GRIECHENLAND IN DER FALLE VON EURO UND EU

Die Euro-Zonen-Finanzminister machen „mit der Auflösung der Politik in Marktkonformität“ eine Lösung der Euro-Krise unmöglich, jammert in Le Monde vom 25. Juni auf einer ganzen Seite J. Habermas. „Die europäischen politischen Eliten haben nicht das Recht, sich hinter ihren Wählern zu verstecken.“ Und nach dieser Zurückweisung demokratischer Rücksichten schließt er „folgerichtig“: „Die Bürger, nicht die Bankiers, sollen das letzte Wort haben.“

Das ist echt Habermas und linksliberal. W. Streeck spöttelt mit gutem Grund (Spiegel Online, 8. Juli 2015) „Die SPD-Minister hätten bisher „mit Rücksicht auf Habermas’sche Euro-Rhetorik für eine wirtschaftsfern konfirmierte rot-grüne Klientel“ geschwiegen. Das ist ohnehin vorbei. Gabriel und Genossen bemühen sich, Schäuble auf schäbigste Weise rechts-zentristisch zu überholen. Sie und die deutsche politische Klasse lassen ihren Aggressionen gegen Griechenland freien Lauf; und Habermas attestiert ihnen „ohne Ausnahme hohe Moralität“.

Der dümmliche Artikel wäre nicht wert, erwähnt zu werden. Doch die unbestrittene Hegemonie dieser Leute im deutschen Sprachraum und darüber hinaus färbt auch auf Menschen ab, die sich links definieren. Eine konsequente politische Haltung wird damit unmöglich.

Dabei gibt es ein einfaches Rezept. Man muss auf die Wirklichkeit hinsehen.

In derselben Ausgabe der Zeitung findet sich ein Artikel, der eigentlich in aller Klarheit zeigt, dass nicht nur der Austritt aus der Euro-Zone nötig ist. Ein Austritt aus der EU ist für Griechenland unausweichbar, wenn es wieder hoch kommen will. Nicht dass dies im Artikel stünde. Le Monde ist eine Zeitung der €-Turbos. Aber es ist wert, eine Blick darauf zu machen.

„Ein Wirtschafts-Modell muss neu definiert werden. … Selbst wenn Athen in dieser Woche ein Abkommen mit den Gläubigern unterschreibt, liegt eine Lösung seiner Probleme in weiter Ferne. … Die jüngeren Ankömmlinge auf dem Arbeitsmarkt seit 2010 sind eine verlorene Generation.“ Auch gewöhnliches Wachstum vermag sie nicht mehr zu retten. „Die Qualifikation von Langzeitarbeitslosen entspricht nicht mehr den Anforderungen. Überdies würde es mehr als ein Jahrzehnt brauchen, bis die Arbeitslosigkeit wieder unter 10 % sinkt. … Die privaten Schulden belaufen sich auf 135 % des BIP. … Ein erheblicher Teil ist notleidend. … Um die Staatsschuld (174,2 %) zurückzuzahlen bedarf es riesiger Budget-Überschüsse während vieler Jahre. Das wird die Deflation enorm verschärfen. … Seit seinem Eintritt in die €-Zone waren der private Konsum und die öffentlichen Ausgaben der Wachstumsmotor.“ Das fällt so oder so weg. Die Senkung des Lebensstandards hat nicht gereicht, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erlangen. Usf. (Marie Charrel).

Was sagt dies Alles? Ein neues Wachstum und eine Erholung der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft ist nur möglich: mit einem starken öffentlichen Konjunktur-Programm in einem durch eine eigene Währung geschützten Wirtschaftsraum; durch eine Rückweisung der öffentlichen Schuld von (z. B.) 90 % nach einer entsprechenden Abwertung; durch einen privaten Schulden-Erlass in einem beträchtlichen Umfang; das wieder bedingt: eine Verstaatlichung des gesamten Bankensektors, denn der würde sonst zusammenbrechen; durch eine klare Industriepolitik; durch einen gelenkten und kontrollierten Außenhandel.

Die Aufzählung zeigt: Die Alles ist innerhalb der EU unmöglich. Es geht gegen alle Regeln dieses Vereins und seiner Machthaber.

Es geht also nicht nur um eine eigene Währung, um wieder abwerten zu können. So wichtig das Außenhandels-Regime mit einer eigenen Währung ist: Es ist ungenügend für diese Probleme. Es geht mittlerweile um ein jahre- oder jahrzentelanges Dahinsiechen oder um einen vollständigen neuen Star. Griechenland kann schon im Euro und in der Eurozone bleiben – aber nur als zutiefst hinab gedrückte Peripherie, als Dritte Welt in Europa.

Albert F. Reiterer – 9. Juli 2015