wegen Hochverrats.

Es stellt sich allerdings die Frage: Wie funktioniert dies in der Praxis? Ohne griechische Kollaboration geht dies nicht. Aber dazu gibt es die Tsakalotos und die Tsipras. Wenn man es aber genauer wissen möchte, erlebt man auch etwas Erstaunliches: Man erfährt schlicht nichts. Jedenfalls nicht aus öffentlich zugänglichen Dokumenten. Der Text des Ersten Memorandums bringt die Chose in ein vergleichsweise harmloses Umfeld. Im Annex 2: Financial Stability Fund, wird allerdings die „Unabhängigkeit“ nicht nur des Präsidenten dieses Fonds, sondern einer ganzen Reihe von Beamter und auch ihrer Aufpasser aus der EU heraus gestellt. Nur im Falle grober, verbrecherischer Verfehlungen dürfen sie entlassen werden. Aber was sie faktisch wirklich zu tun haben, kommt nicht heraus.

Ich muss nun allerdings eingestehen, dass meine paar Vokabel des Griechischen nicht im Entferntesten ausreichen, einen Text zu verstehen. Daher meine Bitte an Alle, die Griechisch beherrschen: Nachrecherchieren und eventuell bei Bekannten aus dem politischen Umkreis, und noch besser, aus dem Umkreis dieser Institutionen nachfragen!

Denn das ist ein Beispiel, wie es düsterer schwer vorzustellen ist: Wir haben bisher stets beklagt, dass die politische Praxis sich nicht um die demokratischen Ansprüche schert. Hier aber wird ganz formal und institutional die Zerstörung des Kernbereichs von Demokratie betrieben. Und Tsipras sowie die Mehrheit der SYRIZA decken inzwischen alle diese Verbrechen.

  1. August 2015

Literatur

Kazakos, Panos (2015), Griechische Politik 2009 – 14. Der Kampf um Kredite und der mühsame Weg zu Reformen. In: Klemm, Ulf-Dieter / Schultheiß, Wolfgang, Hg., Die Krise in Griechenland. Ursprünge, Verlauf, Folgen. Frankfurt / M., Bonn: Campus / Bundeszentrale für politische Bildung.

EC (2010), The Economic Adjustment Programme for Greece. Brussels, Occasional Paper 61.

Die Lehren aus dem Debakel in Athen ziehen

von Solidar-Werkstatt Linz

 

Diese Ereignisse in Griechenland machen fassungslos, sie sollen uns aber nicht handlungsunfähig machen. Voraussetzung dafür, dass fortschrittliche Kräfte wieder an Handlungsfähigkeit gewinnen, ist es, die richtigen Lehren aus diesem Debakel zu ziehen.
Die Ereignisse in Griechenland machen zunächst fassungslos. Die linke Syriza-Regierung bekommt bei Wahlen das eindeutige Mandat der Bevölkerung , die verheerende EU-Austeritätspolitik zu beenden, die die Arbeitslosigkeit auf 25% in die Höhe getrieben und jeden zweiten Jugendlichen arbeitslos gemacht hat. Erwartungsgemäß kam diese Regierung unter enormen Druck des EU-Establishments. In einer daraufhin ausgerufenen Volksabstimmung bestätigte eine Mehrheit von über 60% der Bevölkerung das Mandat der Regierung, das EU-Spardiktat abzulehnen. Keine 24 Stunden nach diesem eindeutigen Votum gegen das Spardiktats war plötzlich die griechische Regierung bereit, das EU-Spardiktat voll und ganz zu erfüllen, sogar in noch weitergehender Form, als es vor der Volksabstimmung auf dem Tisch lag.

De facto wird Griechenland zur Euro-Kolonie. Nicht nur ein drakonischen Spar-, Sozialabbau- und Privatisierungsprogramm muss durchgezogen werden, auch das griechische Parlament wird zur Marionettenbühne: Alle wesentlichen Entscheidungen müssen in Brüssel abgenickt werden, bevor sie den gewählten ParlamentarierInnen vorgelegt werden. In Griechenland hat damit, wie das Personenkomitee Euroexit festhält – ein Putsch stattgefunden. Denn auch in Griechenland sind die Ergebnisse von Volksabstimmungen für Regierung und Parlament verbindlich. Es ist der zweite Putsch in Griechenland innerhalb von wenigen Jahren. Erinnern wir uns zurück: 2012 kündigte der damalige Ministerpräsident Papandreou eine Volksabstimmung über die Sparvorlagen der „Troika“ an – innerhalb von 24 Stunden musste er seinen Sessel räumen und einer faktisch von der EU inthronisierten Regierung Platz machen, die die EU-Vorgaben umsetzte.
1) Die EU hat kein „Demokratiedefizit“, sie ist vielmehr der größte Angriff auf demokratische Errungenschaften, die in Jahrzehnten, ja Jahrhunderten bitter erkämpft worden sind. Durch ein Bündel an Verträgen, Verordnungen, Richtlinien ist ein Korsett für eine neoliberale Wirtschaftsdiktatur festgezurrt worden, das die Interessen der großen Industrie- und Finanzkonzerne gegen die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen will. Der Sozialstaat soll zum „Auslaufmodell“ (EZB-Chef Draghi) gemacht werden, die gewählten Parlamente werden Schritt für Schritt entmündigt. Schon 2008 hat der deutsche Staatsrechtler Andreas Fishan analysiert: „Die programmatischen Festlegungen des Europäischen Primärrechts sind so eng, dass sie Politik nur in einer ganz besonderen, nämlich neoliberalen Weise zulassen.“ [sh. hier ] Dass das EU-Establishment nach dem offenkundigen Scheitern des Neoliberalismus in der tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 den Staaten ein Programm der „Radikalisierung des Neoliberalismus “ (Sixpack, Twopack, Fiskalpakt, ESM,…) oktroyieren konnte, hat diese Analyse eindrucksvoll bestätigt. Offenkundig ist auch: Diese EU-Politik spaltet und hierarchisiert Europa und hat den deutschen Machteliten zur Dominanz verholfen.

2) Die Illusion der sog. „Euro-Linken“, eine „soziale und demokratische EU“ zu schaffen, ist in Athen nicht zum ersten Mal, hier jedoch besonders spektakulär zerplatzt. Diese „Euro-Linke“ trägt eine wesentliche Verantwortung für das politische Debakel in Griechenland. Syriza und die Tsipras-Regierung waren das Vorzeigemodell, ja zum Teil das unmittelbare Produkt dieser „Euro-Linken“. Von Athen aus wollte man die EU reformieren und den fatalen Austeritätskurs beenden. Herausragendes Merkmal der „Euro-Linken“: Der Austritt aus Euro bzw EU werden zum absoluten NO GO erklärt! Und genau dieses NO GO hat letztlich dazu geführt, dass nun die euro-linke Regierung in Griechenland den Auftrag ihrer WählerInnen und den Auftrag des Volksabstimmung mittels Putsch ins Gegenteil verkehrt. Alexis Tsipras, der Spitzenkandidat der „EU-Linkspartei“ für die EU-Parlamentswahlen, putscht gegen die eigenen Bevölkerung, um das Austeritätsdiktat Brüssels und Berlins zu exekutieren – schlimmer konnte das eurolinke Dogma, den Austritt aus Euro und EU zu tabuisieren, kaum scheitern *). Dieses Dogma hat es Schäuble sogar ermöglicht, den „Grexit“ als Drohkulisse aufzubauen, um seine Forderungen durchzupeitschen. Dabei sind der Austritt aus Euro und EU die einzige Chance, dem Druck des EU-Establishments entgegenzutreten. Nur durch die Rückgewinnung der wirtschafts- und währungspolitische Souveränität kann der Erpressung der EZB, Griechenland mittels Liquiditätsentzug ökonomisch zu erdrosseln, wirksam begegnet werden.

