Demonstration gegen EU-Sondergipfel in Rom

Wir dokumentieren im Folgenden den Aufruf eines breiten Bündnisses italienischer Organisationen zum Protest gegen das Treffen der EU in Rom. Die Träger dieser Initiative (Liste der Organisationen und Personen siehe Originalaufruf unter www.eurostop.info/909-2/) stellen einen wichtigen Kern der linken Opposition in Italien dar, die für den Euro-Austritt des Landes eintritt. Bereits am 11.-12. März fand in Rom eine Konferenz der europäischen Plan-B Bewegung statt, die Alternativen zu Euro und EU diskutierte (http://www.euro-planb.it/index.php/il-documento/) . Die Demonstration am 25. März steht ebenfalls in diesem Kontext, wobei angesichts der Tiefe der Krise in Italien für die Organisatoren sich ein Weg außerhalb des Euro als unerlässlich darstellt, um einen wirtschaftlichen und sozialen Neubeginn des Landes zu ermöglichen.

 

Aufruf zur Demonstration am 25. März gegen den EU-Sondergipfel zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge

Am 25. März wir in Rom der 60. Jahrestag der Römischen Verträge „gefeiert“ mit der Teilnahme von 28 Staatsoberhäuptern. Die Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 gilt als die Geburtsstunde der Europäischen Union. In Wirklichkeit gibt es aber an diesem Jubiläum gar nichts zu feiern, denn die Entstehung der EU und die Einführung des Euro als einheitliche kontinentale Währung haben folgende Konsequenzen gehabt:

  • Eine deutliche und weit verbreitete Verschlechterung der Einkommen und des Lebensstandards der Arbeiterklasse, der Unterschichten und der Mittelklasse, oft bis an die Armutsgrenze, insbesondere im Süden Europas.
  • Eine Beschränkung der Demokratie durch die Anwendung von Verträgen, die die wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen zentralisieren und damit die Souveränität der europäischen Völker beschränken. Die von Renzi vorgeschlagene und durch ein Referendum abgelehnte Verfassungsreform diente genau dieser Entdemokratisierung.
  • Ein militärischer Interventionismus, der die Konflikte vermehrt, von der Ukraine bis zum südlichen Mittelmeer, insbesondere in Syrien und Libyen, und die dramatische Migration der in den Krieg involvierte Völker hervorgebracht hat.

Dies sind die Konsequenzen eines institutionellen Konstrukts, das heute noch dazu daran scheitert, eine tiefe ökonomische und soziale Krise zu bewältigen, bewiesen hat und somit die Unfähigkeit der herrschenden Klassen des Kontinents zeigt.

All dies vollzieht sich in einem Klima des wachsenden internationalen ökonomischen und militärischen Wettbewerbes, das heute von Trumps Präsidentschaft in den USA, auch durch die Wiederaufnahme der nuklearen Aufrüstung, angeheizt wird. Die Antwort der EU ist ein erneuerter, auch militärischer Protagonismus, wie er auch von Federica Mogherini, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, auf der Konferenz in Deutschland am 57. Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, proklamiert wurde.

Aus all diesen Gründen sind wir der Überzeugung, dass der 25. März kein feierlicher Tag ist, sondern ein Tag des Kampfes und Mobilisierung gegen das Treffen in Rom werden soll.

Wir werden in Rom demonstrieren, um unseres Nein gegen Euro, EU und Nato und für Demokratie und soziales Rechte zu bekräftigen.

 

Oben und unten bei der Präsidentenwahl … und nichts davon wählbar.

Wenn man in die liberale Mittelschicht, die „Gebildeten“ und „Aufgeklärten“, hineinhört – etwa an den Universitäten – dann spürt man eine Weltuntergangsstimmung: Brexit, Trump und nun vielleicht bei uns Norbert Hofer und dann HC Strache. An den Elfenbeinturm der Wenigen, die noch ihre individuelle Freiheit in Berufs- und Alltagsleben ausleben können, schlägt die Brandung einer um sich greifenden Unzufriedenheit, die mittlerweile Mehrheiten von den etablierten Parteien des Systems abfallen lässt. Diese Polarisierung versinnbildlichen auch die österreichischen Präsidentschaftskandidaten: der grüne Professor Van der Bellen ist Symbol für Intellektualität und Liberalismus, der blaue Hofer Repräsentant des Wutbürgers. Sozial ist Van der Bellen das Liebkind von allen mit Mittelschulbildung aufwärts, Hofer von jenen mit Pflichtschule abwärts.

Die Gebildeten mögen einwenden, dass doch liberale Freiheiten und Demokratie Errungenschaften für alle seien. Nun meine Lieben: früher hatten sich Euresgleichen noch dafür aufgeopfert, dass die schmutzige Unterschicht einmal die Chance bekommt, sich frei und demokratisch selbst zu bestimmen und nicht nur die sozial Bessergestellten. Heute ist euer Ruf nach Panzerung des Systems nicht mehr zu überhören. Darum die Liebe zu Van der Bellen, der einer Partei (FPÖ), die angeblich mit dem EU-Austritt liebäugelt, nicht die Kanzlerschaft geben würde, auch wenn sie die Wahlen gewinnt. Die demokratischen Werte sind ins Gegenteil verkehrt: zu ihrer Verteidigung wird die Demokratie zugunsten des Zensus der Gebildeten abgeschafft. Wenn es um die EU geht, würde der ruhige Professor wohl schon von seiner Position als Oberbefehlshaber des Bundesheers Gebrauch machen, um die den Kanzler fordernden FP-Wähler von der Straße zu fegen. Ist man sich da eigentlich bewusst, dass so ein Szenario (Nicht-Angelobung eines HC Strache mit fast 10 % Stimmenvorsprung; Öxit-Hysterie aus Brüssel) ein Spiel mit dem Feuer und ein Bärendienst an der FPÖ ist?

Der Hofer wählende Wutbürger wiederum wird fragt, was denn gegen die FPÖ einzuwenden sei, spreche sie doch offenbar die Sorgen der Mehrheit an. Leider sind diese Sorgen nun einmal ein chauvinistisch überprägtes Empfinden, dass man aus dem bröckelnden klassenübergreifenden Haus der westlichen Mittelschichtgesellschaft in ein neues Unterklassendasein hinausgeworfen wird. Der reale und/oder bevorstehende soziale Abstieg hat noch kaum neues Klassenbewusstsein mit neuer politischer und kultureller Identität hervorgebracht, das in die Lage versetzt, zwischen Profiteuren aus der globalisierten Elite und Opfern der Globalisierung zu unterscheiden. Und diese Blindheit der Unterschicht bestärken die erneuerten Altrechten mit ihrer Ausländerfeindlichkeit natürlich. (Die Rauschers, Ortners und anderen Kommentatoren der liberalen Presse sollten sich übrigens über diese Stimmung am wenigsten wundern: sie haben ja seit fast zwei Jahrzehnte die Verteidigung „unserer“ Werte gegen die rückständigen, demokratieunfähigen Moslems gepredigt. Heute ernten sie ihre Saat.)

Die wichtigste Tatsache aber bleibt: Van der Bellen ist der Kandidat jener (nationalen und supra-nationalen) Eliten, die den Weg in die gesellschaftliche Sackgasse anführen, in die uns das neoliberale (Euro-)Regime gebracht hat: Zerstörte sozialstaatliche Sicherheitsnetze, aufgekündigte Arbeits- und Pensionsrechte, abgeschaffte demokratische Regulationsmöglichkeiten. Mit der verlängerten Wirtschaftskrise seit 2008 hat die Ideologie, dass dies alles für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand nötig sei, heute ihre Glaubwürdigkeit verloren. Das ist die Strömung, auf der der Rechtspopulismus daher schwimmt, aber auch die neuen Alternativen von links, die zumindest in Südeuropa Hoffnung machen.

Natürlich verhindert in Österreich und den anderen Zentrumsländern Europas eine kleine, linke Alternative, die die Wut der Menschen gegen die Eliten ernst nimmt und aufgreift, noch nicht die gegenwärtige Hegemonie der Rechtspopulisten über die Globalisierungsverlierer. Die liegt sozial und ideologisch tiefer begraben. Aber wer versucht die Rechten mit einer Stimme für den Kandidat der Eliten aufzuhalten, der zeigt vor allem seine sozialdarwinistischen Vorurteile, dass ihm das neoliberale Establishment letztlich doch näher steht als dessen Verlierer. Gerade in einer Zeit, wo diesem Establishment die Kontrolle über sein System aus den Händen zu gleiten beginnen, verbaut das mit Sicherheit alle Möglichkeiten auf eine Alternative.

Gernot Bodner (Dozent an der Universität für Bodenkultur; als Verortungshilfe: kulturell fortschrittlich, politisch linksorientiert).

 

Spanien: „Gegen die politische Erpressung der Europäischen Kommission“

Vorwort von EuroExit

In dem im Folgenden abgedruckten offenen Brief wenden sich 140 Wissenschaftler, Gewerkschafter, politische und soziale Aktivisten sowie Abgeordnete aus dem spanischen Staat gegen das europäische Austeritätsdiktat, mit dem Brüssel eine kommende spanische Regierung auf den „Budgetsanierungspfad“ verpflichtet – unter Androhung der Suspendierung der Mittelauszahlung aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).

Im (Neu)Wahlkampf vor dem 26. Juni hatten alle Parteien versprochen, keine weiteren Ausgabenkürzungen vorzunehmen. Die regierende Volkspartei (PP) wollte ihre „Erfolgsstory“ der wachsenden spanischen Wirtschaft nicht verschandeln. Als dann das Verfehlen der Defizitziele herauskam, schrieb man rasch einen geheimen Brief an Junker (der dummerweise im Wahlkampffieber am 23. Mai öffentlich wurde), dass man sich als künftige Regierung durchaus an das Brüsseler Diktat halten werde, es nur jetzt noch nicht sagen könne.

Nun hat sich zwischenzeitlich – nach einem internen Putsch gegen Sozialisten-Parteichef Pedro Sanchez am 1. Oktober – in der spanischen Sozialdemokratie wieder ihre Seele als Regimestütze – geführt von der andalusischen Regionalregierungschefin Susana Diaz, GAL*-alt-Premier Felipe Gonzales und ihrer Medienmaschine mit El País – durchgesetzt und die Gruppe der „Politmanövrierer“ um Pedro Sanchez ausgeschaltet, die alles versucht hatte, den Kampf um die Führungsposition in der spanischen Linken gegen Pablo Iglesias Unidos Podemos-Koalition zu gewinnen, auch um den Preis eines dritten Wahlgangs.

