"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

Was kann vom OXI gerettet werden?

Oder: Kosten von Tsipras’ Kehrtwende

von Wilhelm Langthaler

 

Das griechische Drama hört nicht auf, immer weitere Steigerungsstufen zu erklimmen. Hat sich Tsipras von der Mehrheit der Griechen und insbesondere der unteren Schichten ein kräftiges Nein zum Austeritätsdiktat geben lassen, nur um eine Woche später dieses doch zu unterschreiben? Steht eventuell nochmals ein jäher Kurswechsel bevor oder ist der Endpunkt nun wirklich erreicht?

 

Die sich abzeichnende Kapitulation von Syriza ist enttäuschend. Das mutige und überwältigende Nein hätte um einiges mehr hergegeben. Es hätte als Mandat nicht nur gegen die Austerität, sondern auch für den Bruch mit der Oligarchie interpretiert werden können. Nach einem halben Jahr der vergeblichen Versuche einen „würdigen Kompromiss“ zu erzielen, wäre das für die subalternen Klassen durchaus verständlich gewesen. Tatsächlich weckte es bei vielen Hoffnung und auch Kampfbereitschaft für eine echte Änderung weg vom Neoliberalismus, die nur mit einem heftigen Zusammenstoß mit den kapitalistischen Eliten des Zentrums denkbar ist.

 

Stattdessen verwendete Tsipras das Votum als Unterpfand für die Verhandlungen mit der Euro-Oligarchie – absehbar erfolglos. Letztlich hat er – wie schon mehrfach zuvor – Angst vor dem eigenen Mut. Sie wollen den Bruch unbedingt vermeiden und meinen sich damit auf die Mehrheit stützen zu können, die in „Europa“ bleiben wolle.

 

Syrizas Kurs erscheint als extremer Zickzack – und ist es auch. Aber es findet sich dennoch eine Logik dahinter, die Kontinuität hat. Es ist die unmögliche Formel der Wahl vom vergangenen Januar: Nein zur Austerität, ja zum Euro-(Regime). Diesen Widerspruch will die Syriza-Führung nicht auflösen und hält kontrafaktisch unbeirrbar daran fest. Daran werden sie letztlich auch scheitern. Denn wenn sie sich selbst zum Exekutor der Troika machen, dann sind sie innerhalb weniger Monate erledigt.

 

Noch gibt es zwei Hindernisse für eine Verlängerung der Oligarchie-Programme:

 

Einerseits die Syriza-Linke: 10 Abgeordnete von Syriza stimmten im Parlament mit nein oder enthielten sich der Stimme. Der hochrangigste unter ihnen ist Energieminister Lafazanis, der auch die Unterschrift unter den Vorschlag an die Troika verweigerte. Sein Rücktritt wird erwartet. Prominent sind auch die Parlamentspräsidentin Konstantopoulou, sowie der stellvertretende Arbeitsminister Stratoulis. Weitere sieben nahmen nicht teil. Angeblich soll der zurückgetretene Finanzminister Varoufakis unter ihnen sein.*

 

Damit war Tsipras auf die Stimmen des alten Regimes angewiesen, ein überdeutliches Symbol des Einknickens.

 

Doch wie konsequent wird die Syriza-Linke vorgehen? Die Frage ist, wie sehr sie sich trauen den notwendigen Bruch, der mitten durch Syriza führt, aktiv zu betreiben. Mit Wahrscheinlichkeit wird es zu Neuwahlen kommen, bei denen sich Tsipras ein neuerliches Mandat holen will und dabei die Linke ausschalten muss. Diese muss daher sofort zum Gegenangriff übergehen: Sie müsste nun eine breite Mobilisierung einleiten und mit Mut und Weitsicht eine offene und breite Kandidatur mit einem klaren Programm für und mit den Subalternen für einen Bruch mit der Oligarchie vorbereiten. (Den Plan B, den Tsipras verweigerte.) Dabei darf sie sich nicht davor scheuen, in die Minderheit zu gelangen.

 

Bei einem solchen Szenario kann nicht ausgeschlossen werden, dass die rechte Mehrheit um Tsipras nicht doch noch Brücken zu schlagen versuchen wird, um die Spaltung abzuwenden – wahrscheinlich erscheint das allerdings nicht.

 

Auf der anderen Seite muss befürchtet werden, dass die Syriza-Linke an den eroberten Positionen festhalten wird wollen. Man hatte bei der Teilnahme und beim Aufstieg von Syriza gerade in der Frage des Verbleibs unter dem Euro-Regime schon einiges an Opportunismus gesehen, was ja von der Extra-Syriza-Linken richtigerweise angekrittelt wurde. Dieser alte sozialdemokratische Geist des Verbleibens in den scheinbar mächtigen Formationen, könnte die Bildung einer kräftigen Opposition behindern.

 

Das andere mögliche Hindernis könnten die deutschen Hardliner sein. In der Berliner Regierungskoalition gibt es einen chauvinistisch-austeritären Flügel, der Griechenland ohne Rücksicht auf das komplizierte und auf gewisse Kompromisse beruhende Machtgefüge der EU hinausschmeißen will. In ihrem sozialen Block haben diese eine erhebliche Bedeutung. Schon vor dem Referendum hatte Schäuble & Co mit ihrer überharten Linie eine Einigung verhindert, die Tsiras mit dem Votum im Rücken nun erzwingen will. Allerdings muss man davon ausgehen, dass der Druck der politischen Eliten (einschließlich Washingtons) für eine Einigung übermächtig sein wird.

 

* Der Stimme enthielten sich Panagiotis Lafazanis, Dimitris Stratoulis, Aglaia Kyritsi, Zoe Konstantopoulou, Costas Lapavitsas, Stathis Leoutsakos, Giannis Stathas und Thanassis Skoumas. Joanna Gaitani und Eleni Psarea stimmten mit Nein. Außer Varoufakis blieben noch Vasilis Chatzilamprou, Dimitris Kodelas, Eleni Sotiriou, Vasilis Kyriakakis, Rachil Makri und Eleni Avlonitou der Abstimmung fern. Zudem teilten fünfzehn weitere Abgeordnete Tsipras schriftlich mit, dass sie zwar mit Ja gestimmt hätten, aber den im Paket enthaltenen Maßnahmen bei einer entscheidenden Abstimmung zur Ratifizierung des Pakets die Zustimmung verweigern würden.

„VERRAT“

„Verrat“ ist keine politische Kategorie. Verrat scheint heute ein unpassendes Wort, wenig geeignet für die Analyse moderner Politik. Es richt nach Feudalismus, nach persönlichen Verpflichtungen. Die Analyse erleichtert es für gewöhnlich nicht.

Alexis Tsipras hat in einer schwierigen Situation eine Volksabstimmung angesetzt. Er scheute zurück vor der persönlichen Verantwortung für eine weitreichende Entscheidung. Er ver­pflichtete sich, das Ergebnis dieser Abstimmung zu achten. Er würde persönliche Konsequen­zen ziehen, falls die Abstimmung gegen seine Empfehlung ausgehe, ließ er wissen. Die griechische Bevölkerung hat ihm geglaubt. Mit unerwartet deutlicher Mehrheit rief sie ihm zu: Sag NEIN! NEIN zur Austerität! NEIN zur nationalen Demütigung! NEIN zur Politik der EU!