3) Griechenland ist überall in der EU. Auch in Österreich. In Griechenland ist der Putsch gegen Demokratie und Sozialstaat auf offener Bühne vorgeführt worden. In Österreich läuft dieser Putsch geräuschloser und schleichender. Hier müssen die Ergebnisse von Volksabstimmungen nicht ignoriert werden, hier werden sie erst gar nicht durchgeführt. Weder über den EU-Lissabon-Vertrag noch über den EU-Fiskalpakt wurden Volksabstimmungen zugelassen, obwohl diese Verträge tiefe Eingriffe in die österreichische Verfassung darstellen (z.B. Demontage der Neutralität, Aushebelung des Budgetrechts des Nationalrates) und damit eine Volksabstimmung zwingend geboten wäre. Auch in Ländern wie Österreich führt diese EU-Regime zu wachsender Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung. Ein halbe Millionen Menschen sind arbeitslos, so viele wie seit sechs Jahrzehnten nicht mehr; die unteren Einkommensgruppen rutschen zunehmend in Armut, soziale Existenzangst frisst sich bis tief in die Mittelschichten hinein vor und stellt den Nährboden für wachsenden Rassismus dar.

Aus schonungslosen Analysen gilt es auch klare politische Schlussfolgerungen abzuleiten. Nicht nur für Griechenland, auch für Österreich gilt: Wer Sozialstaat, Demokratie, Neutralität verteidigen bzw. wieder gewinnen will, muss für den Austritt Österreichs aus der EU kämpfen! Wer – wie in Kreisen der „Eurolinken“ populär – diesen Kampf für den EU-Austritt Österreichs als „nationalistisch“ diffamiert, taumelt – wie die Tsipras-Regierung demonstriert hat – in die völlig politische Paralyse und Kapitulation. Erst dadurch wird das Feld der EU-Opposition tatsächlich nationalistischen und rechtsextremen Gruppierungen überlassen. Deren „EU-Opposition“ führt – sh. wesentliche Kräfte des EU-Austrittsvolksbegehren [sh. hier ] – nicht aus der EU heraus, sondern leitet sogar Wasser auf die Mühlen der reaktionärsten Strömungen der EU-Eliten, die am Aufbau eines hochgerüsteten EU-Imperiums arbeiten. Wir brauchen daher eine breite, fortschrittliche EU-Austrittsbewegung in Österreich. Das ist ein zäher Prozess. Die Mitarbeit bei der Solidarwerkstatt bzw. Unterstützung der Solidarwerkstatt ist ein wichtiger Beitrag, den jeder einzelne, der/die dabei mithelfen will, leisten kann. In diesem Sinn begrüßen wir auch die Gründung des Personenkomitees „Euroexit“ .

Erste Schritte raus aus dem „eurolinken“ Illusionismus können sofort gesetzt werden – beim Kampf gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen TTIP, CETA & Co. Auch hier hat sich herausgestellt, dass die Petitionen an EU-Kommission und EU-Parlament – auch wenn sie von Millionen unterzeichnet werden – ins machtpolitische Nirwana führen. Wenn TTIP & Co verhindert werden können, dann nur durch nationale Volksabstimmungen . TTIP muss Zwentendorf werden! Stellen wir daher diese Forderungen in den Mittelpunkt unserer zukünftigen Aktivitäten!

Nachsatz:
Können wir eine solche Volksabstimmung durchsetzen bzw. – siehe Griechenland – würden die österreichischen Machthaber unter dem Druck der EU das Ergebnis einer solchen Volksabstimmung überhaupt akzeptieren? Um ehrlich zu sein: Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Nur wenn wir uns auf diese Auseinandersetzung einlassen, können fortschrittliche Kräfte auch wieder an Gegenmachtsfähigkeit und Gestaltungskraft in diesem Land gewinnen. Wer im „eurolinken“ Wolkenkuckuckheim verharrt und die EU zum Tellerrand der Politik macht, wird zum Problem statt zum Teil der Lösung. Was für Länder wie Griechenland die Herabstufung zu einer EU-Kolonie bedeutet, heißt für Österreich, zunehmend als Juniorpartner Berlins zum Zuchtmeister des Kontinents zu werden. Österreichische Machteliten haben darin bekanntlich Übung.

*) sh. dazu auch den Beitrag von Franz Stephan Parteder „Unter die Räder gekommen – die Strategie der Euro-Linken

Syriza-Regierung unterzeichnet militärisches Abkommen mit Israel

von Wilhelm Langthaler

Symbol einer zweiten Kapitulation nun gegenüber den USA

Bei seinem Besuch am 19. Juli 2015 schloss der griechische Verteidigungsminister Kammenos ein “status of forces”-Abkommen mit Israel. Obwohl keine Einzelheiten bekannt wurden, dienen solche Abkommen üblicherweise dazu die Rechte fremder Truppen auf dem eigenen Hoheitsgebiet zu regeln. Es ist bemerkenswert, dass Israel bisher nur mit seinem Beschützer, den USA, ein solches Abkommen unterhalten hat.

Hier der entsprechende Bericht aus der Jerusalem Post.

Und aus Mondoweiss.

Das kann kaum ein Zufall sein. Man könnte einwenden, dass Kammenos der kleinen rechten Anel-Partei angehört, die als Mehrheitsbeschaffer für Syriza diente. Aber eine derart wichtige und auch symbolisch aufgeladene außenpolitischen Entscheidung wird wohl nicht ohne das Wissen und die Zustimmung des Premiers und damit des bestimmenden Koalitionspartners gefällt worden sein.

Das ist um so bemerkenswerter als Syriza in ihrem Parteiprogramm versprochen hatte die Beziehungen mit Israel einzufrieren. Dieses Versprechen genauso wie Tsipras’ Besuch in Moskau scheint Teil eines Bluffs gewesen zu sein, der letztlich im Totalverlust endete. Syriza beugte sich schließlich dem Austeritätsdiktat der EU und insbesondere Deutschlands. Um auch den USA zu signalisieren, dass Athen in ihrem Orbit verbleibt, scheinen sie nun das koloniale Projekt der USA anzuerkennen, das der Kontrolle des arabischen Kernlands dient. Damit wird nicht nur der Kooperation mit dem arabischen Widerstands eine Absage erteilt (die auf einer traditionell propalästinensischen und proarabischen Stimmung der griechischen Bevölkerung beruhen würde), sondern auch die Tür für eine breitere Allianz für eine multipolare Welt zugeschlagen.

