Unidos Podemos – Probleme und Perspektiven der Confluencia

von Klaus Dräger

 

Die Parlamentswahl in Spanien am 26. Juni 2016 verlief für die europäische ‚radikale Linke‘ enttäuschend. Podemos, Izquierda Unida (IU), die Grünen (Equo) und lokale und regionale Kräfte aus sozialen Bewegungen waren erstmals landesweit in einem gemeinsamen Wahlbündnis angetreten – Unidos Podemos (Gemeinsam können wir’s). Eine ‚confluencia‚ (Zusammenfluss) der oppositionellen sozialen und politischen Strömungen jenseits der PSOE sollte so Kräfte bündeln und dadurch mehr Mandate erreichen, weil das spanische Wahlrecht größere Formationen begünstigt.

Erklärtes Ziel von Unidos Podemos (UP) war, die PSOE als zweite politische Kraft in Spanien zu überholen (sorpasso), um sie dann aus einer Position der Stärke in eine ‚Koalition der Linken‘ zu zwingen. Daraus ist nichts geworden, UP kam nur auf den dritten Platz. Im Vergleich zum Wahlergebnis vom 20.12.2015, als Podemos und IU noch getrennt antraten (zusammen 24,3 %), erreichten sie im Bündnis nur 21,1% und verloren rund 1,1 Millionen Stimmen.

 

Eine nach Schließung der Wahllokale veröffentliche Umfrage der Fernsehsender TVE und TV3 sah die konservative Partido Popular (PP) mit 28,5 % an erster Stelle, Unidos Podemos mit 25,6 % auf dem zweiten Platz, gefolgt von der sozialdemokratischen PSOE mit 22 % und der neo-liberalen Ciudadanos (C’s) mit 11,8 %.

Es kam jedoch anders: die PP erreichte 33 % (+ 4,3 % gegenüber Dezember 2015), die PSOE 22,7 % (+ 0,6,%, aber Verlust von 120 606 Stimmen und 5 Mandaten ggü. Dezember 2015), Unidos Podemos 21,1% (ggü. 20,7 % für Podemos und 3,7% für IU zuvor) und C’s 13 % (-0,9 %). Bei der Wahl im Dezember 2015 hatten sich die Demoskopen auch schon verschätzt – damals sagten sie einen höheren Stimmenanteil für C’s und einen niedrigeren für Podemos voraus. Das amtliche Wahlergebnis war in dieser Hinsicht umgekehrt.

Im Endspurt des Wahlkampfs 2016 hagelte es nur so von Berichten in den Medien über alte und neue Korruptionsskandale, in die hochrangige Politiker der PP verwickelt sind. Doch dies störte deren Wählerschaft diesmal nicht – Augen zu und durch. Der noch amtierende PP-Ministerpräsident Mariano Rajoy führte einen polarisierten Wahlkampf gegen die angeblich von ‚Kommunisten‘ und von Venezuela gesteuerte UP, denen man das Land nicht überlassen dürfe. Wenn deren Spitzenkandidat Pablo Iglesias Ministerpräsident würde, werde Spanien wie Venezuela unter dem ’sozialistischen Diktator Maduro‘ in der Krise versinken. Leere Regale in den Kaufhäusern, galoppierende Inflation usw. drohten.

‚Keine Experimente‘ nach dem Brexit, angesichts von Flüchtlingskrise, islamistischem Terror und schwieriger Wirtschaftslage war das Credo seiner Angstkampagne. Hinzu kam ein sehr gezielter Mikro-Wahlkampf der PP: in Wahlkreisen, in denen die neo-liberale C’s keine oder nur schwache Chancen hatte, ein Mandat zu erreichen – bitte nützlich für das rechte Lager (also PP) wählen.[1] So schafften es die Konservativen, Stimmen von C’s zurückzuholen und rechte WählerInnen hinzu zu gewinnen, die sich beim Urnengang im Dezember 2015 enthalten hatten. Die PP war die einzige spanische Partei, die bei der Parlamentswahl vom Juni 2016 in Prozenten und absoluten Zahlen hinzugewann. Alle anderen fuhren im Vergleich zu 2015 schlechtere Ergebnisse ein.

Teil I: Die Nabelschau danach – Verluste wegen oder trotz der Confluencia zur UP?

Was geschah mit den 1,1 Millionen WählerInnen, die im Dezember 2015 noch für Podemos oder IU gestimmt hatten, im Juni 2016 aber nicht mehr für UP? Die Meinungsforschungsinstitute vermuten, dass diese nicht andere Parteien wählten, sondern im letzten Moment nicht zur Wahl gingen.[2] So erkläre sich die Diskrepanz zwischen ihren letzten Umfragen und dem realen Ergebnis von Unidos Podemos.

