"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
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Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

10.10.20 Rom: Arbeit, Einkommen, Souveränität, Demokratie

Marsch der Freiheit

Jahrzehntelang haben die arbeitenden Menschen harte Opfer gebracht. Die Regierungen und Eliten haben uns versprochen, dass die freien Märkte uns zu einem gerechteren und demokratischeren Land machen, in einem vereinten und solidarischen Europa. Das Ergebnis ist offensichtlich: Die Europäische Union zerfällt und Italien steht vor einer existentiellen Krise.

Es ist die Schuld der herrschenden Klassen, dass wir an diesem Punkt angelangt sind und nun rechtfertigen sie sich mit der Pandemie. Nur durch die von der EU erzwungenen, und von der italienischen Regierung durchgeführten Kürzungen im Gesundheitswesen haben Tausende von Menschen, vor allem aus den sozial schwächsten Schichten, durch das Virus ihr Leben verloren.

Aber es ist nicht das Virus, das ganze Wirtschaftssektoren auslöscht, Unternehmen in den Konkurs treibt, Arbeitsplätze vernichtet und Millionen von Italienern in die Armut treibt. Diese Krise ist das Ergebnis chronischer Mängel der neoliberalen Wirtschaft und der unverhältnismäßigen und falschen Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen Covid-19, die neben der Aussetzung der Demokratie das Land lähmte, schwächte, ohne finanzielle Mittel zurückließ und einen wirtschaftlichen Abschwung verursachte.

Um diesen Niedergang abzuwenden, ist eine klare Kursumkehr erforderlich. Die herrschenden Klassen dürfen nicht mehr in der Regierung vertreten sein und Italien muss sich aus dem neoliberalen Korsett der Europäischen Union befreien, um den Weg der sozialen Demokratie und Volkssouveränität einzuschlagen.

Die italienische Verfassung von 1948 wird uns die Richtung vorgeben.

Der Gegner erscheint nur deshalb stark, weil die Bevölkerung entmutigt ist. Wenn sie aufstehen würde, wäre sie unbesiegbar. Sie muss sich ihrer Stärke bewusst werden. Jene, die voraus sind, müssen die Zurückgebliebenen mitreißen, jene die die Fakten kennen, müssen das Vertrauen der Menschen gewinnen und ihnen erklären, dass nur durch die Konfrontation das Schlimmste verhindert werden und Italien sich wieder erholen kann. Diejenigen, die in den letzten Jahren den Widerstand am Leben gehalten haben, müssen sich vereinen und auf die große Herausforderung die vor uns liegt vorbereiten. Sie müssen ein Beispiel geben, indem sie die Keimzelle einer großen Volksbewegung sind.

In diesem Sinne möchten wir folgendes vorschlagen: Lasst uns am 10. Oktober einen großen MARSCH DER FREIHEIT veranstalten, der von verschiedenen Punkten des Landes aus in die Hauptstadt führt.

Ein Marsch für Arbeit, Einkommen, Souveränität und Demokratie.

Lasst uns zusammensetzen, um dafür zu werben und alles gemeinsam zu organisieren.

Jeder soll Verantwortung übernehmen.

Unsere Forderungen:

  • Wir fordern eine souveräne Währung in einem souveränen Staat
  • Wir fordern ein Programm für Investitionen und Arbeit zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit
  • Wir fordern eine Erhöhung der Löhne und eine Grundsicherung von 1.000 € für Arbeitslose, Kurzarbeiter [Cassa integrazione: Lohnfortzahlung und Nichtkündigung der Beschäftigten für ins Straucheln geratenen Firmen] und Freiberufler
  • Wir fordern die Unterstützung von kleinen Unternehmen durch eine Steuerbefreiung für 2020 mit Blick auf eine umfassende und gerechte Steuerreform
  • Wir fordern die Schuldenfalle zu verlassen, zum einen durch die Nationalisierung der Schuldtitel [Maßnahmen, um inländische Halter zu bevorzugen] und zum anderen durch Einschränkungen im Bereich der Finanzspekulation
  • Wir fordern die öffentliche Kontrolle des Bankensystems und die Verstaatlichung der großen und strategisch wichtigen Konzerne
  • Wir fordern ein öffentliches Gesundheitssystem, dass für die Gesundheit aller Bürger, bei freier Wahl der Therapie, garantiert. Dies in Kombination mit einer ehrlichen Umweltpolitik soll zu persönlicher Eigenständigkeit und Ernährungssicherheit führen. Der Ausbau von 5G soll ausgesetzt werden.
  • Wir fordern ein garantiertes Recht auf ein Hochschulstudium, auch für die Kinder der Arbeiterklasse, große und unverzügliche Investitionen in Bildungseinrichtungen und Einstellung von Personal und die Wiederöffnung von Schulen und Universitäten im September.

Kurz gesagt, wir wollen das Ende des Neoliberalismus. Wir wollen mehr Staat und weniger Markt, also die Anwendung der Verfassung von 1948! Um das zu realisieren, bedarf es einesgrundlegenden Kurswechsels: daher weg mit der Regierung Conte, für Neuwahlen!

Organisatoren und Unterstützer

Quelle: Liberiamo l’Italia und Marcia della Liberazione

Italexit-Partei gegründet

Vor kurzem hat Gianluigi Paragone die Gründung der Partei „Italexit“ bekanntgegeben:

https://www.italexitpartitopolitico.it/

Auf der Website finden sich 5 Programmpunkte:

* Referendum über Austritt

* Abschaffung der Pflicht zum ausgeglichenen Staatshaushalt

* Nationalisierung strategischer Sektoren

* Wiedereinführung des Schutzes der Löhne

* Abschaffung der Unabhängigkeit der Zentralbank

In den Umfragen werden der Partei mehrfach an die 10% gegeben.

Es gibt eine Vereinbarung zwischen Paragone und der linkssouveränistischen Koalition „Liberiamo l’Italia“, dass sie am Aufbau der Partei mitwirken werden. Inhaltlich gibt es folgende Übereinkunft:

* Euro- und EU-Austritt

* Durchführung der Verfassung von 1948 (bekanntlich protosozialistisch)

* Schluss mit dem Neoliberalismus

Zudem soll es keine Kompromisse mit anderen Parteien geben, solange diese nicht für den Austritt sind.

Ein linkes Programm, dass von einem renomierten Journalisten repräsentiert wird, der ursprünglich von Zeitungen aus dem Bereich der Lega kam, über den staatlichen Sender RAI schlielich bei den Fünfsternen landete. Der Einsatz ist hoch, sehr hoch. Das politische Vakuum in der Vertretung des Volkes haben wir ja schon oftmals festgestellt. Es hat den Aufstieg der Fünfsterne und auch der Lega in immer kürzeren Zeitspannen ermöglicht – genauso wie den Fall. Italexit könnte also schnell aufsteigen und das Vakuum füllen. Dementsprechend groß ist aber auch das Risiko.

Die italienischen und europäischen Medien feiern gerade ihre Einigung auf das Hilfsprogramm und Premier Conte wird als großer Gewinner beschrieben. Das zeigt sich auch darin, dass Berlusconi eine Art parlamentarische Unterstützung angeboten hat, auch um sich aus den Fängen von Salvini zu befreien. Das ist einmal unmittelbar eine institutionelle Stärkung.

Doch das wird nicht lange halten. Die Eliten haben enorme Angst vor einer sozialen Explosion, die im Gegensatz zu Frankreich eben nicht auf die soziale Sphäre beschränkt werden kann.