Siehe dazu auch die frühe Warnung und spezifische Interpretation von Stathis Kouvelakis, einem Mitglied der Linken Plattform von Syriza, der noch knapp vor dem Erdrutschsieg seiner Partei am 22.1.2015 schrieb: „Ich glaube es gibt in Syriza einen Sektor der möglicherweise die USA als Gegengewicht zur Merkel-dominierten EU sieht. Ich stimme dem nicht zu und ich denke, dass für diese Optionen ein sehr hoher Preis zu bezahlen sein wird. Die Leute in Griechenland, die solche Dinge sagen, neigen zur Unterstützung der Außenpolitik des griechischen Staates und seiner politischen Eliten, namentlich einer Allianz mit Israel als Karte gegen die Türkei. Dabei wird die traditionelle Achse oder Allianz zwischen Griechenland und der arabischen Welt oder Teilen invertiert.“

 

Unantastbare Dogmen: Israel und das Euroregime

Um Teil des westlichen Machtblocks zu werden oder zu bleiben, müssen zwei Vorbedingungen erfüllt werden, die die wirtschaftliche, politische aber auch die kulturell-ideologische Ebene mit einschließen: Die Unterstützung Israels und seines Narrativs, das den Kolonialismus und Imperialismus zur demokratischen Selbstverteidigung verklärt; und die Rechtfertigung des Euroregimes, das nicht nur den Neoliberalismus verewigt, sondern auch den demokratischen und sozialen Widerstand der Subalternen im Rahmen seines historisch gewachsenen Forums, den europäischen Nationalstaaten, als rückwärtsgewandten Nationalismus verurteilt. (Imperialistische Ambitionen im Allgemeinen und die EU im Besonderen versuchen sich als Form des Internationalismus zu präsentieren.)

Tsipras und Syriza sind nicht der erste Fall einer Konversion zum herrschenden Dogma, wohl aber der bei weitem wichtigste, wenn man die hervorgerufenen Hoffnungen und die jähe 180-Grad-Wende betrachtet. Es gibt eine ganze Serie von Beispielen wie Gregor Gysi, den früheren Vorsitzenden der deutschen „Linken“. Um sein unbedingtes Ziel einer Regierungsfähigkeit zu erreichen, legitimierte er die deutsche Unterstützung für Israel als Staatsräson. Und obwohl er Schröders Austeritätspolitik heftig attackierte, unterband er gleichzeitig jeden Versuch das Problem an der Wurzel zu packen und das Euroregime sowie die EU als ganzes in Frage zu stellen. Das gleiche gilt für die italienische Rifondazione Comunista vor ihrem Ausscheiden aus dem Parlament. Aber auch rechte Kräfte müssen sich dieser Initiation unterziehen, bevor sie als Teil des Systems akzeptiert werden.

Hoffen wir, dass die Rebellion der griechischen Oppositionskräfte innerhalb und außerhalb Syrizas stark genug sein wird, um dem Dogmen zu widerstehen und eine radikale, antisystemische, demokratische, soziale Volksopposition zu bilden.

EU zeigt wahres Gesicht

Erklärung des Internationalen Anti-EU-Forums
Wir rufen die demokratischen und linken Kräfte, die Interessensvertreter des Volkes, auf gemeinsam gegen die EU aufzustehen.

Die tragische Kapitulation und der Niedergang der griechischen Regierung, die aus der radikalen Linken kommt, müssen die Alarmglocken läuten lassen.

Eine Regierung, die gewählt wurde um die Austerität zu beenden, stimmt nach 5 Monaten „Verhandlungen“ noch schlimmeren Maßnahmen zu. Eine Regierung, die den Griechen die Widerherstellung der verlorenen Würde und Volkssouveränität versprach, akzeptierte die schlimmste Demütigung – beispielsweise repräsentiert durch den Austausch des Finanzministers beim Treffen der Eurogruppe (27.6.2015) oder die internationale Demütigung des Premier beim Gipfel der Eurozone (13.7.2015). Am schlimmsten war jedoch die Neuauflage einer viel extremeren Version des Juncker-Planes als Bestrafung für seine Ablehnung beim viel versprechenden und kämpferischen NEIN des Referendums vom 5.7.2015. Und da liegt nur eine Woche dazwischen!

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Syriza-Anel-Regierung von allen kämpfenden Völkern Europas als Hoffnung betrachtet wurde. Doch nach Tsipras’ Kapitulation überwiegt nun letztlich die Botschaft des Pessimismus und der Frustration.

Wie beim Athener Anti-EU-Forum vom 26.-28. Juni festgestellt, liegt dem die Illusion der Regierung zu Grunde, dass es möglich wäre innerhalb der EU und insbesondere innerhalb der Eurozone die Austerität zu beenden und die Volkssouveränität zurückzugewinnen.

Die gegenwärtige Regierung implementiert die Bailout-Programme in enger Zusammenarbeit mit den Kräften der Rechten und des Neoliberalismus (ND, Pasok, Potami) im totalen Widerspruch zur radikalen und militanten Linken Griechenlands. Zudem öffnet sie die Tore für die Faschisten der Goldenen Morgenröte die sich als Hauptgegner der Gläubiger präsentieren.

Die demokratischen und linken Kräfte, die Interessensvertreter des Volkes, können nicht einfach weitermachen wie zuvor. Wir müssen mit den Illusionen und der zerstörerischen Logik der Linken brechen, die nicht verstehen will, dass der Kampf gegen die EU der wichtigste Beitrag für die Emanzipation und für den Fortschritt der Völker in Europa ist.

Es ist entscheidend in jedem Land den Kampf gegen die EU zu stärken. Es muss eine demokratische und linke Front für die Interessen des Volkes und eine Bewegung für den Austritt aus der Eurozone als ein entscheidender Schritt für den Austritt aus der EU aufgebaut werden.

Wir müssen die internationalistischen Initiativen und die Koordination stärken und eine paneuropäische Kampagne gegen die antidemokratische EU und ihre neoliberale Superwaffe, den Euro, entwickeln.

Das Internationale Anti-EU-Forum der demokratischen und linken Kräfte in Verteidigung der Interessen des Volkes wird dazu Vorschläge machen und die entsprechenden Initiativen setzen.

Fraport & Lidls Griff nach Griechenland

Freigegeben zur Übernahme: Deutsche Konzerne greifen nach Filetstücken der griechischen Wirtschaft

Ungezeichneter Artikel übernommen von RTdeutsch
Nachdem die griechische Regierung von Alexis Tsipras den Weg für weitere ökonomische Deregulierungen frei machen musste, greifen deutsche Konzerne gezielt nach den Filetstücken der griechischen Wirtschaft. Besonders aktiv sind dabei die Unternehmen Fraport und Lidl. Auch ein gezieltes Abwerben gut ausgebildeter, junger Arbeitskräfte ist zu beobachten. Die Gesellschaft wird dadurch zunehmend ausgehöhlt.