Im Vergleich zum Dezember 2015 verlor UP vor allem in den 10 größten Städten Spaniens (von 27 % für Podemos und IU 2015 auf 23 % für Unidos Podemos 2016). Die PSOE konnte sich dort halten oder ihr Ergebnis leicht verbessern, und auch die PP legte dort zu. In den ländlichen Gebieten (Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern) verlor UP hingegen nur leicht. Die Unterstützung für Podemos durch lokale linke Bündnislisten wie jene von Ada Colau (Bürgermeisterin von Barcelona) spielte bei der Wahl im Dezember 2015 eine wichtige Rolle für den damaligen Erfolg. Bei der Wahl im Juni 2016 waren es aber diese von linken Listen regierten Städte, in denen der deutlichste Rückgang zu verzeichnen war.[3]

Mehr als jeweils 20 000 Stimmen verlor das Wahlbündnis in seinen früheren Hochburgen wie Barcelona, Valencia, Zaragoza und Sevilla. In der Großregion Madrid büßte UP 216 580 Stimmen ein, und in der von Bürgermeisterin Manuela Carmena von ‚Ahora Madrid‘ regierten Hauptstadt davon 105 576 Stimmen. Ein Jahr nach den Regional- und Kommunalwahlen 2015 hat sich gezeigt, dass die lokalen linken Bündnisse große Schwierigkeiten haben, im Amt ihre versprochenen Projekte für einen sozialen Politikwechsel durchzusetzen.[4]

War IU schuld?

Über die Gründe für die Stimmenverluste gibt es innerhalb des UP-Wahlbündnisses sehr unterschiedliche Meinungen. Der Koordinator von Izquierda Unida, Alberto Garzón, sieht den chaotischen Prozess der Herausbildung des Wahlbündnisses auf lokaler und regionaler Ebene als einen wesentlichen Faktor. Es sei nicht leicht gewesen, Konkurrenz unter und Vielstimmigkeit innerhalb seiner verschiednen Komponenten bei den Auftritten genügend einzudämmen. Dies habe der Effizienz des Wahlkampfs geschadet. Man habe vor allem weniger politisierte WählerInnen so in die Wahlenthaltung verloren.

Der Wahlkampfleiter von Podemos, Íñigo Errejón, hatte sich zuvor skeptisch bis ablehnend zum Bündnis von Podemos und IU geäußert. Nach der Wahl sah er sich bestätigt: 2 plus 2 ergebe in der Politik nicht unbedingt 4. Das Bündnis mit IU habe nicht die in es gesetzten Erwartungen erfüllt. Andere wollen erkennen, dass UP gerade in Regionen schwach abschnitt, in denen IU zuvor stark war. Dies bestreitet Garzón: eine Analyse von Podemos zeige, dass die Verluste ziemlich homogen über alle Regionen verteilt waren.[5] Allerdings hat in den wenigen Wahlkreisen, in denen Mitglieder von IU Spitzenkandidaten von UP waren, kein einziger von ihnen es ins Parlament geschafft. In einer Umfrage vor der Juni-Wahl gaben 12 % der IU WählerInnen an, keinesfalls für das Wahlbündnis stimmen zu wollen, weitere 30 % waren sich nicht sicher.

Innerhalb von Podemos wurde angesprochen, das Wahlprogramm im Format eines IKEA-Katalogs und der inhaltsleere zentrale Wahlslogan (Unidos Podemos – La sonrisa de un pais; Gemeinsam können wir’s – Das Lächeln eines Landes), garniert mit einem Herzen, sei mit für die Schwäche der Wahlkampagne verantwortlich.

Waren Podemos und die Verhandlungen zur Regierungsbildung seit Dezember 2015 schuld?

Laut einer von der Zentrale mit den lokalen Podemos-Kreisen durchgeführten Konsultation sieht die Basis der Partei eine wesentliche Ursache darin, dass zu viel über die beabsichtigte Koalition mit der PSOE und zu wenig über die Probleme der Bevölkerung und die inhaltlichen Alternativen des Bündnisses gesprochen wurde. Die Parteiführung von Podemos habe während der Debatten im Parlament und bei den letztlich gescheiterten Verhandlungen mit PSOE und C’s widersprüchliche Signale gesendet. Pablo Iglesias hatte zuerst in einer viel beachteten Rede die PSOE und das historische Erbe von Felipe Gonzales scharf kritisiert sowie den Pakt von PSOE und C’s zur Bildung einer sozialliberalen Minderheitsregierung abgelehnt. Nur kurze Zeit später habe er aber dennoch Verhandlungen mit beiden Parteien über eine ‚Alternative zu Rajoy‘ aufgenommen. Als diese scheiterten und so Neuwahlen unausweichlich wurden, propagierten Podemos und IU gemeinsam: die PP ist der Hauptfeind, sie darf nicht wieder regieren – der PSOE reichen wir für eine gemeinsame Regierung die Hand. [6]

Dieser Zickzackkurs – erst scharfe Kritik an der PSOE und dann die Signale, mit ihr regieren zu wollen und dabei zu weitgehenden Zugeständnissen bereit zu sein – sei für manche WählerInnen wohl nicht nachvollziehbar gewesen.

Wahlkampf-Endspurt: ‚Neue Sozialdemokratie‘, Zapatero als Retter usw. …

Insbesondere der Diskurs von Pablo Iglesias und Íñigo Errejón, Podemos dann gegenüber den spanischen Wirtschaftsverbänden als ‚Neue Sozialdemokratie‘ [7] anzupreisen, ist in den Augen der Podemos-Basis nach hinten losgegangen.

