MIGRATION III – „HUMANITÄRE HILFE“: KULTURKAMPF ALS NEUER KLASSENKAMPF

Die Eliten und ihre Intellektuellen nutzen die Migration

Ein neuer Kulturkampf ist ausgebrochen. Da macht sich also eine Profil-Journalistin namens Edith Meinhart (28. September 2015) auf die Suche nach „dem Stammtisch-Wähler“. Und im Kurier vom 25. Oktober 2015 sind andere (Walter Friedl / Ingrid Steiner Gashi) sehr beunruhigt über die geringe Bereitschaft zur Weltoffenheit bei den „sozial Schwachen“.

Endlich können die mainstream-Medien und ihre Auftraggeber guten Gewissens auf die intoleranten und ausländerfeindlichen Unterschichten losgehen. Ist nur ein Pech, dass mittler­weile auch, wie sie es formulieren, „die Mitte“ nicht mehr von der Entwicklung ausgespart ist, dass selbst Lehrer und Bankangestellte, also typische Figuren der unteren Mittelschicht, ja sogar bis in die mittlere Mittelschicht, also deutlich über den Median der 50 % hinweg, dort angekommen sind, dass sie – mangels ihnen erkenntlicher Alternative und dank jahrzehnte­langer Hetze – nur mehr die Möglichkeit sehen, bei der Strache-Partei ein Kreuzerl zu machen.

Gegen „die Furcht der sozial Schwachen, die ohnehin knappen Mittel“ – wer sagt eigentlich, dass die Mittel knapp sind? Die Gewinne sind hoch wie nie! – „jetzt mit den Zuzüglern teilen zu müssen“, schlägt ein deutscher Zyniker, angeblich Politologe, vor, „die Meinungsführer­schaft wieder zu erlangen“ (?), und „die Bevölkerung durch eine Politik der Symbole zu beruhigen“ (im Kurier). Kann man es noch offener sagen, worum es den Herrschenden geht?

Die Geschehnisse der letzten zwei Monate, die „Flüchtlings-Krise“, ist wirklich eine Krise. Aber man muss sie richtig verstehen. Es ist eine offene Krise des Weltsystems. Die Merkel-Chuzpe wird ihr wenig bringen, trotz Sukkurs solcher Kaliber wie Faymann. Zuerst löste sie den massiven Zustrom aus; dann weigert sie sich, wie gewöhnlich, ihren Fehler zuzugeben. Sie will die Anderen dafür in die Pflicht nehmen. Machen wir uns jedoch nichts vor: Die Menschen wären so oder so gekommen, wenn auch nicht in dieser geballten Menge. Wir müssen uns also mit dem Problem seriös auseinander setzen.

Hier aber geht es vorerst um einen spezifischen Aspekt. Die Eliten und ihre Hilfskräfte fühlen sich für einmal wirklich im Recht und glauben, auf ihr sonst manchmal bei der massiven Umverteilung nach oben doch erkenntliches schlechtes Gewissen verzichten zu können. Vertreten sie nicht das Prinzip des Humanitären? Leben sie nicht für Einmal wirklich dem Universalismus nach, der sonst so durchsichtig nur der Eigennutz ist?

Es ist ein Himmelsgeschenk für sie, denn da ist was dran: Sie sind plötzlich gute Menschen auf Kosten von Anderen, und langfristig wird ihnen dies auch noch in der Umverteilung etwas bringen. Denn Massen-Zuwanderung senkt die Löhne der Unterschichten, hebt aber tendenziell die Einkommen oben.

Es ist ein wirklicher Kulturkampf, und wie jeder Kulturkampf, ist er beladen mit materiellen Interessen. Denn wer kann widersprechen, dass Menschen aus Syrien – Kriegsflüchtlinge, wenn auch vielleicht nur die Hälfte der Ankommenden – dringlich Hilfe brauchen? Aber nochmals: Auf wessen Kosten? Schon macht die Idee von einer neuen Massensteuer die Runde. Und vor allem: Man braucht bloß die Beiträge in diesen Medien lesen, im Profil, im Standard, im Kurier! Nun kann man endlich in aller Deutlichkeit sagen, wie letztklassig diese „sozial Schwachen“ sind, wie unmenschlich und wie selbstsüchtig. Gewöhnlich müssen politisch Korrekte ja höchst sorgsam mit ihren Worten umgehen und dürfen nicht wirklich sagen, was sie denken. Hier haben sie nun endlich die Möglichkeit, ihren Gefühlen und ihren Ressentiments gegen die unten freien Lauf zu lassen.