Mit den Zugeständnissen der griechischen Syriza/Anel-Regierung an die internationalen Kreditgeber wurde in Athen auch jeglicher Widerstand gegen die neoliberale Deregulierungspolitik gebrochen, welchen Syriza mit Übernahme der Amtsgeschäfte zunächst erfolgreich aufgebaut hatte. Mit einem dritten umfangreichen Kreditprogramm für das Land fallen auch die letzten Schleusen für ausländische, allen voran auch deutsche, Konzerne hinsichtlich der Übernahme der besonders ertragreichen Sektoren der griechischen Wirtschaft.

So hofft derzeit die Fraport AG auf die Konzession für die Übernahme von 14 Flughäfen, insbesondere auch auf Urlaubsinseln. Mit Luxus-Reisen lassen sich auch dann noch Profite erwirtschaften, wenn die griechische Wirtschaft weiter zusammenbricht. Fraport kalkuliert mit 20 Millionen Passieren, die jährlich durch die neu erworbenen Flughäfen geschleust werden sollen. Syriza hatte die Übernahmepläne in Höhe von 1,23 Milliarden Euro zunächst gestoppt, nun werden die Pläne im Zuge der Zugeständnisse an Brüssel wieder aufgenommen.

Der deutsche Discounter Lidl betreibt bereits mehr als 220 Filialen im ganzen Land und nutzt seine Marktdominanz um kleine Lebensmittelgeschäfte und Familienbetriebe weiter an die Wand zu drängen. Im Zuge der Reformen steigt die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Griechenland von 13 auf 23 Prozent. Lidl wirbt offensiv damit, diese Erhöhung nicht an die Kundschaft weiterzugeben, hat aber zuvor bereits zahlreiche Preise erhöht. Auch profitierte das Unternehmen von den Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland. Die Kreditkartenzahlung bei dem deutschen Discounter waren weiterhin problemlos möglich, während kleine inländische Unternehmen zunehmend vom Geldkreislauf angeschnitten wurden.

Potential für Konzernprofite im europäischen Zentrum bietet auch der griechische Arbeitsmarkt. Viele junge Griechen sind gut ausgebildet und arbeitslos. Unterstützt von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werden diese Arbeitskräfte nun von großen Konzernen zunehmend nach Deutschland gelockt. Dies setzt zum einen deutsche Fachkräfte bei der Stellensuche weiter unter Konkurrenzdruck und senkt das allgemeine Lohnniveau ab, eine solche Abwerbung der am besten ausgebildeten jungen Fachleute schadet aber vor allem massiv der griechischen Wirtschaft. Zurück bleiben dann nur die, die im globalen Wettrennen abgehängt wurden.

Das Internetportal German Foreign Policy sieht als Folge dieser Maßnahmen daher auch eine Aushöhlung der Gesellschaft. Selbstorganisierte Familienbetriebe und Selbständige geraten immer mehr unter Druck, während große Konzerne von den Deregulierungen profitieren. Da derzeit noch jeder dritte Grieche selbständig und freiberuflich, zumeist in Familienbetrieben, tätig ist, treibt dies weite Teile der Gesellschaft zunehmend in die Abhängigkeit.

Doch scheint der neoliberale Umbau nicht ganz reibungslos vonstattenzugehen: Erste Großkonzerne, wie die deutsche Metro klagen nun, dass ihre potentiellen Kunden aufgrund einer „Konsumschwäche“ immer weniger Geld haben, um die Produkte und Dienstleistungen der globalisierten Anbieter kaufen zu können. Metro hat sich daher gänzlich vom griechischen Markt zurückgezogen. Letztendlich eine absehbare Folge neoliberaler Austeritätspolitik.

 

Der Euro das Problem – nein, die Katastrophe

Erklärung der Personenkomitees Euroexit gegen Sozialabbau

Und Griechenland ist der Beweis

Tsipras und seine Partei haben den Griechen vor den Wahlen vom 25. Jänner versprochen: Wir werden den Crash-Kurs der Troika beenden und doch im Euro bleiben. Heute sprechen die Konservativen aller Schattierungen hämisch von einem Scherbenhaufen. Die Situation ist deutlich schlimmer als vor einem halben Jahr, und es gäbe einen schweren Rückschlag.

Und sie haben Recht.

Für jeden Menschen, der die Augen offen hielt, war klar: Bei einem Verbleib im Euro ist ein Aufschwung, eine Revitalisierung des Lands unmöglich. Beides zusammen ist ökonomisch unvereinbar; und es war politisch undenkbar.

Es war wirtschaftlich nicht machbar. Der Crash-Kurs der Troika (das „Sparen“) hatte zum Absturz des BIP um mehr als 25 % geführt. Jahr für Jahr sollen auch in Zukunft massive Einkommens-Anteile in einen untragbaren Schuldendienst fließen und damit der griechischen Wirtschaft verloren gehen. Abwerten kann Athen nicht. So kann das Land auch nicht wieder wettbewerbsfähig werden. Die Regeln des Berlin-Brüsseler Imperiums machen einen anderen Schutz, den Aufschwung unmöglich. Als Strategie ist nur die absolute Verarmung zugelassen.

Politisch aber durfte die neue Regierung erst recht nicht Erfolg haben, der Ex-Lehman-Manager Draghi mussten dies um jeden Preis verhindern. Man denke nur: Was täten Spanier, Italiener und andere sonst?

Varoufakis kommentiert heute kritisch. Aber er und Tsipras gaben sich nach kleinen Anfangs-Versuchen völlig in die Hand ihrer erbitterten, ja hasserfüllten Feinde. Sie lehnten jeden Ge­danken an einen Austritt ab. Aber sie bereiteten auch keine Maßnahmen für den unvermeid­lichen Angriff der €-Truppe vor. Dabei hatten ihre Gegner die einfachste und wirkungsvollste Waffe in ihren Händen. Sie brauchten in der Krise nur die Bargeld-Versorgung abdrehen. Der €-Retter Draghi tat dies denn auch.

Varoufakis hatte den Anstand zu gehen. Tsipras aber ließ zuerst die Bevölkerung entscheiden – und dann tat er das genaue Gegenteil. Das ist ein Putsch, anders kann man es nicht nennen; denn das Referendum war nach griechischer Verfassung bindend. Und zwar war es ein Putsch nicht seitens Merkel oder Juncker, sondern einzig und allein seitens Tsipras. Wieder einmal ist die griechische Demokratie vernichtet. Das Regime des 4. August (1937) setzte das Militär ein. Der Mann des 5. Juli (2015) bedurfte dessen nicht.

Die Damen und Herren Merkel, Draghi, Hollande, und wie sie alle heißen mögen haben schon öfter gezeigt, dass sie bereit sind, über Leichen zu gehen. So lassen sie sich nicht dabei stören, ein Land zu vernichten, wenn sie seine Wahlergebnisse nicht mögen.

Aber – noch – bedarf es dazu Marionetten in diesen Ländern selbst. Noch bedarf es der Figuren wie Tsipras und die Mehrheit seiner Partei. Noch bedarf es dazu der Illusion. Sie schlägt schnell um in Kollaboration.