Offensichtlich ist, dass das Label Socialdemócrata an der Selbsteinschätzung der meisten WählerInnen von UP und der PSOE vorbeigeht. Für die AnhängerInnen der PSOE ist sozialdemokratisch eher eine Bezeichnung, die auf Formationen wie Tony Blairs New Labour oder Gerhard Schröders SPD der Neuen Mitte zutrifft. Die PSOE mit ihrer ‚heroischen Tradition‘ aus dem spanischen Bürgerkrieg wird von ihnen weiterhin als irgendwie sozialistisch angesehen. Laut einer Umfrage des Forschungsinstituts CIS vor der Juni-Wahl 2016 bezeichneten sich 49,1 % der befragten PSOE-WählerInnen als sozialistisch und nur 11,7 % als sozialdemokratisch. Bei den AnhängerInnen von Podemos sahen sich 23,8 % als progressiv, 16,9 % als sozialistisch, 7,8 % als kommunistisch und nur 6,3 % als socialdemócrata. Die größte Gruppe der AnhängerInnen von Izquierda Unida (20,9 %) bezeichnete sich als kommunistisch, 16,2 % als progressiv, 15 % als sozialistisch und immerhin 8,2 % als sozialdemokratisch.[8]

In der Endphase des Wahlkampfes rühmte Iglesias den vormaligen Regierungschef der PSOE, José Luis Zapatero, als den besten demokratischen Ministerpräsidenten der spanischen Nachkriegszeit. 2003 hatte Zapatero versprochen, den Vorschlag des Regionalparlaments von Katalonien für ein neues Autonomiestatut zu akzeptieren. Dieser wurde 2010 jedoch vom Obersten Gerichtshof Spaniens endgültig kassiert. Mit der Eloge auf Zapatero beabsichtigte Iglesias offenbar, den Konflikt über ein drohendes einseitiges Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens zu entschärfen: die Kräfte in der PSOE stärken, die im Vergleich zur zentralistischen Position ihres Spitzenkandidaten Pedro Sanchez und ihres Altmeisters Felipe González zumindest für eine weitere Föderalisierung des spanischen Staates offen sind.

Die Bewegung der Indignados (15M), die ab dem 15. Mai 2011 Massendemonstrationen und Platzbesetzungen in Spanien durchführte, hatte gegen die ab 2010 von Zapatero betriebene und von der konservativen Regierung nach ihrem Wahlsieg vom 20.11.2011 verschärfte Austeritätspolitik mobilisiert, ‚echte Demokratie‘ und einen verfassungsgebenden Prozess für Spanien gefordert. Podemos hatte sich als Erbe und parlamentarisch-politischer Arm der Indignados präsentiert. Es dürfte für manche WählerInnen aus dem 15-M-Spektrum schwer verständlich gewesen sein, warum der früher gerade von Iglesias scharf kritisierte Zapatero nun von ihm zur umworbenen Lichtgestalt erhoben wurde.

Insgesamt gibt es somit ein Bündel von Faktoren, die für den Rückzug der 1,1 Millionen früherer WählerInnen von Podemos und IU in die Wahlenthaltung auszumachen sind. Die Angstkampagne der PP und Venezuela[9] mögen eine Rolle gespielt haben. Ernüchterung über den von den lokalen und regionalen Linksbündnissen bisher erreichten ‚Politikwechsel‘ , der Diskurs über ‚Neue Sozialdemokratie‘ und das ungewöhnliche Lob auf Zapatero waren auch aus meiner Sicht wohl maßgeblicher.

Teil II: Probleme der Confluencia – ein Rückblick

Aus meiner Sicht formen die diversen Strategiewechsel der beiden Linksformationen Podemos und IU seit 2014 den Hintergrund für die nachlassende Dynamik der Confluencia im Juni 2016.

Das Projekt eines Zusammenflusses oppositioneller sozialer Bewegungen und politischer Strömungen wurde von Pablo Iglesias (damals u.a. noch als Berater von IU tätig) schon in 2013 angeregt. Seiner Analyse nach hätten die massenhaften Proteste der Indignados 2011/12 eine organische Krise der politischen Repräsentation im Sinne von Gramscis Hegemonietheorie ausgelöst. Es habe sich ein neues Alltagsbewusstsein entwickelt, das soziale Grundrechte, wirkliche Demokratie usw. gegen die Austeritätspolitik und neoliberalen Strukturreformen von PSOE und PP kämpferisch einklagt. Die Bewegung der Indignados habe aber scheitern müssen, weil bloße Mobilisierung sozialer Gegenmacht die Institutionen nicht in ihrem Sinne verändern könne.[10]

Es käme also darauf an, dieses neue Alltagsbewußtsein hegemonial zu machen und durch ein möglichst breite Formation auf die politisch-institutionelle Ebene Einfluss zu nehmen. Ein Aufruf ‚Den Stein ins Rollen bringen – Die Empörung in politische Veränderung verwandeln‚ – unterzeichnet von diversen Intellektuellen, Kulturschaffenden, AktivistInnen von 15-M und sozialen Bewegungen – argumentierte in diesem Sinne für ein breites Wahlbündnis zur Europawahl 2014.

Anfang 2014 fanden Gespräche mit Izquierda Unida darüber statt, die aber scheiterten. Man konnte sich unter anderem nicht auf die Methode zur Aufstellung von Wahllisten einigen: Vorwahlen per Internet unter allen SympathisantInnen eines solchen Zusammenflusses oder, wie von IU verlangt, verhandelt durch die beteiligten Parteien und Gruppen? Dahinter standen aber auch Differenzen über das Selbstverständnis des Projekts einer confluencia. Während es IU eher um ein klassisches linkes Wahlbündnis mit breiter Beteiligung aus sozialen Bewegungen auf offenen Listen ging, bestanden die späteren Gründer von Podemos darauf, ‚die Falle von links und rechts zu vermeiden‘ und es als transversale, die tradierten Lager überschreitende Bürgerbewegung aufzustellen.