In einer Art, die wohl nur Sozialdemokraten erfinden können, wird nun demnächst Mariano Rajoy und seine PP nach 10 Monaten und zwei Wahlen mit sozialdemokratischer Duldung eine Regierung bilden können: die PSOE sichert ihm mit der Stimmenthaltung von 11 ihrer Abgeordneten eine Abstimmungsmehrheit im Parlament um eine Stimme (170 pro vs. 169 contra) zu, während der Rest der sozialdemokratischen Abgeordneten gegen Rajoy stimmen wird. Es glaubt wohl kaum einer, dass so die beiden Lager in der PSOE – jenes von Sanchez, dass für ein striktes Nein zu einer PP Regierung war, und jenes von Diaz/Gonzales das für eine Enthaltung und Regierungsbildung der PP stand – beide zufrieden gestellt und versöhnt werden. Es geht nur um eines: die Regimepartei PSOE sichert die von den faktischen Mächten in Spanien und Europa geforderte Stabilisierung mit einer handlungsfähigen Regierung ab.

Wieweit dies die politische Lage im spanischen Staat tatsächlich beruhigen wird, bleibt abzuwarten. Rajoy wird bald, wie von der EU-Kommission gefordert, mit neuer Austeritätspolitik beginnen – voraussichtlich Pensionskürzungen und Kürzungen der Mittel für die Regionalregierungen – und der Machtkampf innerhalb der PSOE ist nur vorrübergehend befriedet (Sanchez kündigte an, beim nächsten Parteitag, den die interimistische Spitze weit ins nächste Jahr hineingelegt hat, um die Wogen zu glätten, wieder anzutreten). Unmittelbar wird es zwar keine Neuwahlen geben, obwohl die PP kurz nach dem Putsch gegen Sanchez damit geliebäugelt hat. Man stellte die PSOE vor die Forderung einer Zustimmung zum Budget der nächsten drei Jahre und damit einer stabilen Legislaturperiode oder es werde Neuwahlen geben, bei denen sie vernichtet werde. Aber da pfiffen die Mächtigen den Übereifer der PP zurück. Das wäre dann doch zu viel der Provokation und Neuwahlen, bei denen Unidos Podemos massiv vom sozialdemokratischen Debakel profitieren würde, wollte in Brüssel dann doch niemand.

So ist zu erwarten, dass die Lage in Spanien weiter instabil bleibt und, was wohl das positivste Ergebnis der Manöver und Scharmützel der letzten 10 Monate ist, die neue Linke von Unidos Podemos geht mit einer guten Ausgangsposition gegen eine zerrüttete Sozialdemokratie in diese nächste Periode.

Gernot Bodner

*GAL Grupos Antiterroristas de Liberación. Siehe Wikipedia: verdeckt agierende paramilitärische Gruppen, die in der Zeit von 1983 bis 1987 als Todesschwadronen in Spanien und Frankreich aktiv waren und die Bekämpfung der baskischen Untergrundorganisation ETA und des baskischen Separatismus zum Ziel hatten. (…) Die GAL-Gruppen wurden illegal von hohen Funktionären der spanischen Regierung während der Amtszeit des sozialistischen Ministerpräsidenten Felipe González ins Leben gerufen. Sie wurden vom Innenministerium für den Kampf gegen die ETA geführt, finanziert und protegiert.

 

Erklärung

“For the defence of the people’s dignity, we must refuse the threats, political blackmail and intervention from the “Eurogroup and European Commission”

Before the servitude of the Spanish government and the political agents who negotiate and prepare new budget and public expenditure restraints for the accomplishment of the 2017 deficit objectives dictated by the Eurogroup and European Commission, the undersigned address to the citizenship, and political, social and civic organisations, for:

  1. To defence the sovereignty and dignity of citizens and peoples of the Spanish State before the brutal pressure exercised by the European Commission which threats with the suppression of the structural funds regularly envied to the Spanish State. This restriction could mean a loss of more than 1 milliard euros if the Spanish government can’t accomplish the objective of 15 milliards euros’ cutback in order to obtain a public deficit of 3,1% in 2017 (2,2% in 2018). The Spanish government must show the accomplishment of this cutback in Brussels before the 15th October.
  2. To refuse the arbitrariness and unequal treat of the EU institutions in their relations with the different state members. Is intolerable the omission of application in the past the sanctions for non-fulfilment of Maastricht criteria and the “Stability Pact” about public deficit in the case of states like Germany and France, whereas states like Greece were punished with measures that cause a great social suffering, the bankruptcy of the State and the obstruction of an effective exit from economic crisis. We firmly oppose against the application of new measures of punishment at Spain and Portugal, as at the rest of the EU members.
  3. To rebel against the unsuccessful austerity and pro-cycle politics which are imposed by the EU institutions, in spite of the social disaster, the grow of injustice and inequality brought on by this politics. Besides this politics have produced a political crisis with the growing delegitimisation of the parliaments and governments of the States members, and a growing euro-scepticism towards the EU project.

When those who hold the real power in EU don’t want to attend the citizens’ protest and indignation, undervalue the consequences of Brexit, remain insensible before the critics about their neoliberals economic politics expressed by economists of international prestige, even the opinions of institutions like IMF, the peoples of states members of the EU must say stop it! and following the example of United Kingdom break the chains which condemn us to a future without hope.

As a consequence, we call at the citizenship, the workers, the social and political organizations of all the peoples in the Spanish State to fight against the offensive, irrational and unfair “diktat” of Eurogroup and European Commission, to mobilize in order to press the provisional government for the no application the budget and public expenditure restraints derived from those impositions, to interpellate the parliamentary members to prevent with their participation the legitimisation of agreements which betray the interest and sovereignty of the peoples of Spanish State.

Is time to say Stop! To the injustice, the arbitrariness y treason to the popular sovereignty.

We must uphold our dignity breaking the treaties which enslave us, abolishing the article 135 of Spanish Constitution, and recovering the popular sovereignty.

October 2016

  1. Julio Anguita González
  2. Juan Andrade, profesor Universidad Extremadura
  3. Alejandro Andreassi Cieri, profesor UAB (jubilado)
  4. Jorge Amar Benet, economista. Presidente de APEEP (Asociación por el Pleno Empleo y la Estabilidad de Precios)
  5. Antonio Amaro Granado, jubilado del sindicato de sanidad de CCOO, miembro de la comisión ejecutiva de CCOO-A
  6. Mariano Aragon Pascual, ACIM
  7. Vidal Aragonés Chicharro, abogado del Col·lectiu Ronda y Profesor Derecho del Trabajo de la UAB
  8. Antonio Arnau, activista social
  9. Maria Antònia Arnau Puigvert, jubilada, Assemblea Pensionistes de Gràcia
  10. María José Aubet Semmler, socióloga, activista contra todos los tratados de la UE desde el de Maastricht
  11. Antonio (Toni) Barbará Molina, médico y activista Marea Blanca
  12. Josep Bel Gallart, sindicalista
  13. Javier Bernad Aguilar, activista de EUiA y de CO.BAS
  14. Nuria Blanco de Andres, jubilada
  15. Luis Blanco Maldonado, portavoz de la Intersindical Alternativa de Catalunya (IAC)
  16. Ramon Boixadera Bosch, economista
  17. Jaume Botey Vallès, profesor historia UAB
  18. Josep Manel Busqueta, Economista, miembro del Seminario de economía Critica „Taifa“ y pastelero
  19. Jose Cabrero Palomares, ex-diputado en el parlamento andaluz y ex-senador de IU
  20. Miguel Candel Sanmartin, profesor emérito de la Universidad de Barcelona
  21. Manuel Cañada, miembro de los Campamentos Dignidad
  22. Rosa Cañadell Pascual, profesora jubilada. Articulista. Comisión Promotora #ilpeducacio
  23. Juan-Ramón Capella Hernández, catedrático emérito de Filosofía del derecho, moral y política.
  24. Marta Carrera Plans, medica jubilada
  25. María Teresa Cebrián Luque, secretaria médica, miembro de la Mesa de Catalunya y de la Mesa Estatal del FCSM
  26. José Luis Centella Gomez, secretario General del Partido Comunista de España
  27. Luis Cerrillo Escudero, activista social
  28. Dolores Codina Camats, docente
  29. Manuel Colomer Lluch, economista
  30. José Alberte Corral Iglesias, economista
  31. Jorge Cortegana López, sindicalista SEAT
  32. Angel Crespo Sanchez, activista social
  33. Sergi Cutillas, economista co-fundador de la cooperativa Ekona, miembro de la Plataforma para la Auditoria Ciudadana de la Deuda
  34. Xesus Diaz Diaz, jubilado, secretario general de CCOO de Galicia (1989-2000)
  35. Isabel de la Cruz, profesora Universidad de Valencia
  36. Eva Mª Durán Blanco, periodista
  37. Íñigo Echenique González, profesor IES José Luis Sampedro (Tres Cantos)
  38. Albert Escofet Sanchez, miembro de Xsuc-Socialisme21
  39. Neus Escofet Sanchez, activista social
  40. Jone Etxeberria, miembro del Consejo Nacional de Sortu
  41. Ginés Fernández González, director de Mundo Obrero
  42. David Fernandez Ramos, periodista y activista social
  43. Santiago Fernández Vecilla, activista de movimientos sociales (PAH, FCSM)
  44. José Ignacio Fiz Fernández. Profesor de la Universidad Rovira i Virgili
  45. Ramon Font Nuñez, portavoz nacional USTEC·STEs (IAC)
  46. Ramón Franquesa Artés, profesor de economía mundial Universidad de Barcelona
  47. José L. Galán Corrochano, realizador audiovisual
  48. Ferran Gallego, historiador
  49. Francisco García Navarro, metalúrgico
  50. Ermengol Gassiot Ballbè, profesor de la UAB
  51. Maria Pilar Genovès Cailà
  52. Iñaki Gil de San Vicente, escritor, militante de la izquierda vasca
  53. Antonio Gil Mainar, activista Marea pensionista
  54. Ernesto Gómez de la Hera, sindicalista
  55. Daniel Gómez de Cullá, jubilado de Administración Local
  56. Manuel Gomez Muñoz, miembro del Comité de empresa y de la Sección Sindical de CCOO en DAMM
  57. Andrés Gomez Pardeiro, proletario y sindicalista
  58. Luis González Edreira, jubilado
  59. José Antonio González Espada, abogado laboralista
  60. Alberto Herbera López, metalúrgico, activista social
  61. Juan Diego Hernández Valero, abogado
  62. Héctor Illueca Ballester, inspector de Trabajo y Seguridad Social, profesor de la Universidad de Valencia
  63. Pedro Jiménez Muñoz, activista de las Mareas del Prat de Llobregat
  64. Pere Jódar Martínez, sociólogo
  65. Salvador Jové i Peres, ex-eurodiputado por IU
  66. Salvador López Arnal, profesor-tutor de la UNED, colaborador de rebelión, Papeles ecosociales y El Viejo Topo;
  67. Pedro López López, profesor Universidad Complutense
  68. Antoni Lucchetti Farré, abogado y economista
  69. Pau Llonch, militante de la CUP y de la PAH de Sabadell
  70. Josefina Llusa, activista
  71. Angeles Maestro, militante de Red Roja
  72. Juanmari Madariaga López de Sá, traductor
  73. Patrizia Manzo Apice, restauradora de pintura en paro
  74. Mercedes Martin Arancibia, periodista
  75. José Luis Martin Ramos, historiador
  76. Carlos Martinez García, primer secretario de Alternativa Socialista
  77. Manuel Martínez Llaneza, profesor titular de Universidad Jubilado
  78. Jordi Santiago Martínez, profesor de español, miembro del colectivo Sentit Comú
  79. Albert Medina Català, economista
  80. Stuart Medina Miltimore, Socio/Partner
  81. Joan Mestres Giménez, activista Movimiento Desempleados
  82. Elena Mingo Pérez, ex-funcionaria internacional jubilada
  83. Jordi Mir Garcia, investigador y docente universitario
  84. Luis Miranda Morales, responsable Secretaria Personas Mayores del PCM
  85. Joaquín Miras Albarrán, presidente de Espaimarx, filólogo
  86. Francisco Molina Varona, educador Social, Presidente de FAECTA Córdoba, activista del cooperativismo como alternativa al capitalismo
  87. Isabel Molina, profesora Universidad de Alcalá
  88. Neus Molina Moreno, sindicalista
  89. Ivan Molinos Meire, delegado de CCOO
  90. Juan Carlos Monedero Fernández, profesor de Universidad
  91. Manolo Monereo Perez, diputado de Unidos Podemos
  92. Jordi Juan Monreal, abogado laboralista
  93. Juan Montero Ruiz, pensionista
  94. Pedro Montes Fernández, economista, Presidente Socilaismo21
  95. Antoni Montserrat, economista
  96. Agustín Moreno García, activista Marea verde
  97. Juan Manuel Navarro Reina, conserje escuela pública
  98. Carlos Manuel Navas Ramírez, director del Centro Integrado Público de Formación Profesional
    Canastell (San Vicente del Raspeig – Alicante)
  99. Jonas Nilsson, tipógrafo y activista social
  100. Joan Josep Nuet Pujals, diputado de Catalunya si que es pot
  101. Arcadi Oliveres i Boadella, economista, activista por la justicia social y la paz
  102. Ignasi Orobitg Gene, agricultor apicultor
  103. Marta Padrós Castells, profesora de la UAB, secretaria de género de CGT
  104. Giaime Pala, historiador
  105. Gumer Pardo, sindicalista
  106. Josep Maria Parramón Homs, economista
  107. Silvio Peressini Prado, profesor
  108. Marina Pérez Cañadell, profesora y sindicalista de USTEC-STEs (IAC)
  109. Miquel-Dídac Piñero Costa, libertario, pensionista
  110. Andrés Piqueras Infante, profesor Titular de Sociología y Antropología Social de la Universidad Jaume I de Castellón
  111. Guillem Ramis Moneny, maestro de escuela jubilado
  112. Valentín Redondo González, empleado público
  113. Clara Rivas Sugrañes, activista social
  114. Juan Rivera Reyes, profesor de Historia, Coordinador de la Mesa Estatal del Frente Cívico „Somos Mayoría“
  115. Martín Rodrigo y Alharilla, profesor de Historia Contemporánea en la UPF
  116. Lara Rodríguez, abogada
  117. Lluís Rodríguez Algans, economista asesor laboral en Maitzaren Lehena Aholkularitza / Consultoría Primero de Mayo y militante en redes de economía crítica y autogestionaria
  118. Abelard Rodríguez i Llàcer, operario industrial
  119. Manuel Rodríguez Luceño, laboral Consejería Medio Ambiente Junta de Andalucia
  120. Pedro Rojas Planas, profesor de enseñanza secundaria
  121. Antonio Ruiz, miembro de Espai Marx
  122. Jose Ruiz Lopez, sindicalista y activista marea pensionista
  123. Manuel Sánchez Vicioso, vicepresidente de La Carta Malacitana, vocal del Ateneo de Málaga
  124. Maria Cruz Santos Santos, historiadora
  125. Gabriel Sanz Carras, profesor
  126. Teresa Sagrado Vives, técnico de laboratorio, Universidad de Valencia
  127. José Sarrion Andaluz, profesor de Universidad, diputado por IU en las Cortes de Castilla y Leon, coordinador general de IU de Castilla y Leon
  128. Jose Saucedo Pedregal, bombero de la Generalitat
  129. Rosario Segura García, economista
  130. María Lidia Senra Rodríguez, diputada en el Parlamento europeo por AGE
  131. Santiago Silva Camps, profesor de filosofía
  132. Antoni Soy Casals, profesor de Economía Aplicada, Universidad de Barcelona
  133. Joan Tafalla Monferrer, miembro de Espai Marx, Doctor en Historia
  134. Diosdado Toledano González, activista de Marea de mareas, miembro de la Asamblea Politica Social de Izquierda Unida y de Socialismo21
  135. Jordi Torrent Bestit, profesor (jubilado)
  136. Salvador Torres Serrano, activista movimiento vecinal Nou Barris-Barcelona
  137. Rodrigo Vázquez de Prada, periodista, director de Crónica Popular
  138. Juan Trias Vejarano, catedrático emérito de la UCM
  139. Núria Vidal de Llobatera Pomar, bióloga jubilada, activista por la justicia social y ambiental
  140. Nando Zamorano, miembro de Espai Marx