Griechenland soll als Paradigma dienen: für Spanien, Italien, Frankreich, … und für Österreich, wenn es aufmüpfig sein sollte. Die Medien bei uns wollen dies natürlich vernebeln. Sie fahren daher seit Langem den Kurs: „Die faulen Griechen.“

Wir arbeiten gegen die bleierne Hegemonie der politischen Klasse und ihrer Medien. Aber wir arbeiten dazu vorerst gegen die Illusionen in der Linken. Daher fordern wir alle kritischen Menschen auf:

Bilden wir einen Gegen-Pol! Arbeiten wir mit Gegen-Informationen! Liefern wir stichhältige Gegen-Analysen! Vernetzen wir uns!

Unsere Website (euroexit.org) haben wir für diese Zwecke geschaffen. Es ist ein erster Schritt gegen die Putschisten, wo immer sie sitzen.

EUROEXIT! Heraus aus der €-Zone! Heraus aus der EU!

21. Juli 2015

 

 

„DEUTSCHE GRIECHEN“ UND DEUTSCHES VERSTÄNDNIS FÜR ÖKONOMIE

(Un-) Systematische Bemerkungen zu Griechenland-Nichtverstehern

Bevor die Liberalen und sodann die Konservativen den Wert von Political Correctness für die Disziplinierung der Bevölkerung entdeckten – die Altreaktionäre sind noch immer zu blöd dazu – , gab es in den USA und auch in Frankreich den Ausdruck „weiße Neger“. Gemeint waren jene überangepassten Menschen dunkler Hautfarbe, die sich bemühten nur ja keinen Anschein der Solidarität mit ihren Genossen gleicher Herkunft aufzubringen. Sie wollten „integriert“ sein in der herrschaftlichen weißen Gesellschaft, und dazu mussten sie beweisen, dass sie überangepasst waren.

In einem vergleichbaren Sinn gebrauche ich nun die Wendung „deutsche Griechen“. Davon gibt es genug, denn es gibt immerhin auch viele Gewinner der derzeitig katastrophalen Situation. Und darüber hinaus haben viele Griechen aus „guten Familien“ in Deutschland und Österreich studiert und dort die hegemoniale Ideologie eingesogen, vor allem, wenn sie Ökonomie studierten.

Die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn hat nun ein umfangreiches Buch veröffentlicht: Die Krise in Griechenland. Das wird zum größten Teil von solchen deutschen Griechen bestritten. Herausgegeben wird es allerdings von einem ehemaligen deutschen Botschafter in Griechenland: Man muss schließlich vorsichtig sein; den Griechen kann man nicht trauen. Die schreiben u. U. tatsächlich etwas, was sie nicht sollen.

Trotz des allzu offensichtlichen Zwecks und trotz dessen, dass auf den 546 Seiten ausgiebig das Blabla der deutschen Zeitungen wiederholt wird, ist es doch nützlich, dieses Opus zu lesen. Es gibt auf vereinzelt gute Beiträge, z. B. jener von Korinna Schönhärl über frühere Fälle von Staatsbankrott in Griechenland (182 – 197). Und vor allem gibt es eine ganze Menge an Informationen und Daten, die man als Einzelheiten trotz allem hier findet. Wer weiß schließlich, dass bereits mit dem ersten Memorandum 2010 ein „unabhängiger Finanzstaatssekretär“ mit einer unkündbaren fünfjährigen Amtszeit eingesetzt wurde, also ein de facto-Finanzminister, der niemandem außer natürlich dem Geist seiner Auftraggeber verantwortlich ist?

Auf diese Weise findet man eine Menge von Einzel-Informationen und wird auch weiter geleitet, zu Daten aus internationalen Organisationen, die von großem Wert sind. Man sieht da etwa, dass der griechische Schuldenstand im Jahr 2000, vor der Einführung des Euro, 104,6 % des BIP betrug; aber auch 2007, im letzten Jahr vor der Finanzkrise, war er nur 107,2 %, ist also in dieser Zeit nur sehr geringfügig gestiegen. Dann allerdings schoss er trotz eines Schuldenschnitts in die Höhe, auf 177,2 % im Jahr 2014. Zu diesem „Schuldenschnitt “ ist allerdings noch etwas zu sagen: Er war im Grund die Reduzierung der privaten Schulden auf einen Stand, der über den damals (2012) auf dem Markt für die griechischen Papiere erhältlichen Werten lag. Er war im Wesentlichen eine Übernahme der privaten Schulden durch die öffentlichen Hände der anderen EU-Staaten zu einem Preis, der für die Privaten sehr günstig war.

Aber zurück zu den Zahlen: Kann es etwas Aussagekräftigeres über das Crash-Programm („Sparen“) geben, als die Tatsache, dass in der Zeit der angeblichen Verschwendung die öffentliche Schuld als Anteil am BIP kaum zunahm, dann aber in untragbare Höhen aufstieg?

Doch es geht mir hier um etwas viel Grundsätzlicheres. Im privaten Bereich, der in der Regel ja völlig ausgeblendet wird, stieg der Schuldenstand im Süden enorm. Wenn man da näher hinsieht, ist man vorerst etwas verwirrt. Ein Großteil der privaten Schulden wurden investiert. Das wäre doch genau das, was die ökonomischen Lehr- und Traumbücher sich wünschen. Aber man muss noch etwas genauer hinsehen. Diese „Investion“ ging nämlich in Spanien und Irland vor allem, fast ausschließlich, in den Wohnbau. In Griechenland geschah dies auch, aber nicht ganz im selben Ausmaß.

Und damit sind wir beim Thema. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) benutzt Kategorien, die in Wirklichkeit oftmals unbrauchbar sind, insbesondere in Zeiten von Krisen. Wohnbau wird, nach dem Alltagsverständnis, doch wohl am besten als Ankauf eines langlebigen Konsumguts zu betrachten sein. Allerdings ist jedes Gut, jede Ware, in einem System auch eine Investition, die Geld grundsätzlich als Kapital betrachtet. welches Ertrag bringen muss. In einer bestimmten Perspektive hat dies also Sinn.

Wenn man allerdings Wirtschaft immer vor allem als Realwirtschaft betrachtet, nichts sosehr als Ansprüche der Finanz-Oligarchie, dann werden sollche Kategorien nutzlos.

Das mag als eine recht technische Erörterung erscheinen. Da aber die VGR das empirische Um und Auf der Ökonomie ist, da sie im Grund die einzige Basis ist, auf der wir durch Daten gesichert diskutieren können, sit das von ganz basaler Bedeutung.

Den klügeren Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnern in den Statistischen Ämtern braucht man dies übrigens nicht zu sagen. Die wissen über die Defizienzen ihres Faches recht gut Bescheid. Aber der Öffentlichkeit werden die Ergebnisse dieser Schätzungen stets als Moses und die Propheten vermittelt. Das gilt nicht zuletzt auch für die Angehörigen der halb-offiziellen Wirtschaftsforschungs-Institute. In Österreich ist das das WIFO. Man soll gar nicht mehr auf die Idee kommen, die Qualität, die Grundlage ihrer Aussagen, die oft genug nichts als neoliberale Ideologie sind, in Frage zu stellen.