Und Tsipras und die SYRIZA sagen nun vorbehaltslos JA. JA zur Austerität! JA zur völligen Unterwerfung! JA zu einer EU, die sie gar nicht mehr haben will.Mit Hilfe der Kompradoren aus der Nea Demokratia und aus To Potami überstimmen sie dafür die eigenen linken Genossen.

Wenn irgend einmal das Vokabel Verrat angebracht war, dann hier und heute. Es ist der schäbigste Wortbruch, persönlich gegeben, den man sich nur vorstellen kann. Fassungslos sucht man nach Parallelen in der näheren Vergangenheit. Man findet sie nicht. Man muss ein Jahrhundert zurück gehen. Mir fällt dazu nur die Politik der deutschen, österreichischen, europäischen Sozialdemokratie am Beginn des Ersten Weltkriegs ein. Vielleicht ist die Junius-Broschüre von Rosa Luxemburg 1916 kein hoch analytischer Text. Aber er sagt uns viel über die Stimmung der Linken damals. Wir sollten lesen, was sie aus dem Gefängnis heraus ihren ehemaligen Genossen zu sagen Hatte: „Die Szene hat gründlich gewechselt. … Der Rausch ist vorbei. …. Die Regie ist aus. … Was erlebten wir, als die große historische Probe kam? Den tiefsten Fall, den gewaltigsten Zusammenbruch!“

Aber das hilft uns nicht weiter.

Versuchen wir, die Trümmer der SYRIZA-Politik seit einem knappen halben Jahr abzuschätzen; eine realistische Sicht auf diese Partei und auf Griechenland zu gewinnen!

SYRIZA erhielt im Jänner eine relative Mehrheit der Wählerstimmen (36 %). Die reaktionären Parteien hatten sich das Wahlrecht so zurecht geschneidert, dass jedenfalls eine von ihnen eine Mehrheit erlangen würde. So dachten sie. Auf Grund dieses betrügerischen Wahlrechts – in Italien ist es noch viel schlimmer – erhielt SYRIZA praktisch eine Mehrheit im Parlament. Die ersten Schritte der neuen Regierung sahen nach Widerstand und Selbstbestimmung aus. Hätte man 3 Monate später gewählt, hätte SYRIZA vermutlich eine echte Mehrheit bekommen.

Spätestens nach den Wahlen und nach den ersten Wortmeldungen der neuen Regierung beschlossen die europäischen politischen Klassen und die Bürokratie, die neue Regierung zu stürzen oder zu brechen. Die Naivlinge von SYRIZA, die noch immer von „Europa“ schwärmten, waren völlig überrascht. Die Gestalt des neuen Finanzministers, Varoufakis, war symptomatisch und symbolisch. Als Person wurde er schnell zum roten Tuch für die Oligarchie.

Aber er war ein hundsmiserabler Minister. Er hätte in seiner Position Politik machen und organisieren müssen. Aber er beschränkte sich auf seine Rolle als politischer Pop-Star.

Kapitalverkehrskontrollen? Sie wären am 26. Jänner fällig gewesen. Aber erst, als sie nichts mehr nützten und der Regierung und der Bevölkerung nur mehr schadeten, kamen sie, und noch dazu in der dümmsten Weise, durch das Schließen der Banken.

Aufbau eines effektiven Apparates? Soweit ich weiß, ist gar nichts geschehen.

Vorbereitung auf die Attacke der EZB? Keine Spur davon. Dabei war es ganz klar, dass dies der gefährlichste Angriff sein würde, da die EZB das Bargeld kontrolliert, und Bargeld in einer tiefen Krise immer ein absolut vitales Instrument ist.

In den Verhandlungen gab man Schritt Alles preis, was man der Bevölkerung versprochen hatte. Die wenigen Druckmittel, die man hatte, setzte man nicht ein: die Blockierung der Räte etwa. Dafür stimmte man pflichtschuldigst mehrfach der Verlängerung der Sanktionen gegen Russland zu, scheute sich aber andererseits nicht, dort um Kredite anzuklopfen.

Der Scherbenhaufen wird jetzt in Griechenland und international Folgen haben:

*) Eine realistische Linke wird in Griechenland in Zukunft völlig diskreditiert sein. Im Nachhinein kann sich die KKE mit ihrer Politikverweigerung noch einmal auf die Schulter klopfen. Diese Richtung wird vielleicht ein wenig zugewinnen. Eine realistische Alternative ist sie nicht.

*) Die SYRIZA-Linke schreckt offenbar noch immer vor dem dringlich notwendigen Bruch zurück. Damit ist auch sie keine Alternative. Was mit ihr weiter passiert, ist völlig offen. Als Rosstäuscher ist Alexis Tsipras diesen Leuten noch allemal haushoch überlegen. Noch immer weigern sich diese Genossen verzweifelt, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Wann, wenn nicht jetzt, müsste der Bruch mit der Mehrheit erfolgen?

*) Außerhalb Griechenlands ist der Schade vielleicht noch größer. Die europäische Linke hat sich in hohem Maß mit SYRIZA identifiziert. Welche besseren Argumente könnte man Typen wie Renzi, Perez Rubalcaba von der PSOE oder Hollande liefern? Wie soll die linke Opposition dort noch glaubwürdig auftreten?

Eine grundsätzlichere Bemerkung ist angebracht:

Die konsequente Linke schwankt seit langer Zeit zwischen Elektoralismus und einem voluntaristischen und ohnmächtigen Blanquismus. Beide Stichworte sind höchst fragwürdig. Seine ganze Hoffnung auf Wahlen zu setzen, ist illusionär; aber eine leichtfertige Verachtung von Wahlen führt unweigerlich in den Autoritarismus. Das Beispiel der Bolschewiki hat uns dies nur zu deutlich gezeigt. Und das führte in die historische Niederlage. Ich muss zugeben: Ich sehe aus diese Mühle keinen Ausweg. Am ehesten könnte er noch darin liegen, ein neu konzipiertes und ständig aufs Neue erprobtes Rätesystem anzustreben.

Blanquistischer Putschismus ist aber gegenwärtig auch völlig unrealistisch. Und das ist leicht zu begründen. Auch in der Oktober-Revolution gelang der bewaffnete Aufstand nur, weil die Armee im Weltkrieg bereits völlig zerrüttet war und nicht mehr gegen die Bolschewiki einsetzbar war. Der Aufstand gegen die Dikatatur in Portugal hatte 1975 Erfolg, weil er im Wesentlichen von Teilen der Armee durchgeführt wurde. Der größere Rest der Armee aber sah zu und wartete ab. Und als man einige Jahre später, schon nach der sozialdemokratischen Restauration, Otelo Saraiva de Carvalho ausschalten wollte, brauchte man nur eine Verbindung zu einer putschistischen Gruppe zu konstruieren und steckte ihn dann ohne weiteres ins Gefängnis.

In Griechenland hört man nicht das Geringste von linken Strömungen innerhalb der Armee. Vielmehr wird vereinzelt die Sorge vor einem Militärputsch der Rechten geäußert. Aber auch dafür wird nicht vorgesorgt seitens der Linken. Dabei wird immer wieder von besten Kontakten der Chyssi Avgi zu Offizieren erzählt.

Dass SYRIZA scheitern würde, war leider leicht vorher zu sehen. Dass es auf eine so schäbige und schmutzige Tour gehen würde, ist eine Tragödie. Wir haben uns von den taktischen Wendungen des Tsipras täuschen lassen und glaubten tatsächlich an eine bisweilen zwar sehr ungeschickte, aber ehrliche Politik.

