Diskussion EU-Arbeits-UNrecht

Am 18.02.2021 veranstaltete EuroExit gemeinsam mit der AKL NRW eine Online-Präsentation des Buches “Imperium EU – ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr” von Werner Rügemer.

Die ca. 25 Teilnehmer*innen wurden von Wilhelm Langthaler begrüßt, der in der Einführung auf den Umstand hinwies, dass allgemein zu wenig über die Arbeitnehmerkrise in der EU gesprochen wird obwohl das Arbeitsunrecht in deren Verträgen verankert ist. Danach begann die Vorstellung des Buches durch Werner Rügemer. Er führte aus, dass das Thema seiner Veröffentlichung die Organisierung billiger und rechtloser Arbeit durch die EU ist und auch er betonte, dass trotz aller Kritik an der EU dieses Thema kaum diskutiert wird. Billige und rechtlose Arbeit wird gemessen an den von der UNO festgelegten Menschenrechten und hunderten von Kriterien der ILO, welche auch die Maßstäbe für das Buch sind. Dieses Arbeitsunrecht geht zurück bis zur von den USA angeordneten Montanunion, in der europäische Kohle- und Stahlkonzerne nach dem 2. Weltkrieg über die Grenzen hinweg zusammenarbeiteten, um sie mit billigen Arbeitskräften zu versorgen. Am Anfang der Montanunion kamen diese Arbeiter*innen vor allem aus Süditalien und sogar aus den Diktaturen Portugals und Spaniens die sich so regimekritischer Arbeiter*innen entledigten, später folgten Arbeitskräfte aus Jugoslawien, Türkei und Nordafrika. Mit der Zeit wurde dies erheblich über die Kohle- und Stahlindustrie hinaus erweitert und Abkommen mit weiteren Staaten getroffen, u.a. sozialistischen Ländern die zwar nicht Teil der europäischen Gemeinschaft aber mit ihr assoziiert waren. Dafür gibt es in der EU dutzende Richtlinien bezüglich Privatisierungen und Subventionen für Unternehmen, die genutzt werden, um die Löhne zu drücken, seit neuestem sind dies die Freihandelsabkommen. In den EU-Verträgen werden zwar einige ILO-Grundsätze festgelegt, jedoch nur als unverbindliche Empfehlungen. Außerdem räumt die EU den Konzernen Klagerechte ein, allerdings müssen dafür keine öffentlichen sondern es können private Schiedsgerichte angerufen werden. Dann gibt es noch den Europäischen Gerichtshof, der hunderte Urteile gefällt hat, meist zu Ungunsten der Arbeitnehmer*innen mit Ausnahme einiger Einzelfälle. Etwa in Deutschland wurde aufgrund einer einzelnen Klägerin das Berufsverbot verurteilt, aber dies hatte in der Praxis keine Auswirkung, obwohl es dies sollte. In einer Arbeitsrichtlinie der EU wurde 2017 die Säule des sozialen Rechts beschlossen. In ihr wird der “Zero Hour Contract” als legitim bezeichnet. Diese Art von Arbeitsvertrag wurde in Großbritannien ausgearbeitet und garantiert dem Arbeitnehmer null Stunden Arbeitszeit pro Monat. Stattdessen muss er zu Hause warten bis ihm der Arbeitgeber die Einsatzzeiten mitteilt. Dies wird sogar als Modell eines EU-Arbeitsvertrags propagiert.

Eine Konsequenz dieser Struktur des Arbeitsunrechts waren die Corona-Infektionen in der deutschen Fleischindustrie. Die EU betreibt zehn Agenturen die sich um Arbeitsrecht und drei die sich um Wanderarbeiter kümmern. Keine dieser Institutionen haben irgendetwas bemerkt oder unternommen, weder gegen die 16 Stundenschichten noch gegen die beengten Wohnverhältnisse. Das wurde über Jahrzehnte toleriert und zum Teil sogar von der EU gefördert. Tönnies hat kleine Fleischbetriebe aufgekauft, auch mit EU-Subventionen und ohne Auflagen zu Gunsten der Arbeitskräfte.

Während der Pandemie hat der deutsche Gesundheitsminister aus den Oststaaten unter anderem Pfleger*innen abgeworben. Litauen ist heute das Zentrum der Lkw-Fahrer*innen. Dann gibt es noch die Sexindustrie und die von der EU subventionierten Plantagen im Süden Italiens und Spaniens. Des Weiteren gibt es Kontingente für zehntausende Wanderarbeiter*innen aus dem Westbalkan, deren Geltungsdauer um weitere drei Jahre verlängert wurden. Soweit zur Darstellung des Arbeitsunrechts in der EU.

(Auszug aus der nachfolgenden Diskussion:)

Teilnehmer:

Über mehre Jahrzehnte habe ich den Abbau der Steinkohle-Industrie mitbekommen und da habe ich mich immer gewundert wie auf europäischer Ebene so viele Schweinereien passieren können und die Gewerkschaften nicht aktiv werden.