Podemos Strategie I: Latino-Populismus gegen die ‚Casta‘

Orientiert an der Populismus-Konzeption von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe ging es ihnen darum, mit einer ‚plebejischen Ansprache‘ das ‚Volk‘ mit seinen sozialen und demokratischen Anliegen gemäß einem klaren Freund-Feind-Schema gegen die korrupte ‚politische Kaste‘ und die ‚alten Eliten‘ in Stellung zu bringen. Von einer Lateinamerikanisierung der spanischen politischen Landschaft war die Rede. Die Gewerkschaften und die traditionelle Linke (wie IU) hätten angesichts der 15-M-Bewegung versagt. Ihre traditionelle Rhetorik von Klassenkampf und ‚linken Werten‘ könne nur kleine Minderheiten erreichen. 15-M habe diskursiv ein Fenster der Gelegenheit geöffnet, um das ’neue Alltagsbewusstsein‘ jenseits der tradierten Symbolik von links und rechts politisch wirksam zu machen.

Dieser Diskurs wurde zuvor in Fernsehprogrammen wie La Tuerka (Die Schraube) und Fort Apache getestet, die von einigen der späteren Podemos-Gründer betrieben wurden. Als dessen Propagandist war Pablo Iglesias bereits seit 2013 auch durch viele Auftritte in diversen anderen Talkshows etabliert. Das Konterfei des bekannten ‚Professors mit dem Pferdeschwanz‘ zierte als Logo für Podemos die Stimmzettel zur Europawahl 2014. Das Projekt Podemos war so schon in einem sehr frühen Stadium von einem Dutzend Akademikern der Madrider Universität Complutense – mit soziologischen Studien und Thesenpapieren unterfüttert – quasi am Reißbrett entworfen worden.

Im Zentrum stand eine mediale (TV, Radio, Internet) Diskursstrategie von einem neuen ‚Wir‘ gegen das ‚alte, korrupte Establishment‘ aus Wirtschaft, PP und PSOE. Die ‚Organizer‘-Fähigkeiten von Gruppen wie Izquierda Anti-Capitalista, Juventud sin Futuro und anderen aus der 15-M Szene waren als Rückgrat des Kampagnen-Apparats zum Parteiaufbau (Podemos-Kreise auf lokaler und regionaler Ebene, Koordination durch die Zentrale) zunächst nützlich und willkommen. Die neue Formation Podemos schaffte bei der Europawahl im Juni 2014 aus dem Stand 8 % und IU 10 %.

Im November 2014 kam dann die Bürgerversammlung der Podemos-Kreise in Vistalegre zusammen, um das Programm und die Statuten für die neue Partei zu verabschieden. Gemäß dem offiziellen Anspruch, ‚echte Demokratie‘ anzustreben und eine ‚Bürgerbewegung‘ bilden zu wollen, wäre eine pluralistisch zusammengesetzte, integrative kollektive Leitung von Podemos eigentlich zu erwarten gewesen. Per Internet (statt auf Voll- oder Delegiertenversammlungen der Mitglieder) wurde abgestimmt, und den máximo lider kannten ja alle aus dem Fernsehen.

So setzte sich das von Pablo Iglesias vorgeschlagene traditionelle Parteimodell durch: ein Generalsekretär an der Spitze, der das Personal der Parteizentrale nach gusto besetzen kann; und eine Wahl nach geschlossenen Listenvorschlägen für die zentralen Parteigremien. Die von Iglesias vorgeschlagene Liste machte den Durchmarsch, er wurde Generalsekretär. Die für den Parteiaufbau vormals so nützlichen ‚Kader‘ der Izquierda Anti-Capitalista verloren ihre Stellen im zentralen Apparat, denn Doppelmitgliedschaften in Organisationen müssten bei Podemos künftig vermieden werden. In Iglesias Worten: „Falls uns irgendetwas stark gemacht hat, dann dass wir es militanten Gruppen nicht erlaubt haben, uns von den Wünschen der Gesellschaft zu isolieren (und) eine Organisation zu übernehmen, die (…) ein Instrument für den Politikwechsel in Spanien ist.„[11]

Aus den hier ausführlicher geschilderten Konfliktlinien um die politische Strategie ergibt sich m.E. ein Strukturmuster, welches das ‚politische Feld‘ der Confluencia und die Widersprüche seiner Akteure bis heute ungelöst prägt : z.B. Linksblock- plus ‚Volksfront‘-Strategie auf Seiten von IU, Populismus plus Transversalismus auf Seiten von Podemos, und deren entsprechende Mischungen später. Die Entwicklungen seit der Europawahl 2014 bis nach der Wahl vom Juni 2016 zeichne ich vor diesem Hintergrund eher kursorisch nach.

Als Podemos von November 2014 bis Januar 2015 in Umfragen bisweilen als stärkste Partei oder gleichauf mit den Konservativen lag, sah sich die Parteiführung mit ihrer populistischen Strategie à la Laclau bestätigt. Nach dem Vorbild von Syriza in Griechenland wollte sie so die Regierungsmacht erobern, um den Austeritätskurs in der EU zu beenden.