Interview mit Senator Gianluigi Paragone, dem Gründer von Italexit

Carlos García Hernández: Die Hoffnung Südeuropas

Das ist etwas Neues: eine politische Partei gegen die EU mit einer Politik der Modernen Geldtheorie

Carlos García Hernández ist Geschäftsführer des Verlags Lola Books. Ursprünglich auf Spanisch veröffentlicht in Ediciones Páralo. Übersetzt und herausgegeben von BRAVE NEW EUROPE

Am 23. Juli 2020 wurde der Hoffnungsschimmer, auf den viele von uns in Südeuropa lange gewartet hatten, endlich Wirklichkeit. Diese Hoffnung heißt Italexit, eine vom 48-jährigen italienischen Senator Gianluigi Paragone ins Leben gerufene Partei.

Gianluigi Paragone: Italexit zielt auf die Wiederherstellung der italienischen Währungssouveränität und den Austritt Italiens aus der Europäischen Union ab. In ihrem Gründungsmanifest legt sie die neun Punkte für Italien fest, auf denen das politische Projekt der neuen Partei beruht:

1. Austritt aus dem Euro und Wiedererlangung der Währungssouveränität
2. Rücknahme der Privatisierung und Gründung einer öffentlichen Bank
3. Reindustrialisierung und technologische Innovation
4. Ernährungssouveränität
5. Vollbeschäftigung durch eine staatliche Arbeitsplatzgarantie
6. Wiederherstellung der staatlichen Grenzkontrolle
7. Wiederherstellung des öffentlichen Gesundheitssystems
8. Ökologischer Aktionsplan
9. Schaffung eines neuen europäischen Rahmens auf der Grundlage der Souveränität aller Nationen

Das folgende Interview ist das erste Interview, das Gianluigi Paragone auf Spanisch gab. Es wurde am 28. Juli 2020 geführt. Darin legt er einige Punkte seines Plans zur Wiederherstellung der vollen Souveränität Italiens sowie seine Vision zu den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Fragen dar.

Italexit ist ein komplexes und zwangsläufig bereichsübergreifendes Projekt. Die drei Faktoren, um eine solche Transversalität zu erreichen, sind, mit Paragones Worten, der Sozialismus, der Katholizismus und der Liberalismus (nicht der Neoliberalismus, den er stark ablehnt). Eine schwierige Balance, aber enorm hoffnungsvoll. Wenn es Italexit gelingt, mit seinem Wahlvorschlag die drei Traditionen, auf denen es beruht, zusammenzuführen, würde es ein großartiges Werk vollbringen, in dem sich Menschen aus allen Bereichen zusammenschließen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die Wiedererlangung der Souveränität als einziges Mittel zur Beendigung der wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe, die der Euro und die Europäische Union über Italien und Südeuropa gebracht haben.

Wie alle Hoffnung enthält auch Italexit ein Rätsel, das wir noch nicht auflösen können. Wir werden seine Entwicklung und sein politisches Handeln beobachten müssen. Der Vorschlag von Italexit enthält jedoch ein Zeichen, das es zu einem viel ernsthafteren Projekt macht als andere innovative Projekte der Vergangenheit. Ich beziehe mich auf das Engagement von Italexit für die moderne Geldtheorie. Wenn, wie Gianluigi Paragone tatsächlich sagt, Italexit die Prinzipien der modernen Geldtheorie als grundlegende Achse seines wirtschaftlichen Vorschlags übernimmt, ist es möglich, dass wir es nicht nur mit einer politischen Bewegung zu tun haben, die dazu bestimmt ist, die wirtschaftliche Situation Italiens radikal zu verbessern, sondern auch mit einer Partei, die in der Lage ist, das Wirtschaftsleben all jener Nationen zu revolutionieren, die in ihre Fußstapfen treten.

Carlos García Hernández: Warum sollte Italien den Euro und die Europäische Union verlassen?

Gianluigi Paragone:Weil es nicht im Interesse Italiens ist, in der Europäischen Union zu sein. Es liegt mittel- und langfristig im Interesse Italiens, eine eigene Währung zu haben. Außerdem glaube ich, dass das EU-Projekt zum Scheitern verurteilt ist, so dass ich es für das Beste halte, eher früher als später auszusteigen.