Einmal mehr zeigt sich: Unabdingbar notwendig und höchst dringlich ist eine seriöse Strategie-Debatte. Die ersetzt nicht die Politik, bereitet aber darauf vor.

Albert F. Reiterer – 12. Juli 2015

„TREASON“

„Treason“ is not a category of modern politics. It is a word not truly apt for analysing social and political patterns of today’s societies. It smells of feudalism, of personal commitments in times long foregone. Structural analysis may be hindered rather than furthered by such a vocabulary.

Alexis Tsipras went to the referendum in a truly difficult situation. He wanted to alleviate his own political burden, feeling no more able to bear responsibility for the far-reaching decision: how to go ahead with Greece’s relations to Germany and to EU? He declared firmly to accept the verdict of the electorate whatsoever. If the Greek people would vote to submit, he would submit and step down, he told. He would give in and leave office.

But the Greek people did not give in. The population voted NO with a huge, a truly impressive majority. It was unexpected not only to the European centre, but to the Greek Left, and to the government, too. The Greek people said „όχι„, very loud and very clear. It commissioned him: Say NO! NO to the austerity! NO to the national humiliation! NO to EU-policy and politics!

And Tsipras, his government and his party now say YES! YES to austerity; YES to complete submission; YES to Schäuble, Dijsselbloem and Juncker!

If ever the word treason made any sense, then it is now! This action of Tsipras and the majority of his party is treachery in every sense of the word, morally, politically, and historically. It is one of the dirtiest political manoeuvers in the history of the Left. And besides being a baseness, it is a foolish to the utmost. Tsipras was on its knees before June 26th. Now he lies face down on the earth – it is not enough for the EU-criminals. He has to kiss their asses.

To have a parallel to such a political twist, we have to go back a century. As World War I started, the German and the Austrian social-democracy, and in fact the European social-democracy as a whole, had demonstrated against war and imperialism. On August 4th, the German social-democrats voted the war, the imperial aggression and the butchery in the name of militarism and profit. Now, Tsipras and the majority of his party, together with the compradors of Nea Demokratia and To Potami, votes the most complete submission of Greece, and they vote against their comrades of the left wing.

Let us have a look at the wreckages of SYRIZA-politics of the last five months.

SYRIZA got a relative majority. Thanks to the fraudulent Greek election law, devised by the conservative parties, Nea Demokratia and PASOK, to assure a parliamentary majority by a minority of votes, they got such a majority. However, their first movements were resistance to EU-policies. Thus, if they had gone to a new election, they had got a honest majority, for many more Greeks supported them.

Latest at this time, Germany an its allies decided to topple this government or to crash it. This was no surprise, by no means. But the naive SYRIZA-men – I have seen no woman – were quite astonished. Instead of caring for the future, they gave in, step by step.

Varoufakis was a provocation in his outfit to the mummies of financial oligarchy and their political puppets. Perhaps this was a merit for a short time. However, it was not enough, as Varoufakis seemed to believe. He was a lousy minister, completely unable to do his job.

For his job had to establish immediately, on January 26th, control of capital flows. Only in the last minute, as it proved nearly fatal to Greece and its government, he established such controls. It made no more sense, and it was done in the most stupid way it could be done.

He must start from the first minute to build up a new and effective apparatus for collecting the taxes, for controlling Greek oligarchy and for letting them pay at least their due share. He did nothing.

It was a must to prepare for the attacks of the ECB. It would inevitably come, for using the weapon of cash in such a deep crisis is standard for the sharks of the financial markets and their political personal in the central banks. He did nothing, or in fact, by his silly remarks about the scrapped printing machines of the old Drachme he invited them to attack most brutally.

After less than half a year, SYRIZA’s political results are a catstrophy for Greece and for the rest of Europe. We have to ask for the consequences, for Greeks as well as for the European Left.

*) The Left in Greece will be discredited within short a call. With hindsight, KKE can congratulate itself. They refused to make politics, and now they seem justified. Probably, they will win some votes. However, such a non-programme and non-politics can be no alternative.

*) The left wing of SYRIZA declines desperately to confront reality. If there was ever a necessity to break away, this are these days. They have the chance to establish an alternative policy, but only for a very short period.

*) The catastrophe for the European Left is, if possible, even greater. This Left has identified completely with SYRIZA. The events of the last days are a godsend for Renzi, Hollande and Rajoy. SYRIZA had provided them with the best arguments they could imagine for the coming elections in Spain, and for the political conflicts in Italy.

To end in a more fundamental way:

Left politics has always fluctuated between electoralism and putschism. Both strategies have proved to lead to nowhere. To look exclusively for electoral success resulted always in a complete resignation in political regard. To reject frivolously electoral politics resulted in authoritarianism. We have the historical example of the Bolshewiks in 1917 / 18. This was the very first move to the discomfiture of 1989.

Blanquism is surely not an alternative. Aside from basic concerns, it is simply impossible in present times. Armed resistance to even a modest army did result almost always in being routed. The only exceptions were the complete disorganization of the army before the confrontation, as, f. i., in Russia 1917.

SYRIZA’s defeat was easily to presage, unfortunately. We could not foresee that it would elapse in such a dirty and ignoble way. This shows us in a way completely without any doubt that a debate on left strategy is quite indispensable. We have to start it at the spot.

Albert F. Reiterer – 13. Juli 2015

„Grexit“ als Chance auf soziale Entwicklung

Pressemitteilung des steirischen KPÖ-Landtagsklubs:

Die Grenzen der Demokratie ziehen die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds

 

Eine deutliche Mehrheit der griechischen Bevölkerung hat am 5. Juli den von EU und IWF geforderten Forderungskatalog abgelehnt. Dieser umfasst Maßnahmen, die noch mehr Armut bedeuten und keine Zukunftsperspektiven für das Land bieten. Dennoch bekommen die Griechinnen und Griechen, die für ein Nein gestimmt haben, nun ein Ja.

Die Vorgänge sind eine Bankrotterklärung der EU und der griechischen Regierung gleichermaßen. Demokratie wird in der EU so lange geduldet, so lange Kapitalinteressen unberührt bleiben. Griechenland ist angesichts der unverhohlenen Erpressung in die Knie gezwungen worden. Premierminister Tsipras hat nun Bedingungen akzeptiert, die über das hinausgehen, worüber am 5. Juli abgestimmt wurde.

Die EU hat unter deutscher Führung ein Exempel statuiert. Anhand des griechischen Beispiels soll demonstriert werden, dass es aus dem neoliberalen Teufelskreis keinen Ausweg gibt. Wer es trotzdem versucht, wird auf internationaler Bühne vorgeführt. Das Signal: Es gibt keine Alternative zu Austerität und Neoliberalismus. Das soll ein für alle Mal in den Köpfen der Menschen in ganz Europa verankert werden.

Erst durch ihr bedingungsloses Festhalten am Euro hat sich die griechische Regierung erpressbar gemacht. Ein „Grexit“ hätte dagegen mittelfristig die Chance auf eine soziale Entwicklung geboten. Sozial- und Demokratieabbau sind weder Naturgesetze noch wirtschaftliche Notwendigkeiten, wie den Menschen seit Jahrzehnten eingetrichtert wird. Eines sollte nun jeder EU-Bürgerin und jedem EU-Bürger klar geworden sein: Innerhalb der Korsetts von EU und Euro ist kein Sonderweg möglich. Die Grenzen der Demokratie ziehen die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds.

