Sie lügen sobald sie den Mund aufmachen

Frans Timmermans, niederländischer Sozialdemokrat und Vizepräsident der EU-Kommission war gerade rechtzeitig in Wien, vor zwei Tagen. Der ORF lud ihn ins Mittags-Journal, um ihm die richtige Plattform zu verschaffen. „Wir müssen versuchen, für die Bevölkerung auf­zutreten. … Wenn ein Partner einfach weggeht und eine Volksabstimmung macht, da kann man nicht weiter. … Man kann nicht einfach nein sagen. … Die griechische Regierung darf nicht nur nein sagen… Bisher haben wir nur wenig gesehen. … Wir machen keinen Wahlkampf“ – nur hat eben Juncker gesagt, die Griechen müssten JA stimmen; wie er ja auch schon vor dem Jänner gesagt hat, sie dürften nicht SYRIZA wählen; etc.

Der ORF und praktisch alle anderen Medien schlucken dies nicht nur. Sie legen stets noch ein Schäuferl drauf. Sie lügen und verbreiten Schreckensmeldungen, dass man meinen könnte, es gehe um einen Wahlkampf in Österreich.

Die Journalisten lügen genauso, wie die EU-Kommissare und die nationalen Politiker. Die griechische Regierung hat keine Vorschläge gemacht? Sie willdas Besteuerungssystem nicht ändern? Es habe keine Verschlechterung für die Rentner / Pensionisten gegeben?

Sehen wir uns in wenigen Details an, was die taz vor einer Woche aus dem Wallstreet Journal übernahm und auszugsweise veröffentlichte (eine ausführlichere Fassung findet sich auf www.taz.de/SparGR).

 

Schwarz ist der griechische Vorschlag. Die Troika, die jetzt eben anders heißt, hat durchge­strichen, und ihre Befehle daneben geschrieben. Die Körperschaftssteuer darf also nicht so erhöht werden, wie es die griechische Regierung möchte. Eine einmalige Sondersteuer auf Profite über 500.000 Euro wird ebenfalls ersatzlos abgelehnt. Das sei „wachstumsschädlich“ – ein blutiger Hohn seitens einer Institution, welche die griechische Wirtschaft seit vielen Jahren nach unten drückt. Die Mehrwertsteuer soll nicht auf Grundnahrungsmittel ermäßigt werden, auf Brot z. B.; shttps://www.euroexit.org/wp-admin/media-upload.php?post_id=356&type=image&TB_iframe=1ondern auf „unverarbeitete Lebensmittel“; das wäre z. B. Kaviar.

Der Primärüberschuss zwecks Schuldenrückzahlung soll Jahr für Jahr steigen und 2018 und Folgejahre 5 % (fünf Prozent) des BIP erreichen – in einer Wirtschaft, in der ohnehin nicht mehr investiert werden kann.

Das Pensionsalter soll 67 Jahre betragen: in einer Wirtschaft, wo die Arbeitslosigkeit gegen 30 % zu geht, und wo diese Verlängerung ausschließlich weitere Arbeitslose schaffen wird. Und die „Unterstützung der bedürftigsten Rentner“ dürfe erst ab diesem Alter einsetzen. Man hofft offenbar, dass die Leute bis dorthin ohnehin krepiert sind.

Überhaupt: „Es wurden keine Rentenkürzungen mehr verlangt“ (Juncker). Nur werden die Beiträge zur Krankenversicherung um ein Drittel erhöht, und insgesamt soll bei den Pensionen ein weiteres Prozent des BIP heraus gerissen werden. usw.

Die griechische Regierung lag schon auf den Knien. Aber sie sollte auf dem Bauch liegen und die Stiefel lecken.

Und übersehen wir nicht: Diese verbrecherische Organisation, die sich EU nennt, hat ihre Verbündeten nicht nur in Griechenland, sondern auch in der SYRIZA. Spyros Sagias, meldet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf griechische Zeitungen, Generalsekretär der Regierung, sei insgesamt gegen das Referendum und soll bereits den sofortigen Rücktritt von Varoufakis als Zeichen der Unterwerfung verlangt haben. Aber das ist nicht das Schlimmste. Das Schädlichste ist: Die Regierung Tsipras selbst nährt noch immer die Illusion: Wir werden nach einem NEIN ein besseres Abkommen heraus handeln. Wir bleiben in der Eurozone und in der EU.

SYRIZA kann mit dieser Haltung nur scheitern. Die EU im Allgemeinen und die Eurozone im Besonderen hat es auf die Kraftprobe ankommen lassen. Unter den gegenwärtigen Umständen wird sie sie gewinnen, wenn diegriechische Politik nicht endlich konsequent ist.

Zuerst allerdings geht es um das NEIN. Und da braucht diese Regierung trotz aller Kritik die volle Unterstützung, wie schwach diese immer sein mag, der europäischen Linken.

Albert F. Reiterer – 3. Juli 2015.