Carlos García Hernández: Welches ist das Haupthindernis, auf das Sie in Ihrem Kampf um die Souveränität Italiens voraussichtlich stoßen werden? Haben Sie Angst vor möglichen Repressalien, wenn Ihr politisches Projekt an Stärke gewinnt?

Gianluigi Paragone:Meine größte Befürchtung ist, dass die Italiener nicht die Möglichkeit erhalten, meinen Vorschlag zu verstehen, und dass sie nicht begreifen, dass die Europäische Union ein Feind ist, der sie verarmen lässt. Europa macht sich die italienischen Ressourcen zunutze. Mein Ziel ist es, dass die Bürger verstehen, warum Italien außerhalb der EU besser dran wäre. Die Bürger mögen geglaubt haben, dass Italien die Herausforderungen, denen es sich gegenübersah, besser gemeistert hat, indem es innerhalb der EU war; das ist jedoch eine unbeweisbare Meinung. Wenn Menschen ertrinken, lässt Europa sie den Kopf aus dem Wasser nehmen, um zu atmen, aber dann den Kopf wieder hineinstecken. Die Italiener sind es gewohnt, so zu atmen, und verstehen nicht, dass man auch anders atmen kann.

Carlos García Hernández: Welche konkreten Schritte sollte Italien unternehmen, um den Euro und die Europäische Union zu verlassen und dann die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren?

Gianluigi Paragone: Der erste und wichtigste Schritt ist eine demokratische und volksnahe Abstimmung. Wenn die Italiener einer Partei, die dieses Programm hat, nicht vertrauen, kann nichts getan werden. Die EU ist von oben nach unten aufgebaut worden, aber ohne den Konsens des Volkes kommt man da nicht heraus. Keine Partei kann behaupten, Italien aus dem Euro und der Europäischen Union herauszunehmen, ohne diesen Schritt zu tun. Es ist wichtig, dass die Italiener die Gefahren verstehen, die mit einer Mitgliedschaft in der EU verbunden sind.

Carlos García Hernández:  Was wären die Hauptunterschiede zwischen Brexit und Italexit, und glauben Sie, dass der Weg Italiens zur Souveränität schwieriger wäre als der des Vereinigten Königreichs?

Gianluigi Paragone:Der erste Unterschied besteht darin, dass das Vereinigte Königreich seine eigene Währung hat und Italien in der Eurozone ist. Das ist der größte Unterschied und die größte Schwierigkeit. Der zweite große Unterschied ist kultureller und konstitutioneller Art. Die italienische Verfassung unterscheidet sich stark von der britischen Magna Carta. Die italienische Verfassung ist eine perfekte Mischung aus drei großen Traditionen: Sozialismus, Katholizismus mit Achtung der Bürgerrechte und Liberalismus (nicht Neoliberalismus). Der Liberalismus erlaubt Privateigentum, aber immer innerhalb der Grenzen der Verfassung. Obwohl die Traditionen des Vereinigten Königreichs und Italiens unterschiedlich sind, haben beide Länder gemeinsame Interessen, die außerhalb der EU liegen.

Carlos García Hernández: Stellen wir uns vor, wir befinden uns am Tag nach den nächsten Wahlen in Italien und Gianluigi Paragone ist der neue Führer Italiens. Was würde von diesem Moment an geschehen? Was wären die grundlegenden Meilensteine während der Amtszeit von Gianluigi Paragone?

Gianluigi Paragone: Eine solche Situation würde bedeuten, dass meine Partei die Wahlen dank des klaren Willens der Wähler gewonnen hat. Jede politische Aktion setzt eine dialektische Dimension voraus. Der Ausstieg aus dem Euro oder der EU ist keine Frage von Muskelkraft. Die EU würde in ihrem eigenen Interesse handeln, wenn sie ein Land nicht herausfordern würde, das nicht durch ein Referendum, sondern durch freie Wahlen beschlossen hat, die EU zu verlassen, weil es ein Projekt ist, an das es nicht mehr glaubt.