Auf die Beiträge in diesem Buch möchte ich gesondert noch einmal zurück kommen.

  1. Juli 2015

Linke-MdB Höger: Oxi auch wenn das den Bruch mit dem Euro bedeutet

Solidaritätsadresse der „Antikapitalistischen Linken“ – AKL – an alle SYRIZA-Abgeordnete, die das Brüsseler Griechenland-Abkommen abgelehnt haben

Liebe Genossinnen und Genossen,

die AKL in Die LINKE Deutschland begrüßt die standhafte Haltung derjenigen SYRIZA-Mitglieder und -Abgeordneten, die das Brüsseler Abkommen als brutales Austeritäts- und Privatisierungsdiktat von Merkel und Schäuble gestern im griechischen Parlament abgelehnt haben.

Das eindeutige Nein von 61% griechischen Bevölkerung gegen die Erpressungen der Troika und insbesondere der deutschen Bundessregierung hat den Menschen in ganz Europa Hoffnungen auf ein Ende der unsozialen Kürzungspolitik gemacht. Die LINKE hat dieses OXI öffentlich auch auf den Straßen und Plätzen in Deutschland unterstützt. Sie wird deshalb am Freitag im Deutschen Bundestag mehrheitlich gegen den dritten ESM-Kredit und seine neoliberalen Auflagen für Griechenland stimmen. Merkel spricht mit ihrem finanziellen Terrorismus für die Banken und Konzerne, die sie mit ihren Krediten retten wollte, aber nicht für die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung, die dafür zur Kasse gebeten wird.

Die Antikapitalistische Linke unterstützt Euren Widerstand gegen alle Versuche, das Ergebnis des Referendums ins Gegenteil zu verkehren und vor den Erpressungen der Troika-Institutionen in die Knie zu gehen. Wir bleiben solidarisch mit Eurem Nein zur Austeritätspolitik, auch wenn dies den Bruch mit der Eurozone und einen Grexit erforderlich macht.

OXI zum Brüsseler Austeritätsdiktat!

OXI zum Europa der Banken und Konzerne!

NAI zur internationalen Solidarität!

Inge Höger – Member of the German Bundestag

Member of the Parliamentary Group DIE LINKE.

Unter die Räder gekommen. Die Strategie der Eurolinken.

von Franz Stephan Parteder

 

Das EU-Diktat gegen Griechenland fordert viele Opfer. Über ein einziges davon bin ich nicht unglücklich: Die Strategie der EU-Linken ist nach der Abdankung von Alexis Tsipras als Gegner der Austeritätspolitik unter die Räder gekommen.

 

Seit über einem Jahr hatte sich die Politik dieser Gruppierung darauf gestützt, am Beispiel von Griechenland und der Linkspartei Syriza zeigen zu können, dass progressive Reformen im Interesse der Bevölkerung innerhalb dieser EU zuerst in einem Land und dann überall möglich sein würden. Marxistische Analysen der EU als gegen die Bevölkerung gerichtete Herrschaftsform des Großkapitals, die sich gegenüber demokratischen Verhältnissen abschottet, wurden als dogmatisch abgetan.

 

Als Spitzenkandidat der EU-Linkspartei bei der EU-Parlamentswahl 2014 hatte Alexis Tsipras die Plattform, um unter den fortschrittlichen Menschen in allen Mitgliedsländern für diese spezifische Form der Politik zu werben. Und als sich der Wahlsieg von Syriza bei der griechischen Parlamentswahl abzeichnete, hatte man sofort entsprechende Slogans zur Hand: „First we take Athens, then we take Berlin (Zuerst erobern wir Athen, dann erobern wir Berlin)“, hieß es. Das Beispiel einer linken Regierung in Griechenland würde ähnliche Bewegungen in der gesamten EU inspirieren und stärken und in der Perspektive zu einem anderen Europa führen.

 

Es wäre sicherlich interessant, sich in Aussendungen der Bundes-KPÖ oder in Artikel der Bildungseinrichtung transform zu vertiefen, die rund um den 25. Jänner 2015 (der Tag des Wahlsieges von Syriza) und danach veröffentlicht worden sind. Es genügt aber die Feststellung, dass dabei die Herrschaft der Phrase über die Analyse so deutlich wurde wie selten. Nur ein Beispiel für viele: Mirko Messner am 25. Jänner an Tsipras: „Ihr habt die Weichen gestellt. Europa ist seit heute nicht mehr dasselbe. Die gegen die Bevölkerung gerichtete Verarmungspolitik zugunsten der Konzerne, Banken und Superreichen mitsamt Merkels Markt-Konformität, die sich die Demokratie unterordnet, muss ein Ende haben.“

 

Weniger als 6 Monate danach ist klar: Die Entscheidungsträger in der EU haben alle Hoffnungen, die mit der Entwicklung in Griechenland verbunden waren, ausradiert und den ehemaligen Spitzenkandidaten der EU-Linkspartei dazu degradiert, erniedrigende Maßnahmen des Sozialabbaus in seinem Land durchzuführen. Dafür darf er Ministerpräsident bleiben. Die EU hat ihren Charakter und ihre Funktion auf brutale Weise gezeigt. Und das haben Millionen von Menschen verstanden.

 

Kein Lernprozess

 

Eigentlich müsste bei der EU-Linkspartei jetzt ein Lernprozess einsetzen. Vor allem jene, die am eifrigsten den Weihrauchkessel für die gescheiterte Strategie geschwungen haben, müssten jetzt schweigen oder in die zweite Reihe zurücktreten.

 

Das ist aber nicht der Fall. Pierre Laurent (Vorsitzender der Französischen KP und der EU-Linkspartei) veröffentlichte am Montag, 13. Juli ein Kommuniqué, in dem er das Diktat von Brüssel als „Kompromiss“ bezeichnete und den „Mut“ des griechischen Regierungschefs lobte. (Erfreulicherweise fand diese Haltung in der PCF keine mehrheitliche Unterstützung. Die KP-Mandatare stimmten im französischen Parlament gegen den Erpressungspakt).

 

Und die einflussreichen Funktionäre der Bildungseinrichtung transform, Elisabeth Gauthier und Walter Baier (beide gebürtige Österreicher) stellten in einem Artikel vom 16. Juli 2015 die Sachlage so dar, als hätten die EU-Eliten durch ihre konkrete Politik die Idee der „europäischen Einheit“ gefährdet. Dass zur „europäischen Einheit“ unter der Herrschaft des Großkapitals auch eine EU-Kolonie gehört – wie Griechenland es jetzt geworden ist – kommt ihnen nicht in den Sinn. Und sie sprechen die griechische Regierung von jeder Verantwortung für die Niederlage frei. Das sehen bekanntlich weite Teile der griechischen Öffentlichkeit und auch viele Aktivisten der Partei Syriza anders.

 

Umdenken?