Die steirische KPÖ steht an der Seite der Griechinnen und Griechen, die für eine soziale, friedliche und demokratische Entwicklung ihres Landes eintreten. Eine solche wird es, in Griechenland wie in Österreich, innerhalb der EU nicht geben.

OXI heißt OXI!

MORGEN

KUNDGEBUNG

OXI heißt OXI

MORGEN, 15. Juli 2015, Treffpunkt 18 Uhr MQ – Museums-Quartier Wien Omofuma Denkmal

Keine Unterwerfung von Griechenland! Nein zur Austeritätspolitik!Die vom Volk abgewählte Austeritätspolitik wird jetzt auf Druck der Gläubiger in verstärktem Maß fortgeführt. Man will eine linke Regierung untergehen sehen. Denn nicht nur die Griech/inn/en wollen eine Alternative. Auch in Spanien und Portugal ist die Linke im Aufwind.Dem „müssen“ Merkel und Schäuble einen Strich durch die Rechnung machen.

Griechenland Euro-Protektorat

Syriza am Ende, genauso wie die Chimäre von der sozialen EU

von Wilhelm Langthaler

 

Das griechische Drama hat den schlechtest möglichen Ausgang genommen: totaler Sieg für die Euro-Oligarchie. Sie konnte ihren Gegner sogar zu ihrem Erfüllungsgehilfen degradieren – weil Syriza den Bruch mit dem Euro-Regime kategorisch ausschloss. Nichts kann so bleiben wir bisher, weder in Griechenland noch in der EU. Was da dräut bleibt indes unklar.

 

 

Ein neoliberales Armaggedon

 

Das sich abzeichnende dritte Bailout ist eine soziale und politische Horrorshow:

 

  • Weiterer Verlust der Souveränität und offene Deklaration eines Protektorates des Zentrums geführt von Deutschland. Das Parlament darf nur mehr Brüsseler und Berliner Beschlüsse durchwinken, sonst wird der Geldhahn abgedreht.

 

  • Symbolisiert wird die Schuldknechtschaft durch den Privatisierungsfond, eine schlichte Enteignung durch Feudalherren und Wucherer wie gegenüber den Bauern im Mittelalter.

 

  • Asoziale Erhöhung der Massensteuern.

 

  • Die übliche neoliberalen Maßnahmen zur Senkung der Löhne, Auslöschung des Sozialstaates, Minimierung der Pensionen.

 

  • Alle dämpfenden Maßnahmen der Tsipras-Regierung müssen rückgängig gemacht werden.

 

Es ist vielfach auch in den herrschenden Medien bemerkt worden, dass es ein richtiger Rachefeldzug der Euro-Eliten war, eine Bestrafung sowohl der Regierung als auch der Bevölkerung für ihr Nein. Niemand soll es wagen sich gegen den allmächtigen Herrn, das Kapital, aufzulehnen.

 

 

Bluffen allein reicht nicht

 

Doch wie kommt es, dass Tsipras so eingegangen ist? Als er das Referendum ankündigte, kam Hoffnung auf. Die quälenden Verhandlungen sollten endlich beendet werden, denn der „würdige Kompromiss“ war nicht abzusehen. Und die Gläubiger saßen am längeren Ast, denn Griechenland blutete durch die Unsicherheit wirtschaftlich aus. Das massive Nein der Subalternen signalisierte Kampfbereitschaft.

 

Doch für Tsipras war das nur ein Bluff. Schon während der Kampagne sendete er Zeichen an die Herren, dass es nicht so ganz so hart gemeint wäre. Und danach glaubte er sogar für die Verhandlungen gestärkt zu sein. Doch gestärkt wäre er nur gewesen für den Konflikt.

 

Denn die Gläubiger, geführt von Schäuble, setzten ihm das Messer an. Entweder Zinsknechtschaft oder Rausschmiss aus dem Euro. Die einzig mögliche Antwort wäre die Offensive gewesen: Erklärung der Nichtbedienung der Schulden und Wiederherstellung der Souveränität, der wirtschaftlichen einschließlich der Ausgabe einer eigenen Währung. Selbst Varoufakis kommt nun zu dem Schluss, dass Griechenland IOU ausgeben müsse, die Vorform einer eigenen Währung – allerdings nach seinem Rücktritt.

 

Nachdem in eurokommunistischer Tradition der Bruch mit den westlichen Eliten jedoch nicht denkbar ist, blieb Tsipras nichts anders übrig als hinzuknien und den deutschen Herren statt der Soldatenstiefel nun die genagelten Bankerschuhe zu lecken.

 

Doch das war der Demütigung nicht genug. Dem am Boden liegenden Tsipras traten die Taliban des Neoliberalismus noch ins Gesicht und stopften ihm mit dem erbettelten Euro das Maul – soviel zum „würdigen Kompromiss“.

 

 

Eine soziale EU kann es nicht geben

 

Das intellektuelle Konzept hinter dieser Katastrophe ist die „soziale EU“. Man will der von Berlin geführten kapitalistischen Elite keynesianische Reformen aufzwingen, die nicht einmal mehr im nationalen Rahmen möglich waren. Man ignoriert dabei, dass die EU und insbesondere der Euro mit den Maastricht-Kriterien als europaweites Regime zur Konterreform, zur Zerstörung der nationalen Sozialstaaten gebildet wurde. Die schwächeren nationalen Eliten hängten sich dabei an die stärkeren, insbesondere die deutschen an.

 

Hoffentlich wird mit Syriza und Tsipras diese gefährliche reaktionäre Idee mit zu Grabe getragen.

 

 

Die totale Unterwerfung

 

Doch das Exempel, das gegenwärtig an Griechenland statuiert wird, hat nicht nur einen sozialen Aspekt, sondern einen nationalen. Nicht nur, dass Tsipras angetreten war, um die Austerität zu beenden, oder zumindest zu dämpfen, und nun eine noch viel schlimmere soziale Zerstörung verantwortet. Sondern er hat auch der Bildung eines Euro-Protektorats zugestimmt, einer nationalen Kapitulation ähnlich jeder von den europäischen Kolonialmächten erzwungenen. Die nationale Würde wurde verletzt, mit Füßen getreten.

 

Die Tage der Syriza-Regierung sind gezählt. Wenn die letzten Aufrechten von der Syriza-Linken die Zustimmung zu den Kapitulationen verweigern, muss sich Tsipras von den Parteien des alten Regimes unterstützen lassen, gegen das er angetreten war. Neuwahlen sind früher oder später unvermeidlich.

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Schockstarre Syriza als Zombi überleben kann, denn das alte bipolare Regime ist durch Jahrzehnte verbraucht und kehrt auch durch das Versagen Tsipras’ nicht so leicht zurück.

 

Doch das sich auftuende Loch, das Vakuum ist enorm. Doch durch was er gefüllt werden wird, zeichnet sich noch nicht ab. Eine neu konfigurierte Rechte, wie sie in vielen Ländern um die Hegemonie ringt, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

 

 

Syriza-Linke?