 

Italien: No Renzi Day

Aufruf zu den Aktionstagen am 21. und 22. Oktober

Die Idee einer nationalen Demonstration gegen die Regierung Renzi und in Unterstützung der Kampagne für das NEIN beim Verfassungsreferendum wurde von der Koordination Eurostop aufgebracht und von anderen politischen und sozialen Bewegungen aufgenommen, darunter auch Programma 101. Die Demonstration wird am Samstag den 22. Oktober in Rom stattfinden, im Anschluss an den Generalstreik am 21. Oktober, der durch die USB und andere Basisgewerkschaften ausgerufen wurde.

 

Aufruf von P101 zur Teilnahme an der Mobilisierung am 21. und 22. Oktober

Programma 101 (P101) schließt sich den beiden nationalen Mobilisierungstagen am 21. und 22. Oktober an, um laut NEIN zur Verfassungs-Gegenreform zu sagen. Wir unterstützen den Streikaufruf für den 21. Oktober und rufen dazu auf, massiv an der Demonstration am 22. Oktober in Rom teilzunehmen.

Das Verfassungsreferendum am 4. Dezember ist für die Entwicklung der politischen Krise im Land ein entscheidender Wendepunkt.

Ein Sieg des JA wäre ein weiterer Schritt in Richtung eines oligarchischen Regimes unter dem Kommando der internationalen Großfinanz und würde Renzi neue Luft zum Atmen geben, um seine gegen das Volk gerichteten Maßnahmen fortzusetzen. Ein NEIN dagegen würde verhindern, dass weiter die Souveränität und die demokratischen Errungenschaften im Land aufgegeben würden und könnte den Beginn einer neuen Phase mit wichtigen Spielräumen für alle Kräfte einläuten, die eine Alternative zum gegenwärtigen Lauf der Dinge anstreben.

Es geht also um eine entscheidende Auseinandersetzung, für die alle Kräfte gebündelt werden müssen. In diesem Sinn können die beiden Tage des 21. und 22. Oktober einen wichtigen Beitrag leisten, alle Sektoren der Gesellschaft zu aktivieren, die ein Interesse an der Verteidigung der Verfassung haben, um NEIN zu einer Gegenreform zu sagen, die durch die Europäische Union gewünscht und unterstützt wird, und um damit Renzi und seine Regierung nach Hause zu schicken.

Wir verschweigen nicht, dass wir uns eine klarere und explizitere Plattform gewünscht hätten, entschlossener im Herausstreichen der notwendigen Massenmobilisierung der Bevölkerung, schärfer in der Anklage der undemokratischen Rolle einer EU, die sich im offenen Zerfall befindet, stärker im Versuch alle zur Aktion auch auf lokaler Eben (wie wir es seit Monaten machen) zu bewegen, für die Bildung von Volkskomitees für das NEIN wo immer es möglich ist.

Für den Ausgang des Referendums wird es darum gehen, sich der vollen Tragweite der Auseinandersetzung bewusst zu werden, die Verknüpfung mit den wichtigsten Elementen der Wirtschafts-und Sozialpolitik aufzuzeigen und den Hauptfeind auszumachen – die Finanzoligarchien und die Euro-Diktatur in Brüssel.

In diesem Bewusstsein und im Geist der Einheit, der uns alle dazu bewegen sollte an der größtmöglichen Vereinigung aller Kräfte zu arbeiten, mobilisieren wir für den Erfolg des Streiks am 21. Oktober (dem sich, zu deren Schande, nicht alle Organisationen der Basisgewerkschaftsbewegung angeschlossen haben) und werden am 22. Oktober auf der Demonstration in Rom unter dem Slogan „Weg mit der €uro-Diktatur“ anwesend sein.

P101 – Movimento di Liberazione Popolare

Ein Wettlauf mit der Zeit.

No-Euro Forum in Italien sucht gemeinsame linke Exit-Strategie

Der Austragungsort des dritten europaweiten No-Euro-Forums, Chianciano Terme in der Toscana, kann selbst als Symbol der Dringlichkeit einer Exit-Strategie aus dem Korsett der Währungsunion herhalten: in den 80er Jahren ein blühender Thermenort mit hunderten Hotels, in denen Arbeitnehmer und Pensionisten Kuraufenthalte verbrachten, finanziert aus einer wachsenden Wirtschaft und den ihr abgerungenen sozialen Rechten. Die Infrastruktur wirkt heute, nach 30 Jahren ohne Erneuerung, bizarr (modern gesagt „retro“) und vor allem steht sie weitgehend leer nach eineinhalb Jahrzehnten des wirtschaftlichen Niedergangs mit Rückbau des Sozialstaats und einer wachsenden Schar an Arbeitslosen und Prekären ohne Zugang zu sozialer Absicherung. Die Kongresse, die Chianciano seither regelmäßig in seinen überdimensionierten und damit billigen Unterkünften beherbergt (im Juli tagte hier etwa die Sommeruniversität der Europäischen Linken), können den Ruin des Ortes nicht aufhalten. Die große Therme des Ortes wurde jüngst von einer der italienischen Krisenbanken an einen US-amerikanischen Investor verjubelt.

Das No-Euro Forum in Chianciano brachte linke Organisationen mehrerer EU-Staaten und der Ukraine zusammen, deren Konsens der Bruch mit der Währungsunion ist. Über diese gemeinsame Plattform hinaus wurde durchaus auch intensiv die Frage diskutiert, wieweit der Euro vom Projekt EU zu trennen sei. In einem Diskussionsforum zur wirtschaftlichen Krise brachte es der italienische Wirtschaftsprofessor Ernesto Screpanti von der Universität Siena auf den Punkt: eine Änderung der Währungspolitik, ein Euro-Exit mit Rückkehr zu den nationalen Währungen, alleine sei nicht ausreichend; es brauche eine aktive Konjunkturpolitik, staatliches Eingreifen in die Wirtschaft. Der nicht optimale Währungsraum des Euro sei nicht zu trennen vom marktradikalen Korsett der EU-Verträge und ihrer Institutionen.

