Corona-Bonds sind auch keine Lösung

ESM vs Corona-Bonds

von Stefan Rossi, München

Gegenwärtig wird in der Eurozone darüber gestritten welches das geeignete Finanzierungsinstrument für die südeuropäischen Länder ist, um die durch COVID-19 ausgelöste Wirtschaftskrise zumindest abzumildern. Die Regierungen der nördlichen Länder bevorzugen die Inanspruchnahme des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), doch besonders in Italien stößt das auf Ablehnung. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an Griechenland und wie es in den ESM gezwungen wurde. Die Troika (EU-Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) zwang das Land zu einer schmerzvollen Austeritätspolitik und zum Ausverkauf des Volksvermögens, um griechische Staatsanleihen im Besitz deutscher und französischer Banken abzusichern. Dies ermöglichte es deutschen Unternehmen griechisches Volkseigentum zum Schnäppchenpreis zu erwerben, kein Wunder also, dass die deutsche Regierung versucht dies zu wiederholen. Da hilft es auch nicht wenn deutsche Regierungsmitglieder so tun als wären die ESM-Hilfen diesmal nicht an Bedingungen geknüpft. Ministerpräsident Conte dagegen will eine Inanspruchnahme des ESM verhindern und stattdessen über Corona-Bonds die dringend benötigte Finanzspritze erhalten.

Warum Corona-Bonds?

Corona-Bonds sind Anleihen die eine Verschuldung ohne die harschen Bedingungen des ESM und ohne Troika ermöglichen, genauso wie bei normalen Staatsanleihen. Im Gegensatz zu diesen, werden Corona-Bonds (auch Euro-Bonds genannt) jedoch nicht von den einzelnen Staaten ausgegeben sondern von der gesamten Eurozone, d.h. es besteht kein Zinsunterschied (Spread) wie bei den Anleihen einzelner Staaten, im Klartext: Italien muss auf Corona-Bonds geringere Zinsen als auf eigene Staatsanleihen zahlen. Von der deutschen Regierung wird dies abgelehnt mit der Begründung, dass es keine Vergemeinschaftung von Schulden geben darf, schließlich hat das Helmut Kohl dem deutschen Volk vor der Einführung des Euro versprochen. Es gibt zwar auch in Deutschland viele Befürworter der Corona-Bonds, doch die Massenmedien warnen eindringlich, dass bei einer Zahlungsunfähigkeit Italiens, die übrigen Euroländer, vor allem Deutschland, die Gläubiger bedienen müssen. Leider ist diese Diskussion nicht zielführend, da die eigentlichen Probleme der Währungsunion nicht angegangen werden, stattdessen wird verzweifelt versucht den Euro zu retten, schließlich sagte Bundeskanzlerin Merkel: “Scheitert der Euro, scheitert Europa”. In Wahrheit fürchtet die Bundesregierung um ihre exorbitanten Exportüberschüsse die nur mit dem für Deutschland unterbewerteten Euro möglich sind, nicht jedoch mit der Deutschen Mark. Zur Erinnerung: Deutschlands Exportüberschuss ist fast 6-mal so hoch wie der China’s, und zwar nicht in Relation zur Größe der Länder sondern in absoluten Zahlen!

Statt der Ursache werden die Symptome behandelt

Durch die Einheitswährung ist es Italien nicht mehr möglich seine Währung abzuwerten. Eine Abwertung die benötigt wird, um sich gegen die seit der Nachkriegszeit praktizierte deutsche Unterbewertungsstrategie zu wehren. Mit Einführung der gemeinschaftlichen Währung war den Italienern der Weg der Abwertung versperrt. Verschlimmert wurde die Situation noch durch die Schröder-Regierung mit ihrem Lohndumping und die damit verbundene (und nach den Maastricht-Verträgen verbotene) innere Abwertung. Die verlorenen Marktanteile reduzierten das italienische BIP und trieben damit die Staatsschuldenquote in die Höhe. Mehrere italienische Regierungen versuchten mit der von der EU verordneten Sparpolitik die Schuldenquote zu reduzieren, erreichten jedoch genau das Gegenteil. Jegliche Neuverschuldung in Euro, egal ob über Corona-Bonds, Staatsanleihen oder ESM ändert überhaupt nichts an der Ursache des italienischen Wachstumsproblems, nämlich Deutschlands Lohnzurückhaltung und den daraus resultierenden Exportüberschüssen.

Mit der Verschuldung steigt die Abhängigkeit von Deutschland

Auch Corona-Bonds werden irgendwann fällig und müssen von zukünftigen italienischen Regierungen zurückgezahlt werden. Da jedoch die Ursachen der Verschuldung nicht behoben wurden stellt sich die Frage wie sie diese Schulden in der Zukunft bedienen sollen. Darauf gibt es natürlich nur eine Antwort: Mit neuen Schulden! Da sie sich jedoch nicht in der eigenen Währung verschulden können, ist es unausweichlich, dass EU-Kommission, EZB und die Bundesregierung massiven Druck auf Italien ausüben werden, um die Staatsschuldenquote zu reduzieren. Das bedeutet erneute schmerzhafte Austerität in allen Sektoren, Infrastruktur verkommt, die Zahl der Krankenhausbetten wird weiter reduziert, Bildungsausgaben sinken, Renten schrumpfen, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst werden eingespart etc. Wie auch in Griechenland wird das zu höherer Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung führen. Dies wird die Bestrebungen nach einem Verlassen der Währungsunion verstärken, doch mit steigender Verschuldung wird ein geregelter Austritt unmöglich.

Die Divergenz steigt an

Eigentlich ist es Ziel der EU, Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten herzustellen, das Wohlstandsniveau soll angeglichen werden. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall, die deutsche Wirtschaft wächst seit Jahren stärker als im Rest der EU und es ist absehbar, dass sie auch besser durch die momentane Krise kommt, womit sich der Abstand noch vergrößern wird. Die Merkel-Regierungen haben auf Kosten des Auslands die deutschen Staatsschulden reduziert, dementsprechend bestehen größere Kapazitäten die Wirtschaft zu stützen. Die Conte-Regierung kann sich jedoch nur bedingt Konjunkturspritzen leisten, sie muss ja auf den Schuldenstand achten. Dadurch wird Italien noch weiter abgehängt und die Ungleichheit innerhalb Europas steigt weiter an. Dies führt unweigerlich zu weiteren Migrationsbewegungen, jeder der kann macht sich in Richtung Deutschland auf, während die Zurückgebliebenen natürlich ein gefundenes Fressen für die Rechtspopulisten sind.

Fazit

Jegliche Verschuldung in Euro verschiebt die Probleme nicht nur in die Zukunft sondern verschlimmert sie noch. Da Deutschland nicht bereit ist seine Wirtschaftspolitik, zugunsten der Eurozone und zu Lasten der Exportüberschüsse, anzupassen, bleibt für die leidtragenden Länder nur der Austritt, um Verarmung, De-Industrialisierung und Verlust der Souveränität abzuwenden.

Foto: Antischokke / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)