 

Viel hängt davon ab, was die Syriza-Linke und die Extra-Syriza-Linke zu tun in der Lage sind. Wenn sie den Mut haben, den Tsipras nicht an den Tag legte, und nun mit einem lauten Knall den Bruch vollziehen, sind die vielleicht in der Lage nicht nur die politische Würde der Subalternen zu retten, sondern auch der griechischen Nation. Dazu müssten sie aber mit der lähmenden Logik des Entrismus brechen und nach außen gehen, sich an die Gesellschaft wenden, eine breite Front des Nein und für den Bruch mit dem Euro-Regime bilden, die auch bei den kommenden Wahlen antritt. Es ist durchaus möglich, dass sie eine signifikante Kraft des Widerstands bilden könnten, die das politische Vakuum zu füllen in der Lage wäre. Die nächsten Tage werden entscheidend sein.

 

 

EU-Ideologie am Niedergang

 

Die politischen Geschwindigkeiten in Europa sind höchst unterschiedlich. Zunächst und auf den ersten Blick ist es einmal ein Sieg Berlins und der Gläubiger. Doch die Härte und Brutalität ihres Regimes, sein antisozialer und antidemokratischer Charakter, wird mittelfristig zu einem Verlust an Hegemonie zumindest an der Peripherie führen. Das ganze Gefasel vom Friedensprojekt und von der Konvergenz wird Lügen gestraft. Die EU zeigt sich viel klarer als bisher nicht nur als Regime der kapitalistischen Eliten, sondern vor allem des deutschen Blockes.

 

Ganz Südeuropa starrt gebannt auf Griechenland – sowohl die Subalternen als auch die Herrschenden. Auch deswegen konnte Berlin kein Zugeständnis machen, denn damit hätten sie ihre eigenen Verbündeten in Madrid, Rom usw. desavouiert.

 

Bei den unteren und mittleren Schichten herrscht angesichts der griechischen Kapitulation sicher Enttäuschung vor. Wenn allerdings die Syriza-Linke und eine Oxi-Front das Staffelholz übernehmen kann, könnte das Ereignis sogar lehrreich sein: Jeder kann sehen, dass ein Ende der Austerität nur durch den Bruch mit dem Euro-Regime erreichbar ist.

 

Die Krise der EU wird sich mit dem sozialen Niedergang weiter vertiefen. Der Widerstand der Subalternen verschärft das deutsche Diktat, das wiederum auch den Spaltpilz in die nationalen Eliten der Zentrumsperipherie bringt. Die Eliten haben jedoch keine Alternative. Umso mehr ist Platz für einen gemeinsamen europaweiten Widerstand geführt von Südeuropa für den Bruch mit dem Euro-Regime und damit in der Folge mit der EU und der Nato.

DER EURO ALS FALLE: Kann die EU Griechenland retten?

Schon die Frage ist purer Neokolonialismus. Da gibt es ein Land, das von seiner politischen Klasse durch einen un- und wahnsinnigen Beitritt zu einer strukturell für es ganz unpassenden Währungsunion (WU) in die tiefste Krise seiner Geschichte schlitterte. Nun versucht seine Bevölkerung, sich aus dem Schlamassel heraus zu arbeiten. Aber die herrschenden Gruppen der WU tun Alles, was in ihrer Macht steht, es daran zu hindern. Und nun stellt man die Frage: Wie können wir das Land retten? Des weißen Mannes Bürde besteht halt diesmal nicht aus farbigen Menschen. Aber die Griechen haben ohnehin auch oft einen dunklen Taint und schwarze Haare.

Doch der Reihe nach.

Für den Blick auf die Auseinandersetzungen der letzten Monate, Wochen und Tage können wir zwei Perspektiven wählen.

Beginnen wir mit der nationalen! Das „Griechenlandproblem“ hat sich, mittlerweile für Alle erkennbar, zu einem Machtkampf zwischen zwei Politik-Modellen entwickelt. Das griechi­sche, neo-keynesianische Modell legte Varoufakis in seinem „Bescheidenen Vorschlag“ ausführlich dar. Ihm diametral gegenüber steht das neoliberale Modell von Deutschland und seinen Vasallen. Wie bei diesem wirtschaftlichen wie politischen Kräfte-Verhältnis der Ausgang im Rahmen der EU und ihrer Institutionen sein wird, kann sich jeder Mensch selbst ausrechnen.

Schwenken wir nun zu einer stärker strukturellen, supra- und internationalen Perspektive über!

Euro und WU wurden als Automatismus einer neoliberalen Zentrum-Peripherie-Struktur in Europa entworfen. Das sollte ständige politische Eingriffe zu Gunsten des Großkapitals und der Finanz-Oligarchie überflüssig machen. Alle, die lesen können und wollen, können dies in der Debatte seit Anfang der 1970er nach verfolgen, im Werner- und Tindemans-Plan, im Delors-Bericht; auch im gescheiterten EWS der Prägung von Helmut Schmidt und V. Giscard d’Estaing.

Der Kern ist: Nicht mehr Abwertungen mit ihrer vergleichsweise schonenden Verteilung der Lasten sollen zum Ausgleich von Produktivitäts-Differenzen zwischen den Starken und den Schwachen eingesetzt werden. An ihre Stelle soll die „Innere Abwertung“ treten, der sinkende Lebens-Standard ausschließlich für die Arbeitenden. Und vor allem: Eine WU macht jede selbständige Wirtschaftspolitik, die etwa vom Pfad der neoliberalen Tugend abweichen wollte, unmöglich. Das ist denn auch das zentrale Ziel, der Währungsunion wie speziell auch der griechischen Anpassungs-Programme. Dass nebenbei auch die griechische Demokratie vor die Hunde geht, ist vermutlich beabsichtigt. Wie sagte doch Juncker: Es gibt keine Demokratie gegen die Verträge. Um das auch wirklich sicher zu stellen, hat die EU einen „unabhängigen“ Finanz-Sekretär installiert, der auch in seiner Amtszeit nicht abgelöst werden kann. Und jetzt glaubten die Griechen, sie könnten demokratisch entscheiden. Das muss man ihnen ein- für alle Male austreiben.

Die Ironie an der Geschichte mit dem Euro war: Deutschland musste zu seinem Glück gezwungen werden. Mitterand stellte Kohl vor die Wahl: deutsche Einigung und WU, oder keines von beiden. Denn die deutsche Regierung zögerte, aus dogmatischen Gründen, wegen ihrer eigenen Ideologemen. Auch traute sie den Anderen nicht. Doch Delors brachte mit dem Eifer des Neubekehrten nach dem Fehlschlag des französischen Konsum- und Import-Keynesianismus seinen Vorschlag vor, und Mitterand drückte ihn durch.

Die Italiener, die Spanier, die Griechen, die Osteuropäer wollten auch „dazu gehören“. Sie wollten „Europäer“ sein. Das politische Symbol mit seiner positiven Semantik siegte über die politökonomische Vernunft. Die Bevölkerung unterstützte es weitgehend. Die Brüsseler Bürokratie aber griff mit beiden Händen nach diesem Gottesgeschenk und nützte die Selbstaufopferung der Schwachen.

Und nun ist der Euro zum Käfig und zur Falle geworden. Der Eintritt in die Währungsunion wurde über Jahre vorbereitet. Der Austritt wäre nun die einzig rationale politökonomische Lösung für die Schwachen. Aber er wird chaotisch ablaufen – so er denn abläuft – , dem entsprechende Folgen haben und kurzfristig schweren Schaden anrichten.

Denn inzwischen ist der Euro zum zentralen Symbol für die Politik der Eliten geworden. Aber für sie, korrigieren wir uns, ist diese Politik nicht verfehlt. Sie ist gewollt. Merkel hat in ihrem Sinn durchaus Recht, und mit ihr jene, wenn sie uns ständig in die Ohren murmeln: Fällt der Euro, dann fällt die EU – ihre EU.