Die Mehrheit der teilnehmenden Organisationen in Chianciano kam aus der südeuropäischen Peripherie. Der seit der Krise 2008 beschleunigte wirtschaftliche Niedergang, die soziale Krise und die Erfahrung einer von Brüssel und Deutschland oktroyierten Austeritätspolitik haben in diesen Ländern die Zustimmungsraten zur EU massiv absinken lassen. In Spanien etwa fiel die positive Meinung der Bürger zur EU von 85 % im Jahr 2007 auf heute nur mehr 51 %, wie der Ökonom Pedro Montes von der Initiative „Raus aus dem Euro“ (Salir del Euro) berichtete. Dementsprechend rasant auch der Aufstieg neuer oppositioneller Parteien aber auch, vor allem nach der Erfahrung in Griechenland, das Umdenken in etablierten Gruppierungen, die lange dem Euro-Thema ausgewichen waren.

Italien ist für diesen Umbruch in der politischen Landschaft angesichts einer kaum mehr tragfähigen wirtschaftlich-sozialen (Banken, Staatsschulden, Deindustrialisierung, Arbeitslosigkeit) und politischen Krise wohl das beste Beispiel. Als Partei der Unzufriedenen hat sich hier die Fünf-Sterne Bewegung (Movimento 5 Stelle, M5S) etabliert. Kaum jemand leugnet, dass sie heute der Schlüssel eines Umbruchs ist und daher auch, wenig verwunderlich, der Gott-Sei-bei-Uns der europäischen Eliten. Trotz ihrer verschieden Tendenzen und programmatischen Undefiniertheit repräsentiert sie den Zorns gegen das nationale und europäische Establishment, der hier auch sehr klare und linke Wortführer findet wie Marco Zanni, Europaparlamentarier der M5S, der in Chianciano aus seiner Erfahrung mit der europäischen Politik anschaulich die Unreformierbarkeit der EU aufzeigte und die nationale Souveränität als Raum für die Erneuerung der Demokratie und eine soziale Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik einforderte. Interessant waren in Chianciano die Anzeichen, dass sich mit dem „Verschrotter“ Renzi an der Regierung, der letzten Karte der Euro-italienischen Eliten, nun auch in der traditionellen italienischen Linken etwas bewegt. Nicht nur die PD-Dissidenten der „Italienischen Linken“ (Sinistra Italiana) um Stefano Fassina symbolisieren dies – sie waren mit Alfredo D‘Attorre in Chianciano vertreten. Auch in der neugegründeten Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano) und anderen Neugründungen aus dem Milieu der früheren Rifondazione Comunista wächst die Klarheit, dass in Italien der Kampf gegen den Euro und für die Rückgewinnung demokratischer Souveränitätsrechte der Hebel für eine Systemopposition ist. Weiter Richtung Zentrum zielend versucht es eine Alternativa per l‘ Italia, die durch Marco Mori repräsentiert war. Die Kampagne für ein „Nein“ im Referendum über Renzis Verfassungsreform eint derzeit viele dieser Gruppen in einer inhaltlichen, wenn noch nicht allumfassend organisierten Front. Die italienischen Organisatoren des No-Euro-Forums in Chianciano, die Bewegung Programma 101, sind selbst ein Beispiel der Neugruppierung in der Krise: diese Paarung bekannter Persönlichkeiten aus dem akademischen Bereich mit einem Kern an erfahrenen Aktivisten der italienischen radikalen Linken erweist sich immer wieder als initiativer Motor und Bindeglied zwischen den lebendig geblieben Resten des alten linken Milieus und dem weiten unbearbeiteten Feld der Unzufriedenen, das sich in den 5 Stelle ausdrückt.

Die spanischen Delegationen am No-Euro-Forum waren ein Spiegelbild der Regierungskrise der iberischen Eliten, seit Podemos 2014 begann, die alte Zweiparteienlandschaft aufzuwühlen. Wenig verwunderlich ist auch in der Linken die Beziehung zu Podemos der Kernpunkt der Diskussion. Manolo Monereo, Abgeordneter des Wahlbündnisses von Podemos und Izquierda Unida (Unidos Podemos, UP) für Cordoba, stand in Chianciano für jene Linke, die Podemos als Hebel einer „neuen Transition“ gegen die neoliberale, bourbonische Republik der Nachfranco-Ära sieht. Dagegen stehen andere Teile der Anti-Euro Bewegung wie Diosdado Toledano, selbst führender Aktivist von Izquierda Unida in Katalonien, das Zusammengehen mit Podemos kritisch gegenüber: ihm scheint der Syriza-Weg vorgezeichnet, angesichts des äußerst gemäßigten Auftretens von Podemos seit den Wahlen im Dezember 2015, insbesondere auch was die Konfrontation mit dem europäischen Austeritätskurs betrifft: Podemos beschränkte sich auf die Forderung eines sozial abgefederten, wachstumsgebundenen Sanierungspfades. Alle waren sich jedoch – mit mehr oder weniger Optimismus – einig, dass die Möglichkeiten eines Bruches in Spanien noch offen sind und Podemos der Katalysator dafür ist. In einer theoretischen Debatte wurde von Manolo Monereo (UP, Spanien), Michèle Dessenne (PARDEM, Frankreich) und Carlo Formenti (Universität Lecce, Italien) auch die Frage von Populismus und Hegemonie debattiert; eine zentrale Frage angesichts der sozialen Vielfalt von gesellschaftlichen Sektoren, die von der Krise getroffen sind, des Endes der einst klaren politisch-kulturellen Trennlinien zwischen Arbeit und Kapital und auch der Mängel des Marxismus, eine brauchbare Transformationstheorie zu bieten.

Die Auseinandersetzung zwischen der griechischen Syriza-Regierung und den europäischen Institutionen im ersten Halbjahr 2015 war und ist eine treibende Kraft für den Aufbruch einer linken Tendenz gegen den Euro in vielen Ländern. In Griechenland selbst ist es jedoch trotz des eklatanten Verrats von Syriza nicht gelungen, dem neuen Austeritäts-Memorandum eine Bewegung mit ausreichender Breite entgegenzustellen, die die Syriza-ANEL Koalition in Bedrängnis bringen könnte. Der wichtigste Versuch, die Volkseinheit (Laiki Enotita, LAE) war in Chianciano mit Panagiotis Sotiris vertreten. Daneben nahmen Vertreter von Antarsya teil, die nicht in die LAE eingetreten waren, sowie die 2011 gegründete EPAM (Einheitliche Volksfront). Mit Costas Lapavitsas trat auch einer der wohl prominentesten Persönlichkeiten der linken Syriza-Dissidenten am Forum auf. Als ehemaliger Parlamentarier von Syriza und Gründungsmitglied der LAE war (und ist) er der sichtbarste Gegenpol zu ex-Finanzminister Varoufakis, der die politische Bereitschaft und wirtschaftliche Vorbereitung des Bruch mit dem Euro-System als Voraussetzung für erfolgreiche Opposition gegen die Brüsseler Memorandumspolitik aufzeigte. Heute versucht Lapavitsas mit dem Europäischen Forschungsnetzwerk für Wirtschafts- und Sozialpolitik (EReNSEP) ein gesamteuropäisches Dialogforum von Akademikern und Aktivisten aufzubauen, um eine inhaltliche und organisatorische Alternative zum Euro-System vorzubereiten, das einer Wiederholung der griechischen Tragödie vorbaut. Lapavitsas trat entschieden für den Bruch zuerst mit dem Euro und dann auch mit der EU auf. Doch gleichzeitig plädierte er für den Neuentwurf europäischer Kooperation souveräner Staaten als Gegenpol zu Nationalismus. Lapavitsas, der an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London lehrt, brachte auch eine Analyse des Brexit, den er als Hoffnung und Herausforderung darstellt: die Unterklassen beginnen sich politisch zu bewegen, ohne ausreichende Repräsentation in einer antagonistischen Linken gefunden zu haben; die unerwarteten Widersprüche in Labor mit Jeremy Corbyn sind laut Lapavitsas ein Ausdruck dieser politischen Dynamik mit noch offenem Ausgang.

Ein aktuelles Krisenmoment der europäischen Politik mit besonderer Dramatik in den Mittelmeerländern der EU ist die Migrationsfrage. Hier gab es in Chianciano eine durchaus nuancierte Debatte zwischen Panagiotis Sotiris (LAE), Albert Reiterer (Euroexit), Leonidas Chryssanthopoulos (EPAM) und Marco Mori (Alternativa per l’Italia), die sich zwischen dem klassischen Kampf um die Einheit der Unterdrückten im gemeinsamen Kampf um ihre Rechte einerseits und der Notwendigkeit einer Regulierung des Arbeitsmarktes auch und gerade für eine Bewegung/Regierung des Bruchs der Marktfreiheit andererseits bewegte. Die solidarische, antirassistische und antiimperialistische Position gegenüber den syrischen und anderen Flüchtlingen aus Kriegsgebieten – in denen der Westen fast überall als eine Konfliktauslöser mit involviert ist – stand dabei für alle außer Frage.

Eine Auseinandersetzung, die bereits im Eröffnungsplenum anklang und sich in verschiedenen Foren wieder fand, war die Frage des positiven Bezugs auf die nationale Souveränität als Perspektive in der Desintegration der EU. Im Besonderen ob diese Perspektive als links konnotiert zu verstehen ist oder jenseits der traditionellen Teilung von links und rechts definiert werden muss. Die griechische EPAM und die französische PARDEM (Parti de la Demondialisation) vertraten letztere Meinung, während etwa für die LAE nationale Souveränität sich nur aus dem Konzept einer links konnotierten Volkssouveränität mit sozialistische Perspektive ergibt. Die italienische Linke Anti-Euro-Koordination interpretierte diese Frage in Analogie zu den antifaschistischen Volksfronten: innerhalb einer große gesellschaftlichen und politischen Breite, die eine einschließende Programmatik und Kultur erfordere, werde ein Kampf um politische Hegemonie ausgetragen, der durchaus eine linke und rechte Tendenz unterscheiden lässt. Letztlich ist auch die konkrete Benennung der vorhandenen Akteure nötig, die in der Theorie des Endes der „links-rechts Dichotomie“ oft zu kurz kommt: im Feld der Euro-Gegner bewegen sich nun einmal auch die Rechtspopulisten wie die Front National in Frankreich, die in den Augen der Bevölkerung vor allem in den Zentrumsländern die sichtbarste Anti-Brüssel Opposition gegen die nationalen Eliten repräsentieren. Auf dieser konkreten Ebene schien keiner der Organisationen in Chianciano ein Bündnis mit rechten Souveränisten möglich und auch nicht anstrebenswert.