Rügemer:

Ja das ist eine Frage, die mich auch beschäftigt hat. Ein Teil der Antwort liegt darin, dass schon mit der Montanindustrie die bundesdeutschen Gewerkschaften eingekauft wurden. Die Spitzen des DGB wurden nach Luxemburg eingeladen, um sie auf die neuen Regeln einzuschwören und dafür bekommen sie in den zusammengeschlossenen Industrien ein Mitbestimmungsrecht.

Eigentlich hat sich nur in Frankreich ein nennenswertes kritisches Potential erhalten.

Teilnehmer:

Es gab ein paar EuGH-Urteile in denen zentrale nationale Rechte (Vergabe, Mindestlohn) zugunsten der Billiglöhne auf Baustellen kassiert wurden, da hat der EuGH eine zentrale Funktion. Zum anderen hat die EU-Kommission die Fähigkeit Gesetze zu erlassen, nicht aber das EU-Parlament, dass kann auch kein Arbeitsrecht erlassen und das ist auch so gewollt. Und dann gibt es auch bei den linken kaum Widerstand weil es so kompliziert ist (Kommission, EZB usw.).

Rügemer:

Das war mehr eine Feststellung, die verzweigte Kapitalbürokratie führt dazu, die nationalen Gesetze zu unterlaufen. Die Entsenderichtlinie und die Dienstleistungrichtlinie wurden genannt. Es gibt etwa 60 Richtlinien, doch zu Protesten haben nur diese 2 Richtlinien beigetragen, vom Rest hat anscheinend kaum einer was bemerkt, kein Arbeitsminister in der BRD. Manche Vorgaben sind ja gut, etwa dass Leiharbeiter genau wie feste Arbeiter bezahlt werden sollen. Aber die nationalen Betriebe haben das Recht diese Vorgaben zu unterlaufen, etwa “equal pay” das man dann national sukzessive aushöhlt. Also selbst dort wo in der EU-Regelung etwas gutes steht, akzeptiert die EU, dass das unterlaufen wird. Wie kann man da gegensteuern? Ja, kaum möglich. In einigen Staaten, etwa Nordmazedonien, da gab es Anfänge, aber die haben es schwer. Sie sind noch nicht Mitglied aber werden durch Subventionen schon angefüttert, und Nordmazedonien wird zu Bangladesh ausgebaut. Die Zulieferer der Billig-Kleiderindustrie sind nun in Nordmazedonien. Trotzdem haben gekündigte Textilarbeiterinnen eine Initiative gegründet, auch in Polen im Logistikzentrum von Amazon hat sich eine Initiative gebildet und gewehrt. Und sie haben sich international vernetzt, etwa mit ver.di. Da tut sich eigentlich viel, was aber in keiner deutschen Zeitung auftaucht. Es tut sich da vergleichsweise viel.

Teilnehmer:

Die Eisenbahnliberalisierung ist in Wirklichkeit eine Zerschlagung. Die EU redet von Green Deal und alle glauben das, in Wirklichkeit haben wir vier Eisenbahnliberalisierungen, was eigentlich eine Zerschlagung bzw. Privatisierung ist. Mit der Begründung, dass es billiger, sicherer und effizienter wird, und das ist schlicht gelogen wie man in England und Deutschland sieht. Dafür trägt die EU die volle Verantwortung. Die Grünen meinen, dass oft eine Hand nicht weiß was die andere macht und das zeigt, dass die Propaganda wirkt. Nicht gesehen wird, dass das eine Systematik hat. Die EU hat das Ziel die Errungenschaften seit dem 2. Weltkrieg zu zerschlagen. Und alle Gewerkschaften machen mit, auch in Italien. Wenn man die Operation unter dem Mantel des Internationalismus macht, geht das durch, auch bei den linken. Würde man das gleiche unter rechtem framing machen, würden alle aufschreien.

Rügemer:

Ja das Zentrum ist die Privatisierung, war ja von Anfang an ein Wirtschaftsverein. Die subventionierte Privatisierung der Infrastruktur, z.B. Schienenverkehr, Wasser, öffentliche Verwaltung … ist ja ein wichtiges Instrument … und da sind auch die Entscheidungen des EuGH entscheidend. Die EU bezeichnet sich ja als Kapitalbürokratie wo die Lobbyisten zentral sind.

Von der Leyen hat ja BlackRock zum Berater für Umwelt gemacht! Die EU-Kommission kämpft schmutzig. BlackRock, der größte Green-Wash-Konzern, ist nun Berater der EU. Die Kapitalbürokratie ist eine zentraler Akteur. Und in Österreich hat sich durch Komplizenschaft der EU mit der österreichischen Regierung ein zweiter Binnenmarkt von Billigarbeitskräften etabliert.

Von Stefan Rossi, München, und Wolfgang Friedhuber, Graz