Darüber hinaus haben die Stärkeren, die Länder des ehemaligen DM-Blocks, begriffen: Der Euro ist ein Geschenk für sie und ihre Export-Wirtschaft. Sinkt sein Kurs, wie in der letzten Zeit, dann sprudeln die Profite besonders üppig. Steigt er aber für eine Zeitlang, dann wirkt er kurzfristig wieder als Produktivitäts-Peitsche im Vergleich mit der Dollar-Struktur der übrigen Welt. Das tut zwar einigen Exporteuren ein bisschen weh, und sie schreien laut. Aber es kann langfristig der Wirtschaft nur nützen. Dieses Instrument wollen sich das Zentrum Deutschland, Österreich, die Niederlande, usf., die Scharfmacher gegen Griechenland neben den Konservativen im Süden und im Osten, deren Überleben dran hängt, nicht so einfach wieder entwinden lassen.

Griechenland sitzt in der Falle. Und nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung zögert, diese Falle zu zerbrechen. Denn langsam begreifen sie: Auch der Austritt aus der Eurozone reicht nicht. Was würde passieren? Es würde bzw. wird nach dem Austritt einen zwar kurz­fristigen, aber in dieser Zeit scharfen Knick nach unten geben, bevor die Erholung beginnt. Nicht nur ein Schuldenschnitt von bisher ungekanntem Ausmaß wird notwendig. In dieser Zeit würden die griechischen Banken kollabieren. Sie müssen also verstaatlicht werden. Der Außenhandel muss nach den Prioritäten des Landes und nicht einfach nach der Kaufkraft der Wohlhabenden organisiert werden. Dies Alles steht diametral gegen die Regeln der EU. Im Rahmen des Imperiums lässt sich dies nicht machen, oder nur, wenn es die Bürokratie von oben befiehlt, siehe Zypern. Der Austritt aus der Eurozone hat entweder einen Zusammen­bruch zur Folge. Oder aber er muss Konsequenzen haben: den Austritt aus der EU nämlich.

Tsipras wurde nicht „gezwungen“. Das ist immer noch das schonende Märchen seiner Bewunderer, welche die Wirklichkeit nicht sehen wollen und ihren Helden weiter anhimmeln möchten. Er wagte diesen politischen Schritt nicht. Verantwortlich ist somit nicht Merkel und Holland, nicht einmal Schäuble. Die agierten ganz selbstverständlich in ihrem eigenen Sinn.

Verantwortlich ist einzig und allein Tsipras, und zwar auf eine persönliche Weise, die kaum je so deutlich wird wie hier. Denn mit der Volksabstim­mung hatte er dazu das Mandat. Man soll die Bevölkerung nicht für so dumm halten, wie es die Journalisten gern tun. Die überwälti­gende Mehrheit, welche am 5. Juli mit NEIN stimmte, wusste recht genau, was sie tat. Mit seiner Politik hat sich Tsipras und die Mehrheit der SYRIZA-Abgeordneten selbst in die Kompradoren-Gruppe gestellt, aus der die griechische Politik seit je weitgehend besteht. Und jetzt hat er noch die Stirn zu sagen: Es ist zwar falsch, aber bitte stimmt trotzdem dafür.

In der Euro-Falle sitzen auch Spanien, Italien, Slowenien, in Kürze wohl auch Frankreich. Aber ihre Regierungen sind bereit, die langfristige Stagnation in Kauf zu nehmen, zum Vorteil ihrer Eliten. Die meisten dieser Politiker sehen dies ja ohnehin als Tugend. Die spanische Regierung hat ihr Strangulierungs-Programm schließlich selbst entworfen und nach Brüssel geschickt. Zu Hause aber hat sie erzählt: Brüssel zwingt uns dazu.

Der Euro ist ein höchst effektives Instrument der Gesellschaftsspaltung. Für alle sichtbar, gilt dies für die Länder der südlichen und östlichen Peripherie. Es gilt aber auch für das Zentrum. Es gibt nicht wenige, welche die Fehler der früheren und jetzigen deutschen Regierungen beklagen, ihre Politik der Lohnsenkung und der forcierten Exporte – Flassbeck wird nicht müde, dies zu wiederholen. Aber das sind keine Fehler. Es ist das Programm des Euro. Es ist die DNA der Währungsunion. In der Euro-Falle sitzen somit auch wir in den Ländern des Zentrums, zumindest, soweit wir nicht der Oberschicht und der Minderheit der Gewinnern aus der Politik des Imperiums angehören.

AFR – 16. Juli 2015

Unter die Räder gekommen. Die Strategie der Eurolinken.

von Franz Stephan Parteder

 

Das EU-Diktat gegen Griechenland fordert viele Opfer. Über ein einziges davon bin ich nicht unglücklich: Die Strategie der EU-Linken ist nach der Abdankung von Alexis Tsipras als Gegner der Austeritätspolitik unter die Räder gekommen.

 

Seit über einem Jahr hatte sich die Politik dieser Gruppierung darauf gestützt, am Beispiel von Griechenland und der Linkspartei Syriza zeigen zu können, dass progressive Reformen im Interesse der Bevölkerung innerhalb dieser EU zuerst in einem Land und dann überall möglich sein würden. Marxistische Analysen der EU als gegen die Bevölkerung gerichtete Herrschaftsform des Großkapitals, die sich gegenüber demokratischen Verhältnissen abschottet, wurden als dogmatisch abgetan.

 

Als Spitzenkandidat der EU-Linkspartei bei der EU-Parlamentswahl 2014 hatte Alexis Tsipras die Plattform, um unter den fortschrittlichen Menschen in allen Mitgliedsländern für diese spezifische Form der Politik zu werben. Und als sich der Wahlsieg von Syriza bei der griechischen Parlamentswahl abzeichnete, hatte man sofort entsprechende Slogans zur Hand: „First we take Athens, then we take Berlin (Zuerst erobern wir Athen, dann erobern wir Berlin)“, hieß es. Das Beispiel einer linken Regierung in Griechenland würde ähnliche Bewegungen in der gesamten EU inspirieren und stärken und in der Perspektive zu einem anderen Europa führen.

 

Es wäre sicherlich interessant, sich in Aussendungen der Bundes-KPÖ oder in Artikel der Bildungseinrichtung transform zu vertiefen, die rund um den 25. Jänner 2015 (der Tag des Wahlsieges von Syriza) und danach veröffentlicht worden sind. Es genügt aber die Feststellung, dass dabei die Herrschaft der Phrase über die Analyse so deutlich wurde wie selten. Nur ein Beispiel für viele: Mirko Messner am 25. Jänner an Tsipras: „Ihr habt die Weichen gestellt. Europa ist seit heute nicht mehr dasselbe. Die gegen die Bevölkerung gerichtete Verarmungspolitik zugunsten der Konzerne, Banken und Superreichen mitsamt Merkels Markt-Konformität, die sich die Demokratie unterordnet, muss ein Ende haben.“

 

Weniger als 6 Monate danach ist klar: Die Entscheidungsträger in der EU haben alle Hoffnungen, die mit der Entwicklung in Griechenland verbunden waren, ausradiert und den ehemaligen Spitzenkandidaten der EU-Linkspartei dazu degradiert, erniedrigende Maßnahmen des Sozialabbaus in seinem Land durchzuführen. Dafür darf er Ministerpräsident bleiben. Die EU hat ihren Charakter und ihre Funktion auf brutale Weise gezeigt. Und das haben Millionen von Menschen verstanden.