Nur zu Klarstellung: Wir gehören nicht zu jenen, die glauben, sie müssten ins Gänsehäufl gehen, um dort prächtige Proletarier-Körper zu bewundern. Die meisten von uns sind auch nicht bereit, ihren eigenen Lebensstil zu verleugnen, um plebeische Sitten und Gebräuche in den Himmel zu heben. Wir wollen die Bedingungen ändern, welche die Menschen so zurichten. Wir fragen nach, wie diese Menschen zu dem wurden, wie sie eben sind. Wir wollen keine Unterschicht-Menschen und keine subalterne Klassen mehr.

Einen „Kulturkampf“, einen Klassenkampf gegen die Unterschichten zu führen, weil sie nicht die Haltungen und den Stil der Mittel- und Oberschichten aufweisen, weil sie um ihren bescheidenen Lebensstandard fürchten, den ihnen die herrschende Politik immer mehr schmälert, das ist wahrhaft dieser oberen Mittelschichten und ihrer Heuchelei wert.

Vielleicht sollten wir uns auch erinnern: Die Erste Internationale, die Internationale, die noch von Marx und Engels mitbegründete wurde, entstand auch aus einer vergleichbaren Situation. Die Weltausstellung in London 1862 zog eine Menge fremder Arbeitskräfte an. Nicht zuletzt aus dem deutschen Sprachraum kamen jene, die in London zumindest für kurze Zeit Arbeit und Einkommen erwarteten. Die Folge war, dass sich die britischen Arbeiter gegen die Lohn­drücker vom Kontinent wandten. Dagegen versuchten nicht zuletzt die Sozialisten im Londo­ner Exil, eine sinnvolle Politik zu entwerfen. Eine Folge u. a. war die Internationale Arbeiter-Assoziation.

Doch das hilft uns heute nicht weiter. Es zeigt nur, dass Immigration von den Eliten und vom Kapital stets für ihre eigenen Interessen missbraucht wurde. Es ist damit die blauäugigste Naivität, in die Slogans der liberalen Zeitungen einzustimmen: „Welcome Refugees“ ist ein purer Hohn für alle jene, die es bereits absehen können, wie nach den Kosten der sogenannten Steuerreform nun auch die Kosten der Flüchtlingsversorgung und der Immigration, welche diese Stimmung nutzen will, wieder von ihnen getragen werden müssen: durch reale Senkung der Pensionen; durch Manipulieren an den „Zumutbarkeits-Bestimmungen“; durch Nicht-Valorisieren des Pflegegelds; durch Erhöhung der Mehrwertsteuer; Verlängerung der Arbeitszeiten („Flexibilisierung“); usw.

Internationalismus heißt weder, auf nationale Zugehörigkeiten verzichten, noch auch, der Schmutz-Konkurrenz niedriger Löhne durch die sosehr geförderte Immigration den eigenen Standard opfern. Es ist geradezu unverantwortlich, auf die Slogans der Eliten und ihrer Helfer einzusteigen, und zu deren Bedingungen ihren Dreck aufzuarbeiten.

Für uns ist dies Alles ein Problem. Wir geben auch nicht vor, schon valide Antworten darauf zu haben. Wir müssen dies neu durchdenken. Aber wir werden sicher nicht in den Chor derer einstimmen, die nur zu gut wissen, was sie tun – und die dies nun endlich mit bestem Gewissen tun wollen, da sie doch den armen Menschen an der österreichischen Grenze helfen, bevor sie die Regierung durchwinkt.

  1. Oktober 2015

Ein Hinweis

Ein nützliches Buch ist

Collier, Paul (2014), Exodus. Warum wir die Einwanderung neu regeln müssen. München: Siedler.