Bei den Regionalwahlen im Mai 2015 trat Podemos in mehreren Großstädten in breiten Wahlbündnissen mit Kräften aus den sozialen Bewegungen an. Im gesamtspanischen Durchschnitt kam die Partei mit rund 15 % aber nur auf den dritten Platz. Bekannt sind die Erfolge von Barcelona En Comú mit Ada Colau als Gewinnerin der Bürgermeisterwahl, aber ohne Mehrheit für ihr Bündnis im Stadtrat von Barcelona. Oder Ahora Madrid (ein Bündnis von Kräften aus lokalen sozialen Bewegungen, IU und Dissidenten von Podemos) mit Manuela Carmena als neuer Bürgermeistermeisterin. Auch in Valencia, Zaragoza, A Coruña, Santiago, Irunea, Badalona und Cádiz konnten linke Ratslisten deutlich punkten. Häufig wurden aber lokale Bündnisse mit der PSOE geschlossen, um mit breiteren Mehrheiten regieren zu können. Im Populismus-Konzept von Podemos war die PSOE als Bestandteil der korrupten und mit der Oligarchie verbunden politischen Kaste gebrandmarkt worden. Nun nahm man in Bezug auf die PSOE zunehmend Abstand von diesem ursprünglichen Diskurs – der erste Strategiewechsel.

Podemos Strategie II: Transversal in die Mitte expandieren

Umso mehr wurde nun die Transversalität von Podemos hervorgehoben. Um WählerInnen aus der Mitte nicht zu verschrecken, wurde programmatisch gegenüber dem erwähnten Aufruf ‚Den Stein ins Rollen bringen‘ und dem Europawahlprogramm von 2014 abgerüstet. So wurde z.B. die Forderung nach einem Austritt aus der NATO und der Vergesellschaftung der Energieversorgung fallen gelassen, die harte Kritik an der spanischen Verfassung von 1978 und Forderungen zur Umverteilung des Reichtums abgeschwächt.

Für die Parlamentswahl im Dezember 2015 trat Podemos in einigen Regionen im Rahmen von Bündnislisten mit IU, Grünen und diversen anderen Kräften an (Galicien, Katalonien, Valencia), die sehr gute Ergebnisse erzielten. IU unter ihrem neuen Frontmann Alberto Garzón hatte bereits nach den Regionalwahlen vom Mai 2015 darauf gedrungen, für die Parlamentswahl im Dezember eine breite Confluencia auf nationaler Ebene zu schmieden. Jetzt war es die Podemos- Zentrale, die dies ablehnte und IU als ‚traditionelle bürokratisierte Linke‘ angriff. Pablo Iglesias und Íñigo Errejón bauten eine straff von oben geführte Wahlkampfmaschine auf, um Podemos ‚als Marke‘ für die Dezemberwahl und den angestrebten ‚Cambio‘ (Politikwechsel) zu etablieren. Die PSOE müsse dafür einen Wende um 180 Grad in ihrer Politik machen.

Um den ‚transversalen’ Charakter des Podemos- Projekts zu unterstreichen, drückte die Zentrale den Parteigliederungen in den Regionen Honoratioren als Kandidaten auf, die früher wohl eher für die PSOE kandidiert hätten. So etwa den ‚roten General’ Julio Rodriguez (2008 unter Zapatero oberster Chef der Streitkräfte)[12], oder Juan Antonio Delgado Ramos, ein früherer hoher Beamter der Guardia Civil, sowie Verfassungsrechtler, Schrifsteller, den Vorsitzenden der spanischen Grünen (Equo) auf diversen anderen Listenplätzen. Diese Eingriffe der Zentrale führten zu einigem Unmut an der regionalen Basis von Podemos, die sich um ihre demokratischen Rechte bezüglich der Listenaufstellung verprellt sah.

IU-Strategie zur Dezember Wahl 2015: Linkes Korrektiv zu Podemos

IU unter Garzon reagierte darauf, sich mit einigen kleineren Bündnispartnern durch die Liste IU-Unidad Popular zu behaupten – als linkes Korrektiv von Podemos. Von Podemos aufgegebene Positionen (Austritt aus der Nato, Vergesellschaftung des Energiesektors, sowie von IU schon immer vertretende Positionen wie fundamentale Verfassungsreform zur Überwindung des ‚Regimes von 1978‘, soziale Republik und Abschaffung der Monarchie, Anti-Klerikalismus usw.) erhob sie zu ihrem Markenzeichen als standhafte Linke gegen den Drang der Podemos-Führung zur ‚Mitte‘. Gleichzeitig wurde beklagt, dass IU zuvor die von 15-M erzeugte Veränderung des Alltagsbewußtseins ungenügend erfasst habe, eine Öffnung gegenüber den Wünschen der ’sozialen Mehrheit‘ erforderlich sei. Partizipative Demokratie, Internet-Vorwahlen unter registrierten SympathisantInnen etc. waren die Methoden, um IU-UP im linken Spektrum der Indignado-Nachfolge-Strukturen (PAH – Bündnis gegen Zwangsräumungen, Mareas – Aktivistennetzwerke im Gesundheits- und Bildungswesen usw.) und darüber hinaus attraktiver zu machen. Dies wurde von innerparteilichen KritikerInnen als ’schleichende Podemisierung‘ von IU angeprangert.[13] Nach der Wahl im Juni 2016 wurde dieser Kurs von einer großen Mehrheit als neue Methode zur Erneuerung gebilligt und umgesetzt.