 

Die EU-Linkspartei wurde im Jahr 2004 gegründet und sollte nach den damaligen Worten von Walter Baier ein neues Subjekt der revolutionären Veränderung in Europa werden. All jene, die in diesem Projekt das Vehikel der Anpassung von politischen Kräften links der Sozialdemokratie an die EU sahen, wurden als rückwärtsgewandte Sektierer ausgegrenzt.

 

Selbst die negativen Erfahrungen mit der Regierungsbeteiligung der Partei Rifondazione Comunista in Italien oder der KP in Frankreich brachten kein Umdenken. Positive Veränderungen wären nur mehr im Rahmen der EU möglich, wurde gesagt.

 

Als die große Krise 2008 einsetzte, wurde die Sprache innerhalb der EU-Linkspartei wieder radikaler, die gesellschaftliche Entwicklung hatte die Klassenfrage wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Was man aber nicht aufgab, das war die Hoffnung darauf, dass – entweder durch Wahlen oder durch die Einsicht der Herrschenden – eine Reform der EU im Interesse der Bevölkerung möglich wäre.

 

Selbst als die entscheidenden Bewegungen auf nationaler Ebene immer stärker wurden, glaubte man noch immer an den Vorrang der transnationalen, „gesamteuropäischen“ Initiativen. Dass diese nicht stattfanden und dass alle Versuche der EU-Linkspartei auf dieser Ebene Erfolge zu erzielen, scheiterten, nahm man nicht zu Kenntnis.

 

Was jetzt?

 

Was jetzt? Kommunistische Parteien versuchen, Schlussfolgerungen aus der Entwicklung in Griechenland zu ziehen. Die KP Portugals (PCP) erklärt: „Was die Realität, beginnend bei unserem eigenen Land, zeigt, ist, dass die Herrschaftspolitiken und -instrumente der Europäischen Union – vom Euro zum Haushaltsvertrag – der Entwicklung und dem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt entgegenstehen und unüberwindliche Hindernisse für die Entwicklung von Politiken zugunsten der legitimen Interessen und Erwartungen der Völker in Berücksichtigung von Volkswillen und Souveränität darstellen.“

 

Und die steirische KPÖ betont: “Die EU hat unter deutscher Führung ein Exempel statuiert. Anhand des griechischen Beispiels soll demonstriert werden, dass es aus dem neoliberalen Teufelskreis keinen Ausweg gibt. Wer es trotzdem versucht, wird auf internationaler Bühne vorgeführt. Das Signal: Es gibt keine Alternative zu Austerität und Neoliberalismus. Das soll ein für alle Mal in den Köpfen der Menschen in ganz Europa verankert werden. (…) Die steirische KPÖ steht an der Seite der Griechinnen und Griechen, die für eine soziale, friedliche und demokratische Entwicklung ihres Landes eintreten. Eine solche wird es, in Griechenland wie in Österreich, innerhalb der EU nicht geben.“

 

Ausgehend von dieser Analyse muss es jetzt darum gehen, im eigenen Land alle Angriffe auf die sozialen und demokratischen der Bevölkerung abzuwehren und konkrete Formen der Solidarität mit den Menschen in den anderen Mitgliedsstaaten der EU zu finden. Dabei darf auch der Austritt aus der EU kein Tabu sein.

 

Denn das ist ein Hauptfehler der Strategie der EU-Linkspartei: EU und Euro werden als unumstößliche Tatsachen begriffen und nicht als Einrichtungen, die von Menschen geschaffen wurden und von Menschen auch wieder überwunden werden können. Man muss alle Phänomene aber in ihrem inneren Zusammenhang und in ihrer Entwicklung begreifen. Alles kann ein Ende haben, selbst die EU.

 

Wird es in der EU-Linkspartei zu einer Änderung des Kurses kommen? Wird man zu einer grundsätzlichen Kritik an der EU finden? Das wäre positiv. Allerdings gibt es historische Beispiele, die ernüchtern. Der 1. imperialistische Weltkrieg 1914 – 1918 war eine mächtige Widerlegung aller Vorstellungen der reformistischen Sozialdemokratie. Trotzdem ging man in und nach den Revolutionen 1918/1919 noch weiter nach rechts und begriff sich in der großen Weltwirtschaftskrise, die zum Faschismus führte, als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus. Erste Reaktionen – vor allem das übergroße Verständnis für die Taktik von Alexis Tsipras, die ihm den Posten des Ministerpräsidenten rettete, deuten darauf hin, dass wir auch im Jahr 2015 von dieser Seite noch negative Überraschungen erwarten können.

 

DER EURO ALS FALLE: Kann die EU Griechenland retten?

Schon die Frage ist purer Neokolonialismus. Da gibt es ein Land, das von seiner politischen Klasse durch einen un- und wahnsinnigen Beitritt zu einer strukturell für es ganz unpassenden Währungsunion (WU) in die tiefste Krise seiner Geschichte schlitterte. Nun versucht seine Bevölkerung, sich aus dem Schlamassel heraus zu arbeiten. Aber die herrschenden Gruppen der WU tun Alles, was in ihrer Macht steht, es daran zu hindern. Und nun stellt man die Frage: Wie können wir das Land retten? Des weißen Mannes Bürde besteht halt diesmal nicht aus farbigen Menschen. Aber die Griechen haben ohnehin auch oft einen dunklen Taint und schwarze Haare.

Doch der Reihe nach.

Für den Blick auf die Auseinandersetzungen der letzten Monate, Wochen und Tage können wir zwei Perspektiven wählen.

Beginnen wir mit der nationalen! Das „Griechenlandproblem“ hat sich, mittlerweile für Alle erkennbar, zu einem Machtkampf zwischen zwei Politik-Modellen entwickelt. Das griechi­sche, neo-keynesianische Modell legte Varoufakis in seinem „Bescheidenen Vorschlag“ ausführlich dar. Ihm diametral gegenüber steht das neoliberale Modell von Deutschland und seinen Vasallen. Wie bei diesem wirtschaftlichen wie politischen Kräfte-Verhältnis der Ausgang im Rahmen der EU und ihrer Institutionen sein wird, kann sich jeder Mensch selbst ausrechnen.

Schwenken wir nun zu einer stärker strukturellen, supra- und internationalen Perspektive über!

Euro und WU wurden als Automatismus einer neoliberalen Zentrum-Peripherie-Struktur in Europa entworfen. Das sollte ständige politische Eingriffe zu Gunsten des Großkapitals und der Finanz-Oligarchie überflüssig machen. Alle, die lesen können und wollen, können dies in der Debatte seit Anfang der 1970er nach verfolgen, im Werner- und Tindemans-Plan, im Delors-Bericht; auch im gescheiterten EWS der Prägung von Helmut Schmidt und V. Giscard d’Estaing.