Bemerkenswert im gegenwärtigen Panorama ist auch Deutschland, in Chianciano mit der Bundestagsabgeordneten Inge Höger (Die Linke), dem Ökonomen Paul Steinhardt (Makroskop) und dem langjährigen politischen Aktivisten Thomas Zmrzly (Eurexit) vertreten. Wie Paul Steinhardt darlegte, sind Deutschlands Eliten ideologisch tief anti-keynesianisch und werden die Idee der Austerität als Programm für Europa selbst dann nicht aufgeben, wenn sie damit den Euro zugrunde richten. Vielleicht ist es gerade diese Intransigenz der deutschen Eliten, die in den Griechenland-Verhandlungen der Öffentlichkeit als Lehrstück präsentiert wurde, die in Deutschland in verschiedenen Bereichen (ATTAC, Die Linke, verschiedene Wissenschaftler) eurokritische und Anti-Euro-Tendenzen entstehen lässt, die sich in neuen Bündnissen zusammenfinden.
Erwähnenswert war noch die Präsenz einer wichtigen ukrainischen Delegation mit Alexej Albu (Borotba), Vasilji Volga (Union der Linken Kräfte) und Gewerkschaftern aus Odessa. In einer Situation der neuerlichen Regierungsoffensive gegen die ukrainische Opposition, wie immer mir direkter Beteiligung der ukrainischen Neonazis als Stoßtruppen, zeigt Europa keineswegs das Bild eines Friedensprojekts (siehe dazu die Resolution auf www.ukraine-frieden.org). Im Gegenteil, der hegemoniale Teil des Establishments heizt auf Seite der USA eine Kalte-Kriegs-Polarisierung gegen Russland an, die Öl ins Feuer des ukrainischen Konflikts gießt.

Zusammenfassend gab Chianciano ein Bild des oppositionellen Aufbruchs innerhalb einzelner Länder als auch in der übernationalen europaweiten Koordination. Angesichts der ungelösten sozial-ökonomischen Krise, den immer deutlicheren Tendenzen der EU-Desintegration und der autoritärer Machtzentralisierung in Brüssel/Berlin, kommt dieser Aufbruch von links sehr spät – vor allem angesichts des rechten Vormarsches in vielen Ländern -, ist programmatisch noch im Fluss und organisatorisch dispers. Aber er ist vielfältig sichtbar und wächst. In der gegenwärtigen Phase geht es um einen politischen Minimalkonsens, der die verschiedenen Kräfte in einer offenen solidarischen Debatte zusammenbringt, sichtbar und handlungsfähig macht. Der Kampf gegen das Korsett des Euro hat sich auch in Chianciano bei aller Vielfalt der Strömungen und Länderspezifika als diese vereinheitlichende Plattform herausgeschält. Die noch in diesem Jahr unter ähnlicher Zielsetzung stattfindenden Konferenzen in Kopenhagen und Paris bestätigen, dass sich endlich etwas bewegt in der europäischen Linken.

Gernot Bodner, 25. September 2016

Eine Linke nach dem Euro ist möglich

Von Stiglitz bis Lafontaine Prominente linke Ökonomen und Politiker rufen nach einem Plan B: Diskussionsabend am Samstag, 8. Oktober 18.30 Uhr, Café Rathaus, Landesgerichtsstraße 5, 1080 Wien.

Lange war es ein Tabu: Jenseits der EU gab es für die Linke nur Nationalismus. Über zwei Jahrzehnte war man also der sozialen Reform der EU verschrieben. Mit dem Euro wurde zwar der Sozialstaat endgültig geopfert und die soziale EU rückte in immer weitere Ferne. Die Linke blieb aber bei ihrer Utopie: man müsse einfach mehr Kräfte sammeln, dann werde es schon gelingen. Dann kam das dramatische Scheitern in Griechenland, des wohl kräftigsten Versuchs die EU von innen zu ändern: Für den Verbleib im Euro musste Syriza alle sozialen Reformversprechen aufgeben. Kurz flammte die Idee eines Plan B auf. Aber es dauerte nicht lange, da war man wieder beim alten Diskurs: Syriza sei gescheitert, weil die Solidarität zu schwach war, um in der EU einen anderen Weg durchzusetzen.

Doch die Situation beginnt sich zu ändern, langsam aber sichtbar. Die Ausweglosigkeit der strukturellen Ungleichgewichte, zu denen der Euro geführt hat, machen die Zukunft des gesamten Projekts EU völlig offen: Brexit, Europas Süden mit ungelösten Verschuldungs- und Bankenkrisen, bevorstehende Regierungskrisen in Spanien und Italien, eine immer stärkere anti-europäische Rechte mit Siegeschancen in Ländern wie Frankreich aber auch Österreich. Vor diesen Entwicklungen bleibt der Linken nichts übrig, also über einen Paradigmenwechsel nachzudenken – spät, aber doch.

So ruft Joseph Stiglitz, Nobelpreis-gekrönte Ikone des Neokeynsianismus, zur Rückabwicklung der Währungsunion auf. In Deutschland formiert sich ein EurExit-Netzwerk linker Ökonomen (wie Heiner Flassbeck) und Politiker (wie Oskar Lafontaine) für Alternativen zur „Fehlkonstruktion Euro”. Und auch in Österreich beginnt die Suche nach Auswegen aus der Sackgasse der Utopie einer sozialen EU, wie eine für November angekündigte Attac-Konferenz vermuten lässt.
Das Personenkomitee EuroExit arbeitet bereits seit über einem Jahr daran, die Diskussion über Alternativen zu fördern. Denn es ist klar: die Krise des Euro und der EU kann viele Optionen öffnen. Nicht nur die Rechte, auch die Eliten denken über Alternativen zum Euro nach. Die soziale und demokratische Option hat jedoch Chancen, aber nur wenn die Linke eine überzeugenden Plan B jenseits des Euro und der EU zu bieten hat.

Aus Anlass von Joseph Stiglitz Warnruf gegen den Euro, der Vorschläge aus einem gesamteuropäischen NoEuro Forum in Italien und auch in inhaltlicher Vorbereitung der Attac-Konferenz „Sackgasse EU. Wie kommen wir da raus?“ im November, lädt das Personenkomitee EuroExit zu einem Diskussionsabend ein, u.a. mit Thomas Zmrzly vom EurExit-Netzwerk aus Deutschland.

Wo die Kette gesprengt werden kann…

Die spanische und italienische Delegation am internationalen Forum NoEuro von Chianciano

Italien und Spanien stellen aktuell zwei schwache Kettenglieder im krisengeschüttelten Europa dar:

  • Italien, viertgrößten Volkswirtschaft der EU, ist nach mehr als einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Niedergangs durch eine akute Bankenkrise bedroht, während der Regierung Renzi eine schwere politische Niederlage im Verfassungsreferendum droht. Ein Krisen-Mix, der die oppositionelle und Euro-kritische Fünfsternebewegung an die Spitze des Landes hieven könnte.
  • Spanien brüstet sich zwar mit der höchsten BIP-Wachstumsrate der EU, schafft jedoch den von Brüssel aufgezwungenen Budgetsanierungspfad dennoch nicht, trotz anhaltender Austerität. Mit einer Arbeitslosigkeit, die immer noch bei 20 % liegt, hat sich vor diesem Hintergrund mit der Oppositionspartei Podemos ein dritter Pol in der Gesellschaft neben den Sozialdemokraten der PSOE und den Konservativen der PP etabliert. Auch nach den Neuwahlen im Juni macht diese neue politische Konstellation eine Regierungsbildung extrem schwer. Mit den bestehenden Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und dem Baskenland – letzteres wird im Oktober wählen – ist kein Ende der politischen Instabilität in Sicht.

Die Delegationen aus Italien und Spanien repräsentieren die Breite der oppositionellen Stimmen und Strömungen, die sich aus diesen politisch-ökonomischen Krisen-Konstellationen im Süden Europas gebildet hat.

Italien

In Italien ist die Fünfsternebewegung (M5S) der politische Kristallisationspunkt, ein widersprüchliches und heterogenes Sammelbecken der Unzufriedenen mit der politischen „Kaste“ und dem wirtschaftlichen Niedergang. Mit dem Europaparlamentsabgeordneten Marco Zanni ist die M5S auf dem Forum mit einer linken und klar eurokritischen Stimme vertreten. Aber auch in den traditionellen Linksparteien, die das Thema EU/Euro lange mit dem Argument der Priorität der „sozialen Frage“ abtaten, fordern einige prominente Figuren endlich die Zentralität der europäischen Frage ein, um die Entwicklungen im Land zu begreifen und eine oppositionelle Politik zu formulieren. Etwa Giorgio Cremaschi, ex-Präsident der linken Metallergewerkschaft FIOM, und heute Initiator der Plattform Eurostop. Selbst aus Renzis PD sind einige Persönlichkeiten in Richtung einer neuen eurokritischen Linken abgesprungen, so etwa Alfredo D’Attore, Abgeordneter der „Italienischen Linken“ (Sinistra Italiana), der am Forum von Chianciano sprechen wird. Kennzeichnend für Italien ist aber auch die Vielzahl – zumeist aus der Linken kommender – Intellektueller in und außerhalb der Universitäten, die nicht oder nur lose mit einer politischen Partei/Bewegung assoziierten sind, aber dennoch in der Gesellschaft wahrnehmbare Stimmen gegen das Euro-Regime und seine politischen Stützen in Italien darstellen. Zahlreiche Ökonomen und Sozialwissenschaftler aus diesem Milieu werden am Forum inhaltliche Beiträge bringen. Eine zentrale Rolle in Italiens Anti-EU/Euro Bewegung und wesentlicher Organisator des Forums von Chianciano kommt der Bewegung „Programm 101“ zu: sie entstand jüngst aus der „Linken gegen den Euro“ und stellt einen Vorposten einer, wenn auch erst im Entstehen begriffenen, Sammelbewegung für einen (linken) Austritt aus dem Euro und der EU dar.

Spanien

Seit Podemos in Spanien die politische Bühne betreten hat, ist das Land von einem bipolaren (PSOE, PP) zu einem tripolaren System geworden. Das hat das traditionelle Regime der Eliten entscheidend destabilisiert, wie die aktuellen Schwierigkeiten der Regierungsbildung zeigen, wo selbst ein dritter Wahlgang nicht ganz auszuschließen ist (wenn auch eher unwahrscheinlich).

Bereits 1986 versuchte Izquierda Unida (IU), mit der Spanischen KP im Zentrum, einen dritten Pol links der PSOE zu etablieren. Was Podemos (zuletzt im Wahlbündnis mit IU) heute gelungen ist, blieb der IU jedoch stets verwehrt – sie kam bei den nationalen Wahlen nie über knappe 10 % hinaus. Ihr bestes Ergebnis erzielte IU 1996 mit 10,6 % unter Spitzenkandidat und Gründungsfigur Julio Anguita. Anguita ist auch nach seinem Ausscheiden aus der IU/PCE-Führung (nicht zuletzt wegen deren illusionären Hoffnungen in ein soziale Europa) bis heute eine treibende Kraft im Kampf gegen EU/Euro: mit der Frente Civico regte er 2012 eine neue linke Bewegung gegen das spanisch-europäische Elitenregime an. Anguita wird am internationalen Forum in Italien anwesend sein, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Frente Civico sowie mit ihr verbündeter Bewegungen und Zeitschriften. Mit dem Parlamentsabgeordneten und langjährigen KP-Theoretiker Manolo Monereo ist ein prominentes Bindeglied zwischen IU/PCE und Podemos in Chianciano dabei. Auch der derzeitige Vorsitzende der KP Spaniens José Luis Centella Gómez wird in Chianciano die Position der KP zur Frage von EU und Euro sowie einer alternativen Perspektive für Spanien darlegen.