Medial und wahlpolitisch war Podemos als zentralisierte Wahlkampfmaschine im Dezember 2015 recht erfolgreich – die Partei mit ihren verbündeten Listen kam auf 20,6 %, IU hingegen stürzte auf 3,7 % ab. Podemos mobilisierte Proteststimmen von vormaligen Nicht-WählerInnen, etwa 30 % ihrer WählerInnen stimmten früher für PSOE, und ihre Listen erhielten massiv Zulauf von AktivistInnen sozialer Bewegungen als auch von Teilen der nationalen Minderheiten (Galicien, Katalonien, Valencia, Baskenland). Die Parteiführung hatte sich allerdings ein noch besseres Ergebnis erhofft.

Transversalismus: Hype und Wirklichkeit

Die Hypothese vom ‚transversalen‘ Charakter des Podemos-Projekts lässt sich m.E. empirisch nicht erhärten. Es ist Podemos nicht gelungen, z.B. frühere WählerInnen von PP oder C’s in wahrnehmbaren Umfang zu gewinnen. Vielmehr handelt es sich nach wie vor um eine Umgruppierung im breiteren ‚ideologisch linken‘ Lager (wenn man die PSOE dazu zählt) – und nicht um eine ‚Dritte Kraft‘, die sich dazwischen schiebt. So sehen sich Podemos-WählerInnen in ihrer Mehrheit links von der PSOE, die WählerInnen von IU links von Podemos.[14] Podemos und IU sind stark bei jungen WählerInnen bis 34 mit Abitur oder vergleichbaren Abschlüssen und höher, während Erwerbsabhängige ohne Abschluss oder mit geringer Qualifikation mehrheitlich PSOE wählen.[15] Insofern gilt auch für UP als Projekt einer Confluencia: die Mehrheit ihrer WählerInnen verortet sich politisch links der PSOE; soziologisch betrachtet konnte UP der PSOE ihre relative Mehrheit bei Erwerbslosen und Niedrigqualifizierten noch nicht streitig machen.

Der Diskurs über Podemos/UP als ‚Neue Sozialdemokratie‘ war insofern ein weiterer Strategiewechsel. Mit diesem Label engte man den zuvor propagierten breiten transversalen Charakter des Projektes deutlich ein. Über einen Zeitraum von zwei Jahren ständigen Wahhlkampfs wurden so mehr und mehr Botschaften seitens der Parteiführung von Podemos gesendet, die in sich nicht mehr konsistent waren. Ihre gut geölte Wahlkampfmaschine wurde im Juni 2016 mit Fernsehauftritten wie z.B. von Errejón zu Generationengerechtigkeit etc., um bei den Rentnern noch ein paar Zehntelprozentpunkte heraus zu holen, letztlich ‚politizistisch‘ überstrapaziert. Dass vor dem Hintergrund dieser letzten 2 Jahre bei einem Teil der WählerInnenschaft beider Formationen Zweifel angesichts so schnell wechselnder und widersprüchlicher Signale über die Ziele und realen Absichten des Bündnisses Unidos Podemos aufkamen, ist m.E. insofern nicht so verwunderlich.

Schwache Sozialdemokratie

Programmatisch war die 50-Punkte umfassende Plattform des UP-Bündnisses tatsächlich eher sozialdemokratisch: Forderungen nach Einführung einer Garantierente und einer bedarfsgeprüften sozialen Grundsicherung, Kampf gegen Steuerbetrug und Korruption, Förderung erneuerbarer Energien, föderative Verfassungsreform mit Anerkennung der Rechte kleiner Nationen, Recht auf ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien usw.. Wirtschaftspolitisch setzte sie auf gemäßigt keynesianische Maßnahmen, um die öffentlichen Einnahmen zu verbessern und Wachstum und Beschäftigung zu fördern.

Iglesias und Garzón lehnen die von der EU verlangte Austerität und weitere neoliberale Strukturreformen klar ab. Nach der Niederlage von Syriza in Griechenland halten sie aber den Ball flach und wollen eine offene Konfrontation mit den EU-Institutionen vermeiden. Die UP-Wahlplattform verlangte lediglich etwas mehr Zeit, um das spanische Defizit unter die 3 %-Marke zu bringen. Verhandlungen über die staatliche Gesamtverschuldung (Schuldenschnitt nach öffentlichem Schuldenaudit etc.) will UP eher später führen, wenn eine gewisse fiskalische Konsolidierung in Spanien erreicht sei. Die EU-Auflagen erfüllen, ihre Umsetzung aber zeitlich strecken ist von Renzi (Italien) über Hollande (Frankreich) bis Rajoy stets Verhandlungsstrategie gewesen – UP geht im Kern kaum darüber hinaus. Das Pochen auf die Bewahrung demokratischer Volkssouveränität in Spanien usw. ist rhetorische Begleitmusik dazu.

Obwohl das EU-Thema durch das Brexit-Referendum für alle sichtbar auf der Tagesordnung stand, rund 49 % der spanischen Wahlbevölkerung von der gegenwärtigen EU tief enttäuscht sind, und die EU mit finanziellen Sanktionen wegen des spanischen Haushaltsdefizits drohte, hat dies im Wahlkampf von UP keine große Rolle gespielt. Die Mehrheit von IU und Podemos (einschließlich der Izquierda Anti-Capitalista) glauben an eine Reform der EU im Sinne eines ’sozialen Europa‘. Der historische Frontmann von IU in den 1980/90er Jahren, Julio Anguita, hatte im Februar 2015 mit zahlreichen prominenten UnterstützerInnen einen Offenen Brief ans spanische Parlament gerichtet, den Fiskalvertrag aufzukündigen und die von Zapatero auf Druck aus Brüssel und Berlin eingeführte Schuldenbremse in der spanischen Verfassung zu streichen. Podemos und IU griffen diese Inititative damals nicht auf.[16]

Ironischerweise ist es heute die traditionell euro-kommunistische PCE (KP Spaniens) – die bedeutendste politische Kraft der rund 18 kleineren Kompenenten der IU – die einen Austritt Spaniens aus dem Euro und der EU propagiert, verbunden mit der Forderung der Indignados nach einem verfassungsgebenden Prozess für Spanien.[17] Die PCE stützt ansonsten aber den Kurs von Garzón und ist damit zufrieden, dass Unidos Podemos sich kritisch zum EU-Austeritätskurs äußert.