 

Kein Lernprozess

 

Eigentlich müsste bei der EU-Linkspartei jetzt ein Lernprozess einsetzen. Vor allem jene, die am eifrigsten den Weihrauchkessel für die gescheiterte Strategie geschwungen haben, müssten jetzt schweigen oder in die zweite Reihe zurücktreten.

 

Das ist aber nicht der Fall. Pierre Laurent (Vorsitzender der Französischen KP und der EU-Linkspartei) veröffentlichte am Montag, 13. Juli ein Kommuniqué, in dem er das Diktat von Brüssel als „Kompromiss“ bezeichnete und den „Mut“ des griechischen Regierungschefs lobte. (Erfreulicherweise fand diese Haltung in der PCF keine mehrheitliche Unterstützung. Die KP-Mandatare stimmten im französischen Parlament gegen den Erpressungspakt).

 

Und die einflussreichen Funktionäre der Bildungseinrichtung transform, Elisabeth Gauthier und Walter Baier (beide gebürtige Österreicher) stellten in einem Artikel vom 16. Juli 2015 die Sachlage so dar, als hätten die EU-Eliten durch ihre konkrete Politik die Idee der „europäischen Einheit“ gefährdet. Dass zur „europäischen Einheit“ unter der Herrschaft des Großkapitals auch eine EU-Kolonie gehört – wie Griechenland es jetzt geworden ist – kommt ihnen nicht in den Sinn. Und sie sprechen die griechische Regierung von jeder Verantwortung für die Niederlage frei. Das sehen bekanntlich weite Teile der griechischen Öffentlichkeit und auch viele Aktivisten der Partei Syriza anders.

 

Umdenken?

 

Die EU-Linkspartei wurde im Jahr 2004 gegründet und sollte nach den damaligen Worten von Walter Baier ein neues Subjekt der revolutionären Veränderung in Europa werden. All jene, die in diesem Projekt das Vehikel der Anpassung von politischen Kräften links der Sozialdemokratie an die EU sahen, wurden als rückwärtsgewandte Sektierer ausgegrenzt.

 

Selbst die negativen Erfahrungen mit der Regierungsbeteiligung der Partei Rifondazione Comunista in Italien oder der KP in Frankreich brachten kein Umdenken. Positive Veränderungen wären nur mehr im Rahmen der EU möglich, wurde gesagt.

 

Als die große Krise 2008 einsetzte, wurde die Sprache innerhalb der EU-Linkspartei wieder radikaler, die gesellschaftliche Entwicklung hatte die Klassenfrage wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Was man aber nicht aufgab, das war die Hoffnung darauf, dass – entweder durch Wahlen oder durch die Einsicht der Herrschenden – eine Reform der EU im Interesse der Bevölkerung möglich wäre.

 

Selbst als die entscheidenden Bewegungen auf nationaler Ebene immer stärker wurden, glaubte man noch immer an den Vorrang der transnationalen, „gesamteuropäischen“ Initiativen. Dass diese nicht stattfanden und dass alle Versuche der EU-Linkspartei auf dieser Ebene Erfolge zu erzielen, scheiterten, nahm man nicht zu Kenntnis.

 

Was jetzt?

 

Was jetzt? Kommunistische Parteien versuchen, Schlussfolgerungen aus der Entwicklung in Griechenland zu ziehen. Die KP Portugals (PCP) erklärt: „Was die Realität, beginnend bei unserem eigenen Land, zeigt, ist, dass die Herrschaftspolitiken und -instrumente der Europäischen Union – vom Euro zum Haushaltsvertrag – der Entwicklung und dem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt entgegenstehen und unüberwindliche Hindernisse für die Entwicklung von Politiken zugunsten der legitimen Interessen und Erwartungen der Völker in Berücksichtigung von Volkswillen und Souveränität darstellen.“

 

Und die steirische KPÖ betont: “Die EU hat unter deutscher Führung ein Exempel statuiert. Anhand des griechischen Beispiels soll demonstriert werden, dass es aus dem neoliberalen Teufelskreis keinen Ausweg gibt. Wer es trotzdem versucht, wird auf internationaler Bühne vorgeführt. Das Signal: Es gibt keine Alternative zu Austerität und Neoliberalismus. Das soll ein für alle Mal in den Köpfen der Menschen in ganz Europa verankert werden. (…) Die steirische KPÖ steht an der Seite der Griechinnen und Griechen, die für eine soziale, friedliche und demokratische Entwicklung ihres Landes eintreten. Eine solche wird es, in Griechenland wie in Österreich, innerhalb der EU nicht geben.“

 

Ausgehend von dieser Analyse muss es jetzt darum gehen, im eigenen Land alle Angriffe auf die sozialen und demokratischen der Bevölkerung abzuwehren und konkrete Formen der Solidarität mit den Menschen in den anderen Mitgliedsstaaten der EU zu finden. Dabei darf auch der Austritt aus der EU kein Tabu sein.

 

Denn das ist ein Hauptfehler der Strategie der EU-Linkspartei: EU und Euro werden als unumstößliche Tatsachen begriffen und nicht als Einrichtungen, die von Menschen geschaffen wurden und von Menschen auch wieder überwunden werden können. Man muss alle Phänomene aber in ihrem inneren Zusammenhang und in ihrer Entwicklung begreifen. Alles kann ein Ende haben, selbst die EU.

 

Wird es in der EU-Linkspartei zu einer Änderung des Kurses kommen? Wird man zu einer grundsätzlichen Kritik an der EU finden? Das wäre positiv. Allerdings gibt es historische Beispiele, die ernüchtern. Der 1. imperialistische Weltkrieg 1914 – 1918 war eine mächtige Widerlegung aller Vorstellungen der reformistischen Sozialdemokratie. Trotzdem ging man in und nach den Revolutionen 1918/1919 noch weiter nach rechts und begriff sich in der großen Weltwirtschaftskrise, die zum Faschismus führte, als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus. Erste Reaktionen – vor allem das übergroße Verständnis für die Taktik von Alexis Tsipras, die ihm den Posten des Ministerpräsidenten rettete, deuten darauf hin, dass wir auch im Jahr 2015 von dieser Seite noch negative Überraschungen erwarten können.

 

Linke-MdB Höger: Oxi auch wenn das den Bruch mit dem Euro bedeutet

Solidaritätsadresse der „Antikapitalistischen Linken“ – AKL – an alle SYRIZA-Abgeordnete, die das Brüsseler Griechenland-Abkommen abgelehnt haben

Liebe Genossinnen und Genossen,

die AKL in Die LINKE Deutschland begrüßt die standhafte Haltung derjenigen SYRIZA-Mitglieder und -Abgeordneten, die das Brüsseler Abkommen als brutales Austeritäts- und Privatisierungsdiktat von Merkel und Schäuble gestern im griechischen Parlament abgelehnt haben.