Der zweite Pol des Widerstandes und der Instabilität im spanischen Staat ist die nationale Unabhängigkeitsbewegung, wo derzeit Katalonien der Kernpunkt ist. Mit Josep Manel Busqueta nimmt ein Mitglied und ehemaliger Parlamentarier der linken Unabhängigkeitsbewegung CUP an Forum teil. Gerade bei den nationalen Bewegungen, nicht nur auf der iberischen Halbinsel, ist die Beziehung zur EU umstritten: die bürgerlichen Fraktionen träumen meist von einem Europa der Regionen, das jenes der Nationalstaaten ablöst und ihre Ambitionen unterstützt. Die Linke gibt sich dieser Illusion freilich weniger hin, bleibt aber in der EU-Frage dennoch oft eher unklar im Rahmen des „sozialen Europa“-Diskurses. Umso spannender wird es die Stimme eines radikal-linken Pols der Unabhängigkeitsbewegung zu hören.

 

Die italienische Krise steuert auf eine entscheidende Phase zu.

Die Italienische Krise steuert mit großen Schritten einer entscheidenden Phase zu. Wirtschaftlich hat sich Italien nie von der Krise des Jahres 2008 erholt. Seitdem hat das Land 9% des BIP und 25% der Industrieproduktion verloren, während die Arbeitslosigkeit stabil über 11% liegt. Die kleine Verbesserung (+ 0,8% des BIP im Jahr 2014), die Renzi so stolz präsentiert, ist nur eine psychologische Erholung nach 3 ½ Jahren der Rezession.

Es ist eine Krise die überwiegend aus den Mechanismen des Euros resultiert. Die italienische Wirtschaft hat seit 1999 angefangen zu schrumpfen, das heißt, seit eine feste Parität zwischen den Euro-Währungen festgelegt worden ist. Seither haben alle wichtigen Parameter (BIP, Arbeitslosenquote, Produktivität usw.) sich im Vergleich zu Deutschlands verschlechtert.

Trotz des starken Rückgangs der Produktion ist Italien immer noch das zweite Industrieland der Europäischen Union. Die Industriebetriebe haben versucht den Rückgang des Inlandsverbrauches mit einem Anstieg der Exporte zu kompensieren, aber die einheitliche Währung hat die benötigte Aufholung der Produktivität gegenüber Deutschland verhindert.

Die Schuldenkrise, die insbesondere im Jahr 2011 ausbrach tat den Rest. Die darauf folgende Austerität, die als Ziel die so genannte „interne Abwertung“ hatte, hat Löhne und Konsum weiter komprimiert, während der Euro sich als System des Transfers von Ressourcen aus den Länder des Süden in die Ländern des Zentrum etabliert hat.

All dies wird nun immer breiteren Sektoren der Gesellschaft klar und Italien ist nicht mehr das überzeugte „pro-europäische“ Land der Vergangenheit.

Da die Austeritätspolitik nicht nur ihr antisoziales Gesicht zeigte sondern auch ihren räuberischen Charakter (Unternehmen wurden von ausländischen Multinationalen zu günstigen Preisen erworben, das Land wurde finanziell durch das Spiel des Spreads ausgepresst, usw.) und die Zustimmung für die kompromittierte, mit den europäischen Oligarchien verbündete politische Klasse zusammenbrach (siehe die Ergebnisse der Wahlen von 2013), konnte der herrschende Block nicht einfach zuschauen und suchte eine Antwort, um Zeit zu gewinnen.

So kam Renzi. Nicht der mürrische Monti, sondern ein akrobatischer Propagandist, fähig die neoliberale Politik weiter durchzupeitschen, jedoch auch in der Lage sich als etwas euroskeptisch zu präsentieren. Die Tatsache, dass es für viele Länder so gut wie unmöglich ist den Fiskalpakt zu respektieren, wie auch die jüngsten Anpassungen der Verpflichtungen in Bezug auf Defizite und Schulden beweisen, gibt Renzi etwas Raum, um immer wieder für mehr Haushaltsflexibilität zu plädieren.

Italien war für mehr als zwanzig Jahren das Land mit dem höchsten Primärüberschuss der Union, ein Faktor der jedoch durch die hohen Kosten des Schuldendienstes, aufgrund der akkumulierten Staatsschulden und des hohen Spread im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen, nicht mehr besteht. In den letzten zwei Jahren sind jedoch die Zinsen gesunken und der Gesamtbetrag der Schulden hat sich auf 132 % des BIP stabilisiert, wenn dies auch ein höheres Niveau als zuvor ist.

Für Italien ist im Augenblick das wichtigste wirtschaftliche Problem nicht die Schuldenlast, sondern wie das Land von der Rezession herauskommen und wieder angemessene Wachstumsraten erreicht werden können.

Ein weiteres großes Problem sind die Banken. Die Einführung der Regeln der Bankenunion, insbesondere des Bail-in, zwingen das gesamte Bankensystem in die Knie. Von den wichtigsten europäischen Ländern ist Italien das Land, wo während der Krisenjahre der Staat keinen einzigen Euro für die Rettung der Banken ausgegeben hat und das aus zwei Gründen: 1. weil die EU in Anbetracht der Haushaltsprobleme des Landes es nicht erlaubt hätte, 2. weil man glaubte, dass die italienischen Banken – die am wenigsten mit riskanten Derivaten belastet waren – keine besonderen Probleme hatten.

Die Ereignisse der letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass diese zweite Annahme tatsächlich nicht stimmte. Es ist zwar richtig, dass die italienischen Banken weniger toxischen Wertpapiere halten als deutsche und französische, aber – als direkte Folge der schweren Wirtschaftskrise – stehen sie wegen ihrem Bestand an „non performing loans“ dennoch sehr schlecht dar.

Die neuen Regeln der Bankenunion lassen keinen staatlichen Eingriff mehr zu. Es war daher auch nicht möglich, wie es noch in Spanien passierte, eine Bad Bank einzurichten um die Bilanzen der Kreditinstitute zu verbessern. Deutschland besteht noch dazu auf einer Obergrenze für Staatsschuldentitel, die von jeder Bank besessen werden können. Eine Regel, die, würde sie angewendet werden, die italienischen Banken endgültig in die Knie zwingen würde.

Renzis Regierung (die gerade von mehreren Skandalen erfasst wird) steckt also in Schwierigkeiten, während die neuen Gesetze zur Regulierung des Arbeitsmarktes (Jobs Act) nur eine drastische Einschränkung der Arbeitnehmerrechte ohne positive Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen bewirkt haben.

In dieser Situation nähert sich das Land einer entscheidenden Volksabstimmung über die Reform der Verfassung im Herbst. Es wird über eine Verfassungsänderung abgestimmt, die die Zentralisierung der Zuständigkeiten zugunsten der Exekutive und eine entsprechenden Entmachtung des Parlaments vorsieht. Der Senat wird nicht abgeschafft, aber er würde nicht mehr direkt von den Bürgern gewählt. Diese Änderungen in Kombination mit dem neuen extremen Mehrheitswahlrecht stellen einen klaren Trend zu einem Regime dar.

Renzi dachte, dass er dieses Referendum leicht gewinnen und sich wieder auf seine „Anti-Kasten“ Rhetorik verlassen könnte, die er schon oft gegen die 5-Sterne-Bewegung ausgespielt hat. Die Umfragen der letzten Wochen bestätigen jedoch, dass das Ergebnis des Referendums noch keineswegs feststeht. Die Abstimmung ist also ein entscheidender Wendepunkt in der italienischen Politik. Wenn Renzi gewinnt, wird er sich für die nächste Legislaturperiode an der Macht konsolidieren können. Wenn er das Referendum jedoch verliert würde sich eine Periode großer Unsicherheit und politischer Turbulenzen eröffnen. Dies würde den Anti-Euro- und Anti-EU-Kräfte, die für die Rückeroberung der nationalen Souveränität als Voraussetzung für die Volkssouveränität und die Wiederherstellung der Demokratie kämpfen, neue Handlungsspielräume eröffnen.

 

Leonardo Mazzei (Italienische Koordination der Linken gegn den Euro)

Übersetzung Tiziana Fresu (Personenkomitee EuroExit)

Großes Zittern bei Spaniens Elite

Am 26. Juni stehen in Spanien Neuwahlen zum Parlament bevor. Nach dem letzten Wahlgang am 20. Dezember hatten weder die spanische Rechte (Volkspartei, PP) noch die zweitplatzierte sozialdemokratische Linke (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens, PSOE) nach massiven Verlusten die notwendigen Mehrheiten, um eine Regierungsbildung zu schaffen. Dies hing ursächlich mit dem Aufstieg von zwei neuen Gruppierungen in der spanischen Parteienlandschaft zusammen. Die aus den Anti-Austeritäts-Protesten der „Indignados“ (Empörten) hervorgegangene Linkspartei Podemos machte mit 20,7 % der Stimmen den Sozialdemokraten (22,1 %) den Platz der linken Opposition streitig. Auf der Rechten kanalisierte die Partei Ciudadanos (Bürger) viele Stimmen der durch Korruptionsskandale zerrütteten PP.

 

Das Scheitern des sozialdemokratischen Rettungsversuchs

Nach den Wahlen am 20. Dezember war rasch klar, dass die Rechte keine Mehrheit zusammenbekommen würde. Die Eliten hofften kurzfristig auf eine große Koalition aus PP und PSOE. Nach einem polarisierten Wahlkampf, in dem die Sozialdemokraten angesichts des Damoklesschwerts Podemos ihr „linkes Gesicht“ ausspielen mussten, waren die Gräben zur Rechten für eine Koalition jedoch zu tief. Die PSOE wusste außerdem, dass ihr ein Schicksal wie der griechischen PASOK drohe, sollte sie mit dem diskreditierten PP Chef Rajoy zusammengehen. So drehte sich bald alles um eine linke Koalition mit Podemos. Eine solche „Regierung des Wandels“ hätte mit einigen Juniorpartnern aus den Provinzen eine Mehrheit gehabt. Doch Podemos war nicht kostenlos als Königsmacher zu haben. Zur Diskussion stand eine Koalition mit einem Vizekanzler Pablo Iglesias und mehreren Podemos-Ministern. Programmatisch war vor allem die Frage der Selbstbestimmung der Provinzen ein Knackpunkt: Podemos sprach sich für das Recht auf ein Referendum aus (was sie in Katalonien und im Baskenland zur stimmenstärksten Kraft gemacht hatte). Besonders für die Rechte in der PSOE um die einflussreiche andalusische Regionalregierungschefin Susana Diaz war dies jedoch eine rote Linie.