Im Vergleich zum ‚Gemeinsamen Programm‘ der französichen Sozialisten und Kommunisten der späten 1970er Jahre, der Wahlplattform von Mitterand in Frankreich, der PASOK unter Andreas Papandreou in Griechenland und der ‚Alternativen Wirtschaftspolitik‘ der Labour Party in Großbritannien in den frühen 1980ern usw. sind das ‚Programm von Thessaloniki‘ von Syriza in Griechenland und auch die 50 Punkte von UP in Spanien ein schwacher Abglanz auf frühere sozialdemokratische Programmatik (von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg ganz zu schweigen). In dieser Hinsicht teile ich die skeptische Einschätzung von Susan Watkins (Herausgeberin der New Left Review), die unlängst die ’neue Opposition‘ an den Beispielen der Präsidenschaftskampagne von Bernie Sanders in den USA, der Kampagne von Jeremy Corbyn zur Reform der Labour Party, von Syriza, der 5-Sterne-Bewegung (M5S) Beppo Grillos in Italien und eben von Podemos/IU ins Spanien untersucht hat.[18]

 

Teil 3: Perspektiven der Confluencia

 

Insgesamt hat die UP ein ‚politisches Feld‘ von immerhin einem Fünftel der WählerInnen behaupten können, das heterogene Strömungen umfasst. Nur Syriza war einst stärker, und ansonsten kommt in der EU nur die portugiesische Linke (Bloco de Esquerda, PCP) zusammen auf ähnliche Werte. Ohne die Gründung und den Aufstieg von Podemos wäre IU wie andere Linksparteien in der EU vielleicht bei 8 – 15 % Wählerzustimmung. Insofern ist dies zunächst ein beachtliches Ergebnis.

Innerhalb von IU, Podemos und den regionalen Bündnissen wird die mit UP erreichte confluencia von Mehrheiten als richtiger Schritt angesehen, der weiterentwickelt werden müsse. Alberto Garzón (IU) wirbt für den Aufbau der Confluencia als einer ‚politisch – sozialen Bewegung‘, die die Interessen der gesellschaftlichen Mehrheit in den Mittelpunkt stellt. Iglesias und Errejón bemühen wieder Gramsci: man müsse nun vom Bewegungskrieg zum Stellungskrieg übergehen. Was dies konkret bedeutet (mehr ‚Flexibilität und Anpassungsfähigkeit‘ für Errejón; von der ‚Partisanengruppe zur regulären Armee‘ für Iglesias), bleibt vorerst offen.[19]

Die Europäische Kommission hat die Spanien und Portugal angedrohten Sanktionen wegen Überschreitung des Haushaltsdefizits (-5,1 % des BIP 2015) vorerst ausgesetzt. Juncker will insbesondere Rajoy Zeit geben, eine stabile Regierung zu bilden, die den Austeritätskurs forsetzt. Die Forderungen aus Brüssel zu neoliberalen Strukturreformen und Haushaltskürzungen sollen von ihr erfüllt werden.

PP und C’s verfügen zusammen mit der Regionalpartei Coalición Canaria über 170 Abgeordnete im spanischen Parlament. Sie benötigen nur sechs Enthaltungen aus anderen Fraktionen, um Mariano Rajoy oder einen anderen Kandidaten der PP zum Ministerpräsidenten zu wählen. Innerhalb der PSOE trommeln Felipe González und die andalusische Ministerpräsidentin Susana Diaz bereits für eine Enthaltung der PSOE aus staatspolitischer Verantwortung. Sollte die PP erfolgreich eine Regierung bilden können, hat UP in der Opposition Zeit, um sich strategisch, programmatisch und organisatorisch weiter aufzustellen. Ein Verständigungsprozess unter den verschiedenen Komponenten der Confluencia über ihr Selbstverständnis, ihr künftiges Organisationsmodell und die nächsten Schritte hat noch nicht stattgefunden.

Dies wird nicht einfach werden. Die regionalen Bündnisse verlangen mehr Autonomie von der Podemos-Zentrale, was nachvollziebar ist. Ein Rückzug auf regionale ‚Fürstentümer‘ ohne klare gemeinsame Linie auf nationalstaatlicher Ebene hatte z.B. IU in den vergangenen zehn Jahren aber schon einmal an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht. Bewegungen gegen die dann zu erwartendenen neuen Kürzungen aufzubauen wird sicher von UP unterstützt werden. Allerdings sind viele AktivistInnen von sozialen Bewegungen inzwischen in lokalen und regionalen Verwaltungen eingebunden und absorbiert.