Der Kern ist: Nicht mehr Abwertungen mit ihrer vergleichsweise schonenden Verteilung der Lasten sollen zum Ausgleich von Produktivitäts-Differenzen zwischen den Starken und den Schwachen eingesetzt werden. An ihre Stelle soll die „Innere Abwertung“ treten, der sinkende Lebens-Standard ausschließlich für die Arbeitenden. Und vor allem: Eine WU macht jede selbständige Wirtschaftspolitik, die etwa vom Pfad der neoliberalen Tugend abweichen wollte, unmöglich. Das ist denn auch das zentrale Ziel, der Währungsunion wie speziell auch der griechischen Anpassungs-Programme. Dass nebenbei auch die griechische Demokratie vor die Hunde geht, ist vermutlich beabsichtigt. Wie sagte doch Juncker: Es gibt keine Demokratie gegen die Verträge. Um das auch wirklich sicher zu stellen, hat die EU einen „unabhängigen“ Finanz-Sekretär installiert, der auch in seiner Amtszeit nicht abgelöst werden kann. Und jetzt glaubten die Griechen, sie könnten demokratisch entscheiden. Das muss man ihnen ein- für alle Male austreiben.

Die Ironie an der Geschichte mit dem Euro war: Deutschland musste zu seinem Glück gezwungen werden. Mitterand stellte Kohl vor die Wahl: deutsche Einigung und WU, oder keines von beiden. Denn die deutsche Regierung zögerte, aus dogmatischen Gründen, wegen ihrer eigenen Ideologemen. Auch traute sie den Anderen nicht. Doch Delors brachte mit dem Eifer des Neubekehrten nach dem Fehlschlag des französischen Konsum- und Import-Keynesianismus seinen Vorschlag vor, und Mitterand drückte ihn durch.

Die Italiener, die Spanier, die Griechen, die Osteuropäer wollten auch „dazu gehören“. Sie wollten „Europäer“ sein. Das politische Symbol mit seiner positiven Semantik siegte über die politökonomische Vernunft. Die Bevölkerung unterstützte es weitgehend. Die Brüsseler Bürokratie aber griff mit beiden Händen nach diesem Gottesgeschenk und nützte die Selbstaufopferung der Schwachen.

Und nun ist der Euro zum Käfig und zur Falle geworden. Der Eintritt in die Währungsunion wurde über Jahre vorbereitet. Der Austritt wäre nun die einzig rationale politökonomische Lösung für die Schwachen. Aber er wird chaotisch ablaufen – so er denn abläuft – , dem entsprechende Folgen haben und kurzfristig schweren Schaden anrichten.

Denn inzwischen ist der Euro zum zentralen Symbol für die Politik der Eliten geworden. Aber für sie, korrigieren wir uns, ist diese Politik nicht verfehlt. Sie ist gewollt. Merkel hat in ihrem Sinn durchaus Recht, und mit ihr jene, wenn sie uns ständig in die Ohren murmeln: Fällt der Euro, dann fällt die EU – ihre EU.

Darüber hinaus haben die Stärkeren, die Länder des ehemaligen DM-Blocks, begriffen: Der Euro ist ein Geschenk für sie und ihre Export-Wirtschaft. Sinkt sein Kurs, wie in der letzten Zeit, dann sprudeln die Profite besonders üppig. Steigt er aber für eine Zeitlang, dann wirkt er kurzfristig wieder als Produktivitäts-Peitsche im Vergleich mit der Dollar-Struktur der übrigen Welt. Das tut zwar einigen Exporteuren ein bisschen weh, und sie schreien laut. Aber es kann langfristig der Wirtschaft nur nützen. Dieses Instrument wollen sich das Zentrum Deutschland, Österreich, die Niederlande, usf., die Scharfmacher gegen Griechenland neben den Konservativen im Süden und im Osten, deren Überleben dran hängt, nicht so einfach wieder entwinden lassen.

Griechenland sitzt in der Falle. Und nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung zögert, diese Falle zu zerbrechen. Denn langsam begreifen sie: Auch der Austritt aus der Eurozone reicht nicht. Was würde passieren? Es würde bzw. wird nach dem Austritt einen zwar kurz­fristigen, aber in dieser Zeit scharfen Knick nach unten geben, bevor die Erholung beginnt. Nicht nur ein Schuldenschnitt von bisher ungekanntem Ausmaß wird notwendig. In dieser Zeit würden die griechischen Banken kollabieren. Sie müssen also verstaatlicht werden. Der Außenhandel muss nach den Prioritäten des Landes und nicht einfach nach der Kaufkraft der Wohlhabenden organisiert werden. Dies Alles steht diametral gegen die Regeln der EU. Im Rahmen des Imperiums lässt sich dies nicht machen, oder nur, wenn es die Bürokratie von oben befiehlt, siehe Zypern. Der Austritt aus der Eurozone hat entweder einen Zusammen­bruch zur Folge. Oder aber er muss Konsequenzen haben: den Austritt aus der EU nämlich.

Tsipras wurde nicht „gezwungen“. Das ist immer noch das schonende Märchen seiner Bewunderer, welche die Wirklichkeit nicht sehen wollen und ihren Helden weiter anhimmeln möchten. Er wagte diesen politischen Schritt nicht. Verantwortlich ist somit nicht Merkel und Holland, nicht einmal Schäuble. Die agierten ganz selbstverständlich in ihrem eigenen Sinn.

Verantwortlich ist einzig und allein Tsipras, und zwar auf eine persönliche Weise, die kaum je so deutlich wird wie hier. Denn mit der Volksabstim­mung hatte er dazu das Mandat. Man soll die Bevölkerung nicht für so dumm halten, wie es die Journalisten gern tun. Die überwälti­gende Mehrheit, welche am 5. Juli mit NEIN stimmte, wusste recht genau, was sie tat. Mit seiner Politik hat sich Tsipras und die Mehrheit der SYRIZA-Abgeordneten selbst in die Kompradoren-Gruppe gestellt, aus der die griechische Politik seit je weitgehend besteht. Und jetzt hat er noch die Stirn zu sagen: Es ist zwar falsch, aber bitte stimmt trotzdem dafür.

In der Euro-Falle sitzen auch Spanien, Italien, Slowenien, in Kürze wohl auch Frankreich. Aber ihre Regierungen sind bereit, die langfristige Stagnation in Kauf zu nehmen, zum Vorteil ihrer Eliten. Die meisten dieser Politiker sehen dies ja ohnehin als Tugend. Die spanische Regierung hat ihr Strangulierungs-Programm schließlich selbst entworfen und nach Brüssel geschickt. Zu Hause aber hat sie erzählt: Brüssel zwingt uns dazu.

Der Euro ist ein höchst effektives Instrument der Gesellschaftsspaltung. Für alle sichtbar, gilt dies für die Länder der südlichen und östlichen Peripherie. Es gilt aber auch für das Zentrum. Es gibt nicht wenige, welche die Fehler der früheren und jetzigen deutschen Regierungen beklagen, ihre Politik der Lohnsenkung und der forcierten Exporte – Flassbeck wird nicht müde, dies zu wiederholen. Aber das sind keine Fehler. Es ist das Programm des Euro. Es ist die DNA der Währungsunion. In der Euro-Falle sitzen somit auch wir in den Ländern des Zentrums, zumindest, soweit wir nicht der Oberschicht und der Minderheit der Gewinnern aus der Politik des Imperiums angehören.

AFR – 16. Juli 2015