Ende Februar schloss die PSOE dann ein vorläufiges Bündnis mit Ciudadanos, dem sich Podemos anschließen sollte. Man war sich dabei wohl im Klaren, dass dies nicht realistisch war. Es ging vielmehr um das gemeinsame Ziel der alten und neuen Elitenparteien, Podemos vor den Neuwahlen zu schwächen und zu diskreditieren. In einer breiten Medienoffensive warf man Podemos vor, durch die Ablehnung des PSOE-Ciudadanos Pakts für eine „progressive Regierung“ die Kontinuität der PP zu stützen. Interne Differenzen in mehreren Regionalgruppen von Podemos (vor allem um Fragen der Entscheidungsfindung und des Verhältnisses von Basis und gewählten Mandataren) wurden medial zu einer Spaltung zwischen Parteiführer Pablo Iglesias und seiner „Nummer 2“ Iñigo Errejón aufgebläht. Mit einer Basisbefragung zur Aufkündigung der Verhandlungen mit der PSOE und der Erneuerung ihres Organisationssekretärs gelang es Podemos jedoch, die Offensive abzuwehren

 

Unidos Podemos – Bevorstehendes Erdbeben durch linkes Wahlbündnis

Das Manöver kostete Podemos dennoch in den Umfragen einige Prozentpunkte. Gleichzeitig konnte die traditionelle Linke der Izquierda Unida (IU, Linksbündnis um die Spanische Kommunistische Partei) wieder Zuwächse verzeichnen, die bei den Dezemberwahlen an Podemos verloren gegangen waren. Jedoch bedeutet das ungleiche spanische Wahlrecht, dass IU proportional sehr wenige Abgeordnete trotz guter Stimmenzahl bekommt (z.B. brauchte IU im Dezember 2015 pro Abgeordnetenmandat über 400.00 Stimmen, die PSOE dagegen nur knapp über 60.000). Dementsprechend gab es für beide Linksparteien Grund, ein Wahlbündnis zu versuchen. Nach mehreren Wochen Verhandlungen einigte man sich auf eine gemeinsame Plattform. Die ersten Umfragen zeigten, dass dieses Linksbündnis auf über 23 % der Stimmen hoffen kann und damit deutlich vor der PSOE liegt.

 

Herausforderungen für das Establishment und auch die Linke

Die spanischen Eliten aber auch die EU sehen den Wahlen am 26. Juni unruhig entgegen. Es ist zu erwarten, dass sich das Szenario des 20. Dezember wiederholt und keine Kraft auf eine klare Mehrheit zur Regierungsbildung kommen wird. Verschlimmernd kommt dazu, dass Podemos/IU wohl die erste Geige auf der Linken spielen werden. Die Sorgen des Establishments sind dabei zweier Art: zum ersten ist eine neue Linkspartei, die noch nicht domestiziert ist und unter einem starken Druck ihrer Wählerbasis steht, ein großer Unsicherheitsfaktor. Syriza in Griechenland hat zwar gezeigt, dass sich auch eine Linkspartei jenseits des Establishments schnell anpassen kann. Aber dennoch bedeutet es eine Periode der Unsicherheit, in der die Eliten zumindest teilweise die Kontrolle der politischen Entwicklungen verlieren. Dazu kommt die zweite, spezifisch spanische Sorge: in die mögliche Regierungskrise verquickt sich eine ungelöste Staatskrise durch Regionalregierungen in Katalonien und im Baskenland, die ein Unabhängigkeitsreferendum einfordern. Es ist zu hoffen, dass der 26. Juni für das Bündnis Podemos-IU ein starkes Ergebnis bringt und die spanische Linke, sollte sie in Regierungsverantwortung kommen, die Lehren aus Griechenland nicht vergisst: denn ohne Bruch mit dem Euro-Regime wird auch in Spanien keine soziale und demokratische Alternative möglich sein.

 

Gernot Bodner

Personenkomitee Euroexit gegen Sozialabbau

Podemos gegen die spanischen Eliten: Ein Lehrstück des modernen Klassenkampfes.

Chronologie des Weges zu Neuwahlen in Spanien

Spanien steckt in einer Situation, wie sie den europäischen Eliten in naher Zukunft öfters bevorstehen wird: breite Schichten der einfachen Bevölkerung wollen nicht mehr so weiter regiert werden wie bisher und die herrschenden Klassen können es nicht mehr. Konkret haben die spanischen Wahlen vom 20. Dezember eine parlamentarische Konstellation hervorgebracht, die die lange (für die Eliten) erfolgreiche Alternanz zwischen den beiden Großparteien PP (Partido Popular, Volkspartei) auf der Rechten und PSOE (Partido Socialista Obrero Español, Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) auf der Linken durchbrochen hat. Stein des Anstoßes ist der Erfolg der neuen Protestpartei Podemos (Wir können) mit über 20 % der Stimmen. Die Großparteien verloren dagegen massiv an Zuspruch und konnten, trotz des Wahlgesetzes, das große Parteien deutlich privilegiert, keine Regierung im Sinne der Eliten bilden.

 

Regieren für die Eliten bedeutet im spanischen Kontext im Wesentlichen zwei Dinge: (i) Kontinuität in der Wirtschaftspolitik mit Austerität (konkret verlangt die EU-Kommission eine Reduktion des Budgetdefizits auf 2,8 % für 2016) und sozialer Härte (Beibehalten der prekären Beschäftigungsverhältnisse, die durch die Arbeitsmarktreformen von 2010 durch die PSOE und 2012 durch die PP fixiert wurden; weitere Kürzung der Pensionen) und (ii) Unnachgiebigkeit gegenüber den Unabhängigkeitsambitionen in den Regionen, allen voran Kataloniens und des Baskenlands.

Der Schreck der spanischen Eliten über den Wahlausgang war umso größer, also sie massiv durch Selbsttäuschung über den Erfolg ihres wirtschaftlichen „Reformpfades“ gedopt sind: die Wirtschaft wächst wieder mit 1,4 % 2014 und 3,2 % 2015 und die Arbeitslosigkeit fiel von ihrem Höchststand mit 25,8 % 2012 auf 20,9 % 2015. Die „Erholung“ führte aber auch rasch wieder zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanz und ist wie in anderen Ländern eher durch äußere Einflüsse begründet (niedriger Ölpreis, niedrige Zinsen) denn durch eine irgendwie geartete Stärkung der wirtschaftlichen Fundamente des Landes. Seit Mitte der 1980er erodiert Spaniens wirtschaftliches Fundament: Ausbleibende Modernisierung der Industrie gefolgt von deren Abwanderung nach Osteuropa und Asien, mit dem EU-Beitritt Übergang zu einer peripheren Dienstleistungsökonomie mit ständig negativer Leistungsbilanz und einer chronischen Arbeitslosigkeit um die 20 %, unterbrochen nur durch den Rausch der Immobilienblase zwischen 2002 und 2008. Auch die Staatsverschuldung (127 % des BIP) und die private Verschuldung (228 % des BIP) sind weit weg, um den Jubel der Eliten zu legitimieren. Aber gerade in Wahlzeiten wird gerne mit der Aussicht auf ein Ende der mageren Jahre geworben und die Hoffnungsbotschaften der eigenen PR-Institute wurden wohl verinnerlicht. Man spürte richtig, wie hart es war, als Finanzminister Cristóbal Montoro (PP) am 31. März das klägliche Scheitern des Defizitziels (3,2 % für 2015, real 5,2 %) verkünden musste (um gleich den verschwenderischen Regionen die Spar-Rute in Fenster zu stellen; die rebellischen Katalanen sollten nicht denken, sie könnten im spanischen Rahmen Sozialstaat spielen!).

Schon vor den Wahlen war den Mächtigen in Spanien klar, dass stürmische Zeiten auf sie zukamen. Die erste Idee, um ihre Herrschaft abzusichern, war die Gründung der Newcomer-Partei Ciudadanos des eingeschworen pro-spanischen Katalanen Albert Rivera. Ciudadanos sollte einerseits mit einem modernen Flair die unzufriedenen Mitte-rechts Stimmen kanalisieren, die sich vorhersehbar von der durch Korruptionsskandale maroden PP abwenden würden. Andererseits hoffte man sie als Gegenpol zu Podemos aufbauen zu können, indem man mit dem jugendlich-smarten Parteichef Rivera einen neoliberalen Antipode zu Pablo Iglesias aufbaute, der ebenfalls gegen das verkrustete Establishment zu Felde zog. Das Manöver scheiterte jedoch: Ciudadanos blieb mit 13,9 % deutlich hinter den Erwartungen und konnte nicht zum Königsmacher einer der Altparteien werden. Versuch Nummer 1 der Eliten war damit gescheitert.

Nachdem der Scherbenhaufen des 20. Dezember klar war, lancierte man in Phase 2 die Notwendigkeit einer großen Koalition, indem man die Angst vor Unregierbarkeit an die Wand malte, welche die „Erfolge“ der ökonomischen Erholung zunichtemachen würde. Die EU und wohl auch Teile der spanischen Wirtschaftsgranden hätten dies gerne gesehen. Die Möglichkeiten der großen Koalition standen aber schlecht. Die PSOE konnte sich nach einem „linken“ Wahlkampf gegen die Kontinuität der PP – getrieben durch das Damoklesschwert Podemos – auf eine solche Regierungskonstellation schlecht einlassen. Es wäre ihr sicherer Weg zum PASOK-Schicksal gewesen. Und die PP begann bereits bald nach der offensichtlichen Unmöglichkeit einer von ihr geführten Regierung Rajoy II mit Neuwahlen zu liebäugeln. Prognosen ließen auf eine weitere Schwächung der PSOE und damit vielleicht doch noch eine Mehrheit PP-Ciudadanos hoffen.

Es begannen also Phase drei: Die Verhandlungen um eine Regierung unter PSOE Chef Pedro Sánchez. Dabei standen zwei Optionen zur Diskussion. Einerseits eine linke Koalition mit Podemos, IU (Izquierda Unida, Vereinigte Linke) und dem valenzianischen Linksbündnis Compromis. Andererseits eine Konstellation mit Ciudadanos im Boot. Der erste Weg einer „Regierung des Wandels“ bekam bald den Beinahmen der portugiesischen Option, die Sánchez selbst durch einen symbolischen Besuch Anfang Januar bei seinem dortigen Kollegen Antonio Costa, Ministerpräsident einer von Kommunisten und Linksblock gestützten Regierung, anzuvisieren schien. Podemos nannte es dann die valenzianische Option (Valencia wird durch eine Koalition aus Sozialisten, Podemos und Compromis regiert) oder den Weg der 161 (nach der Stimmenzahl der vier Parteien im Parlament). Für die Elite war diese Option jedoch nicht akzeptabel. Man wollte sich nicht auf die Unwägbarkeiten einer Regierung einlassen, deren Entscheidungen vom Goodwill von Podemos abhingen und schon gar keinen Vizepremier Pablo Iglesias.