Scheitert die Bildung einer konservativ-liberalen Regierung, werden die Debatten um eine ‚alternative Regierung‘ aus PSOE, C’s und UP weiter an Fahrt gewinnen. Aus Teilen des UP-Spektrums wird dies propagiert.[20] Selbst Alberto Garzón hat sich dem König schon als Vermittler einer ‚alternativen Konstellation‘ empfohlen.[21] Eine dem neo-liberalen Paradigma weiterhin verschriebene PSOE, eine hart neo-liberale Partei wie C’s plus die schwache Sozialdemokratie von UP: Dies würde für die ‚confluencia‘ die bekannten Probleme der Mitte-Links-Bündnisse der letzten Jahrzehnte mit sich bringen, dass selbst milde sozialdemokratische Forderungen nicht umgesetzt werden. Der Druck aus Brüssel, Berlin und Frankfurt auf solch eine Regierungskonstellation würde jedenfalls zunehmen.

Ein wesentlicher Faktor für Instabilität in Spanien dürfte mit dem geplanten einseitigen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien in 2017 virulent werden. Eine stärkere Föderalisierung des spanischen Staats mit gestärkten Rechten für seine kleineren Nationen ist weder mit C’s noch mit der PSOE zu machen. Eine Verfassungsreform bräuchte zudem die Zustimmung des Senats, in der die zentralistisch orientierte PP eine satte absolute Mehrheit hat.

Harte Konflikte (Austerität, Katalonien usw.) sind also zu erwarten, die für die bisher erreichte Confluencia auch zur Zerreißprobe werden können.

 

 

[1] Spanien hat ein Verhältniswahlrecht nach D‘ Hondt nur auf Wahlkreisebene. Anders als z.B. in Deutschland mit seinem System von Erst- und Zweitstimmen und einer proportionalen Verteilung der Bundestagsmandate nach den bundesweit erreichten Zweitstimmenanteilen der Parteien werden kleinere Parteien wie C’s oder IU durch das spanische Wahlsystem benachteiligt. In Wahlkreisen mit kleinerer oder mittlerer Wahlbevölkerung müssen sie z.B. auf 8 – 10 % oder mehr kommen, um dort ein Mandat zu erringen.
[2] http://www.elmundo.es/espana/2016/06/27/5770fe0d268e3e863a8b45e4.html
[3] http://www.eldiario.es/politica/graficos-entender-mejor-pasado-podemos_0_531247643.html
[4] http://www.raulzelik.net/baskenland-texte/480-im-treibsand-der-institutionen-barcelonas-linke-stadtregierung-woz-mai-2016
[5] http://www.eldiario.es/politica/Garzon-proceso-confluencia-Podemos-IU_0_537547102.html
[6] http://www.eldiario.es/politica/Podemos-discurso-socialdemocrata-PSOE-perjudicaron_0_535446826.html
[7] http://www.eldiario.es/tribunaabierta/nueva-socialdemocracia_6_520108022.html
[8] http://elpais.com/elpais/2016/06/09/media/1465494615_541772.html
[9] Venezuela unter Chavez und Maduro, Argentinien unter den Kirchners, Brasilien unter Lula und Roussef etc. – der lateinamerikanische (Links)Populismus, an dem sich Podemos vor allem theoretisch und strategisch orientierte, und als dessen Berater einige der Podemos-Gründer wie Monedero und Errejón vormals tätig waren, erleidet tiefe Rückschläge. Zuvor Symbole der Hoffnung für die ‚europäische radikale Linke‘, stürzte die Krise des lateinamerikanischen Populismus diese Kräfte in eine gewisse Ratlosigkeit. Das machen sich die rechten Kräfte zu Nutze.
[10] Ich folge hier weitgehend der Darstellung, die Iglesias in der Zeitschrift New Left Review (No 93, May June 2015) in einem Artikel (Understanding Podemos) und einem Interview (Spain on Edge) gegeben hat. https://newleftreview.org/II/93/pablo-iglesias-understanding-podemos; https://newleftreview.org/II/93/pablo-iglesias-spain-on-edge
[11] Iglesias, Spain on Edge, NLR 93 May June 2015
[12] Rodriguez gewann allerdings weder bei der Wahl 2015 (Listenplatz 2 in Zaragoza) noch bei der Wahl 2016 (Listenplatz 1 in Almeria) ein Mandat im spanischen Parlament.
[13] http://www.eldiario.es/politica/IU-directamente-inmersion-proyecto-Podemos_0_520398588.html
[14] http://elpais.com/elpais/2016/06/09/media/1465501002_875256.html?rel=mas
[15] http://politica.elpais.com/politica/2016/06/10/actualidad/1465551355_015462.html
[16] Sogar Francois Hollande (PS) hatte seinen Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich 2012 u.a. noch mit dem Versprechen bestritten, den Fiskalvertrag abzulehnen und neu verhandeln zu wollen.
[17] http://politica.elpais.com/politica/2016/05/26/actualidad/1464250750_839667.html
[18] https://newleftreview.org/II/98/susan-watkins-oppositions
[19] http://www.eldiario.es/politica/Pablo-Iglesias-acojona-partisanos-ejercito_0_533696752.html; http://www.eldiario.es/tribunaabierta/asalto-cerco-Podemos-nueva-fase_6_538306170.html
[20] http://www.eldiario.es/politica/Izquierda-Abierta-Recortes-Podemos-PSOE_0_542096200.html
[21] http://www.eldiario.es/politica/Alberto-Garzon-PSOE-alternativa-Rajoy_0_541396717.html