Das eindeutige Nein von 61% griechischen Bevölkerung gegen die Erpressungen der Troika und insbesondere der deutschen Bundessregierung hat den Menschen in ganz Europa Hoffnungen auf ein Ende der unsozialen Kürzungspolitik gemacht. Die LINKE hat dieses OXI öffentlich auch auf den Straßen und Plätzen in Deutschland unterstützt. Sie wird deshalb am Freitag im Deutschen Bundestag mehrheitlich gegen den dritten ESM-Kredit und seine neoliberalen Auflagen für Griechenland stimmen. Merkel spricht mit ihrem finanziellen Terrorismus für die Banken und Konzerne, die sie mit ihren Krediten retten wollte, aber nicht für die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung, die dafür zur Kasse gebeten wird.

Die Antikapitalistische Linke unterstützt Euren Widerstand gegen alle Versuche, das Ergebnis des Referendums ins Gegenteil zu verkehren und vor den Erpressungen der Troika-Institutionen in die Knie zu gehen. Wir bleiben solidarisch mit Eurem Nein zur Austeritätspolitik, auch wenn dies den Bruch mit der Eurozone und einen Grexit erforderlich macht.

OXI zum Brüsseler Austeritätsdiktat!

OXI zum Europa der Banken und Konzerne!

NAI zur internationalen Solidarität!

Inge Höger – Member of the German Bundestag

Member of the Parliamentary Group DIE LINKE.

„DEUTSCHE GRIECHEN“ UND DEUTSCHES VERSTÄNDNIS FÜR ÖKONOMIE

(Un-) Systematische Bemerkungen zu Griechenland-Nichtverstehern

Bevor die Liberalen und sodann die Konservativen den Wert von Political Correctness für die Disziplinierung der Bevölkerung entdeckten – die Altreaktionäre sind noch immer zu blöd dazu – , gab es in den USA und auch in Frankreich den Ausdruck „weiße Neger“. Gemeint waren jene überangepassten Menschen dunkler Hautfarbe, die sich bemühten nur ja keinen Anschein der Solidarität mit ihren Genossen gleicher Herkunft aufzubringen. Sie wollten „integriert“ sein in der herrschaftlichen weißen Gesellschaft, und dazu mussten sie beweisen, dass sie überangepasst waren.

In einem vergleichbaren Sinn gebrauche ich nun die Wendung „deutsche Griechen“. Davon gibt es genug, denn es gibt immerhin auch viele Gewinner der derzeitig katastrophalen Situation. Und darüber hinaus haben viele Griechen aus „guten Familien“ in Deutschland und Österreich studiert und dort die hegemoniale Ideologie eingesogen, vor allem, wenn sie Ökonomie studierten.

Die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn hat nun ein umfangreiches Buch veröffentlicht: Die Krise in Griechenland. Das wird zum größten Teil von solchen deutschen Griechen bestritten. Herausgegeben wird es allerdings von einem ehemaligen deutschen Botschafter in Griechenland: Man muss schließlich vorsichtig sein; den Griechen kann man nicht trauen. Die schreiben u. U. tatsächlich etwas, was sie nicht sollen.

Trotz des allzu offensichtlichen Zwecks und trotz dessen, dass auf den 546 Seiten ausgiebig das Blabla der deutschen Zeitungen wiederholt wird, ist es doch nützlich, dieses Opus zu lesen. Es gibt auf vereinzelt gute Beiträge, z. B. jener von Korinna Schönhärl über frühere Fälle von Staatsbankrott in Griechenland (182 – 197). Und vor allem gibt es eine ganze Menge an Informationen und Daten, die man als Einzelheiten trotz allem hier findet. Wer weiß schließlich, dass bereits mit dem ersten Memorandum 2010 ein „unabhängiger Finanzstaatssekretär“ mit einer unkündbaren fünfjährigen Amtszeit eingesetzt wurde, also ein de facto-Finanzminister, der niemandem außer natürlich dem Geist seiner Auftraggeber verantwortlich ist?

Auf diese Weise findet man eine Menge von Einzel-Informationen und wird auch weiter geleitet, zu Daten aus internationalen Organisationen, die von großem Wert sind. Man sieht da etwa, dass der griechische Schuldenstand im Jahr 2000, vor der Einführung des Euro, 104,6 % des BIP betrug; aber auch 2007, im letzten Jahr vor der Finanzkrise, war er nur 107,2 %, ist also in dieser Zeit nur sehr geringfügig gestiegen. Dann allerdings schoss er trotz eines Schuldenschnitts in die Höhe, auf 177,2 % im Jahr 2014. Zu diesem „Schuldenschnitt “ ist allerdings noch etwas zu sagen: Er war im Grund die Reduzierung der privaten Schulden auf einen Stand, der über den damals (2012) auf dem Markt für die griechischen Papiere erhältlichen Werten lag. Er war im Wesentlichen eine Übernahme der privaten Schulden durch die öffentlichen Hände der anderen EU-Staaten zu einem Preis, der für die Privaten sehr günstig war.

Aber zurück zu den Zahlen: Kann es etwas Aussagekräftigeres über das Crash-Programm („Sparen“) geben, als die Tatsache, dass in der Zeit der angeblichen Verschwendung die öffentliche Schuld als Anteil am BIP kaum zunahm, dann aber in untragbare Höhen aufstieg?

Doch es geht mir hier um etwas viel Grundsätzlicheres. Im privaten Bereich, der in der Regel ja völlig ausgeblendet wird, stieg der Schuldenstand im Süden enorm. Wenn man da näher hinsieht, ist man vorerst etwas verwirrt. Ein Großteil der privaten Schulden wurden investiert. Das wäre doch genau das, was die ökonomischen Lehr- und Traumbücher sich wünschen. Aber man muss noch etwas genauer hinsehen. Diese „Investion“ ging nämlich in Spanien und Irland vor allem, fast ausschließlich, in den Wohnbau. In Griechenland geschah dies auch, aber nicht ganz im selben Ausmaß.

Und damit sind wir beim Thema. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) benutzt Kategorien, die in Wirklichkeit oftmals unbrauchbar sind, insbesondere in Zeiten von Krisen. Wohnbau wird, nach dem Alltagsverständnis, doch wohl am besten als Ankauf eines langlebigen Konsumguts zu betrachten sein. Allerdings ist jedes Gut, jede Ware, in einem System auch eine Investition, die Geld grundsätzlich als Kapital betrachtet. welches Ertrag bringen muss. In einer bestimmten Perspektive hat dies also Sinn.

Wenn man allerdings Wirtschaft immer vor allem als Realwirtschaft betrachtet, nichts sosehr als Ansprüche der Finanz-Oligarchie, dann werden sollche Kategorien nutzlos.

Das mag als eine recht technische Erörterung erscheinen. Da aber die VGR das empirische Um und Auf der Ökonomie ist, da sie im Grund die einzige Basis ist, auf der wir durch Daten gesichert diskutieren können, sit das von ganz basaler Bedeutung.

Den klügeren Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnern in den Statistischen Ämtern braucht man dies übrigens nicht zu sagen. Die wissen über die Defizienzen ihres Faches recht gut Bescheid. Aber der Öffentlichkeit werden die Ergebnisse dieser Schätzungen stets als Moses und die Propheten vermittelt. Das gilt nicht zuletzt auch für die Angehörigen der halb-offiziellen Wirtschaftsforschungs-Institute. In Österreich ist das das WIFO. Man soll gar nicht mehr auf die Idee kommen, die Qualität, die Grundlage ihrer Aussagen, die oft genug nichts als neoliberale Ideologie sind, in Frage zu stellen.

Auf die Beiträge in diesem Buch möchte ich gesondert noch einmal zurück kommen.

  1. Juli 2015