Zunächst schickte man die PSOE-interne Rechte unter Führung der „Barone“ (jener Parteigranden aus den Provinzen unter Führung der andalusischen Regierungschefin Susana Diaz) in die Schlacht. Ihre Kampagne gegen eine von Podemos abhängige Koalitionsregierung fokussierte auf die Frage eines Unabhängigkeitsreferendums (das „Recht zu entscheiden“, wie es verklausuliert genannt wird). Es war die politische Phase, als in Katalonien die Regierungsbildung von der Entscheidung der radikal-linken CUP (Candidatura d’Unitat Popular, Kandidatur der Volkseinheit) abhing. Dies bot sich hervorragend an, gegen eine linke Koalition mit Podemos zu wettern. Podemos unterstützt, zwar in moderater Form und vielleicht vor allem aus Rücksicht auf seine regionalen Partner in Katalonien und im Baskenland, die der Partei ihr starkes Ergebnis bei den Dezemberwahlen brachten, das demokratische Recht, ein Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten. Die „Barone“ marschierten daher unter der Fahne der Gefahr für die Einheit Spaniens auf, wohl wissend, dass dies eine rote Linie für weite Teile des Establishments darstellt und daher der Druck auf Sánchez entsprechend hoch sein werde.

Sánchez konnte sich jedoch durch ein geschicktes Manöver der Umarmung der „Barone“ entziehen, die mit dem Scheitern des Versuchs einer Linksregierung auch gleich seinen Kopf in der Partei rollen sehen wollten: er sicherte sich durch eine Befragung der Basis sein Mandat für weitere Verhandlung mit allen Parteien, stärkte damit seine parteiinterne Position und brachte das Manöver zum Scheitern.

Dennoch hatte dieser Angriff wichtige Nachwirkungen. Man soll sich keine Illusionen über Pedro Sánchez als linker Politiker machen, der etwa die sozialen und demokratischen Probleme des Landes konsequent anzugehen bereit sei. Sánchez ist sich durchaus bewusst, dass dies nur mit schmerzhaften Brüchen mit den Eliten des Landes und der EU machbar ist, dass es dabei „rote Linien“ zu überschreiten gilt und auch dass Podemos keine Kraft ist, die ohne weiteres vor den Karren eines leicht getarnten Programms der Fortführung des Status Quo gespannt werden kann.

So begann die zweite Option zu reifen, deren Kernelement wiederum Ciudadanos war. Statt einer Linksregierung brachte Sánchez eine breite Koalition aus PSOE, Ciudadanos und Podemos ins Gespräch: der Weg der 199 (wiederum nach den Stimmen dieser drei Parteien im Parlament) statt des Wegs der 161. Im Wesentlichen sollte es darum gehen, ein gemeinsames Programm zu verhandeln und auf dieser Basis Sánchez zum Ministerpräsidenten zu küren. Dagegen war das Modell einer Linksregierung, das Podemos vorschlug, eine Koalition mit relevanten Ministerposten auch für die anderen beteiligten Parteien. Dagegen wurde das mediale Geschütz aufgefahren, Iglesias ginge es nur um Postenschacher statt um ein Programm des Wandels. Seine Forderung, Positionen zu verhandeln war jedoch äußerst intelligent, gab sie doch dem „Inhalt“ eine entsprechende „Form“: kein Verhandlungskompromiss ohne entsprechende Macht, die eigenen Forderungen auch durchzusetzen.

Die Elite schien sich recht rasch darüber im Klaren gewesen zu sein, dass die Dreierkoalition PSOE, Ciudadanos und Podemos nicht zustande kommen würde. Vielmehr dürfte diese Option für den Machtapparat eine Form gewesen sein, die Schlacht in Richtung Neuwahlen vorzubereiten und dabei Podemos möglichst großen Schaden zuzufügen. Ende Februar unterschrieben Pedro Sánchez und Albert Rivera einen Pakt für eine Regierungskoalition, der zu einer zentralen Waffe des Angriffes auf Podemos wurde. Es begann mit leichter Munition: Podemos als Verhinderer einer Regierung des Wandels, der mit überzogenen Forderungen das Spiel der PP mache.

Nach und nach brachte man schwerere Geschütze in Stellung. Ziel war es, interne Konflikte in Podemos medial zu tiefen Gegensetzen und Spaltungstendenzen aufzublähen. Es begann mit Schwierigkeiten in mehreren territorialen Sektionen in der ersten Märzhälfte, mit Rücktritten der Parteiführer in Galizien und Madrid. Im Zuge dieser territorialen Krisen wurde die Person des Organisationssekretärs Sergio Pascual abgesetzt. Dies wiederum wurde in den Medien zu einer Spaltung zwischen Pablo Iglesias und der „Nummer zwei“ von Podemos Íñigo Errejón gemacht, dessen Abteilung der Organisationssekretär zugehörte. Hier sei besonders auf El Pais hingewiesen, das „Zentralorgan“ der Machteliten der PSOE (inklusive dem immer noch sein Unwesen treibenden Ex-Premier Felipe Gonzales), das über Wochen über die bevorstehenden Spaltungen von Podemos sinnierte. Prompt erschienen dann auch erste Umfragen über die Stimmenverteilung bei eventuellen Neuwahlen, die ein Absinken von Podemos auf 16 % und damit deutlich hinter die PSOE und Ciudadanos prognostizierten.

Dieser letzte Akt der Offensive der Eliten war ein wahrhaftes Lehrstück modernen Klassenkampfes mit den Waffen der Medien und in einer Konjunktur, wo Wahlen zum wichtigsten Schlachtfeld zwischen den alten Oligarchien und den neu entstehenden Oppositionsströmungen geworden sind. Daher verdient dies etwas genauer kommentiert zu werden. Podemos ist keine Partei mit traditionsreicher und konsistenter ideologischer Ausrichtung, sondern ein „postmodernes“ Sammelsurium oppositioneller Ideen und Strömungen: Leute aus der KP/IU-Tradition (zu denen Pablo Iglesias zählt), die Strömung der „Anticapitalistas“ trotzkistischer Provenienz (die prominentesten Namen sind Teresa Rodríguez, Parteiführerin in Andalusien und der Europaparlaments-Abgeordnete Miguel Urbán; diese firmierten auch als Organisatoren des Plan-B Events im Februar 2016 in Madrid), Postmarxisten aus der Antiglobalisierungskultur mit starker Prägung durch die neue lateinamerikanischen Linken (Bolivien, Venezuela), zu denen Íñigo Errejón zählt, Teile des linken Nationalismus in den Regionen, und sicher eine Masse an ideologisch nicht festgelegten Krisenopfern und über die traditionelle Polit-Elite empörte Leute. Diese ideologische Vielfalt in Podemos und das rasante Wachstum seit den Europawahlen 2014 machen Konflikte unvermeidlich. Als wesentliche Fragen haben sich dabei herausdestilliert: (i) die Wahlallianzen (Wahlbündnisse gleichberechtigter Partner vs. Podemos mit Listenplätzen für die Kandidaten anderer Gruppierungen), (ii) die Struktur der Partei (starker zentraler Apparat mit dominanter Rolle der Abgeordneten vs. Einfluss der Basiskomitees), und (iii) die politisch-soziale Orientierung und der entsprechende Diskurs (Linke vs. „Transversalidad“, also gesellschaftliche Breite im Sinne des für Podemos konstitutiven Paradigmas „Volk gegen Kaste“). Diese realen Debatten und Konflikte, die es in der angespannten Situation der Nachwahlperiode auszubalancieren galt (was dem Organisationssekretär Pascual eben nicht gelungen war), wurden von El Pais aufgegriffen, mit dem Ziel sie in der Öffentlichkeit zuzuspitzen und als tiefe Krise von Podemos zu inszenieren – gespickt mit zahlreichen Seitenhieben gegen den autoritären Führer Iglesias und die Degeneration von Podemos zu einer hierarchischen Partei im alten Stil.

Trotz dieses massiven Angriffs und Druckes, schien keine Strömung oder Führungsfigur in Podemos eine bedingungslose Unterstützung einer PSOE-Regierung bzw. des Paktes PSOE-Ciudadanos in Betracht gezogen zu haben. Allen war wohl klar, dass dies den Untergang von Podemos eingeläutet hätte.

Nach dem Scheitern der Dreiergespräche PSOE, Ciudadanos, Podemos am 7. April (die PSOE beharrte auf ihrem mit Ciudadanos unterzeichneten Pakt) ist nun klar, dass es keine Regierung Sánchez geben wird. Die große Koalition, der Traum der Oligarchie, die die PP nun rhetorisch wieder aufs Tapet gebracht hat, ist nach wie vor unrealistisch. Es wird nun im letzten Akt vor der offiziellen Ausrufung von Neuwahlen wohl nur mehr darum gehen, wer den „schwarzen Peter“ für den neuerlichen Wahlgang umgehängt bekommt. Podemos hat bereits mit einer Basisbefragung gegengesteuert. Der offene Wahlkampf wird also in Kürze beginnen.

Abschließend seien zwei Dinge unterstrichen:

  • Die Angst der Elite ist mehr vor der politischen Situation, die eine Regierung mit Podemos eröffnen könnte, nicht so sehr vor dem Programm der Partei. Auch unter der griechischen Syriza steuerte das Land auf einen Bruch mit der herrschenden Ordnung zu, ohne dass das von der Führung so gewollt war (Juli-Referendum). Mit Podemos als nahezu gleichberechtigter Teil in einer PSOE Regierung, inklusive Minister, müsste die Elite mit Kräften ein Auskommen finden, die ihr noch nicht vertraut sind und die erst domestiziert werden müssen. Dieser Unsicherheit will sich die Oligarchie offenbar nicht stellen. Insbesondere die nationale Frage (Katalonien, Baskenland) könnte in einem solchen politischen Umfeld äußerst explosiv werden. Es ist also nicht Podemos als Partei und ihr Programm als solches, die einen Bruch mit der Oligarchie auslösen würde, sondern die politische Dynamik, die eine Regierungsbeteiligung von Podemos katalysieren könnte.
  • Wie in Griechenland müsste sich eine Regierung gegen die Eliten dem europäischen Korsett stellen, das die Austerität auch in Spanien in die Verfassung geschrieben hat (Artikel 135). Podemos ist wie Syriza weit davon entfernt, sich der Bedeutung dieses unvermeidlichen Konflikts bewusst zu sein und programmatisch darauf einzulassen. Dementsprechend ist auch in Spanien eine Situation möglich, wie in Griechenland zur Zeit des Juli-Referendums: die politische Dynamik drängt auf einen Bruch und die vorhandenen Kräfte können und wollen diesen nicht organisieren. Um dieses künftig mögliche politische Vakuum zu vermeiden, sind auch in Spanien die Kräfte der Anti-Euro-Linken entscheidend. Die Tragik, den Widerspruch zwischen objektiven Chancen und subjektiven Möglichkeiten nicht aufzulösen, könnte sich aber auch in Spanien wiederholen. Der Versuch einer europäischen Koordination der Anti-Euro-Linken ist ein Versuch, gegen die Wiederholdung der griechischen Geschichte koordiniert vorzuarbeiten.

 

Gernot Bodner, www.euroexit.org

Wien 10. April 2016