Es gäbe dann zwei mögliche Szenarien. Im ersten Szenario würden die Verträge mit der EU intelligent und immer mit dem klaren Ziel neu ausgehandelt, die EU zu verlassen. Das zweite Szenario ist ein Szenario, bei dem keine Einigung erzielt wird. In diesem Fall sollte die EU nicht schockiert sein, dass Italien sich für einen Plan B für einen nicht verhandelten Ausstieg entschieden hat.

Carlos García Hernández: Sie haben öffentlich die moderne Geldtheorie verteidigt. Welche Rolle würde die moderne Geldtheorie in Ihrer Regierung spielen? Stellen Sie sich ein Italien vor, in dem dank der Währungssouveränität eine dauerhafte Vollbeschäftigung ohne Inflation erreicht würde, wie es Bill Mitchell, Pavlina Tcherneva und die anderen Ökonomen der modernen Geldtheorie vorgeschlagen haben?

Gianluigi Paragone:Für mich ist es wesentlich, dass die herrschende Klasse die Bürger nicht mitten in einer Krise in die Armut führt. Doch genau das ist das Ziel der EU-Eliten, die die Krise ausgenutzt haben, um die Bürger zu verarmen. Für mich ist Vollbeschäftigung eine Grundvoraussetzung. Es sei daran erinnert, dass der erste Artikel der italienischen Verfassung besagt, dass Italien eine demokratische Republik ist, die sich auf die Arbeit gründet. Daher haben die Väter der Verfassung verstanden, dass Vollbeschäftigung ein grundlegendes Ziel ist. Arbeit ist ein Bürgerrecht, nicht etwas, das als Gefälligkeit gewährt wird. Der Staat muss den Zugang zur Arbeit garantieren. Heute werden die Arbeitnehmerrechte missachtet, und innerhalb Europas werden die italienischen Arbeitnehmer am meisten ausgebeutet. Deshalb sind die Löhne der Italiener abgewertet worden. Der Staat seinerseits sagt den Bürgern, dass sie Kredite beantragen müssen, um ihren Lebensstandard zu erhöhen. Mit anderen Worten, er nimmt Ihnen Ihre Arbeitsrechte, aber im Gegenzug gibt er Ihnen die Möglichkeit, sich zu verschulden, indem er behauptet, dass die Zinssätze für diejenigen günstig sind, die nach Krediten fragen. Wir sagen jedoch, dass diejenigen, die sich verschulden, ihre Freiheit aufgeben.

Die moderne Geldtheorie ist eine wichtige Perspektive, um das Endziel der Vollbeschäftigung zu erreichen. Die moderne Geldtheorie ist ein Instrument, das als mechanische Werkstatt dient, in der das Auto der Wirtschaft repariert wird, um die von uns gesetzten Ziele zu erreichen.

Carlos García Hernández:  Welche wirtschaftspolitischen und ideologischen Bezüge hat sie? Ich frage das, weil es viele Leute gibt, die nicht wissen, wo sie Sie innerhalb des politischen Spektrums einzuordnen haben. Gehören Sie zur Linken oder zur Rechten des politischen Spektrums?

Gianluigi Paragone:Wenn ein Unternehmer versucht, sich nicht von einem multinationalen Unternehmen erdrücken zu lassen, fragt er Sie nicht, ob Sie Mitglied einer Partei sind, die links oder rechts steht. Wenn ein Arbeiter sich darüber beschwert, dass seine Arbeitsrechte nicht respektiert werden, weil er vom Wirtschaftssystem ausgebeutet wird, ist es dem Arbeiter egal, ob Sie vom linken oder rechten Flügel sind, was er Sie fragt, ist, ob Sie bereit sind, für seine Rechte zu kämpfen. Deshalb finden die Rechte des Unternehmers und des Arbeitnehmers in der italienischen Verfassung einen gewerkschaftlichen Anknüpfungspunkt, denn die italienische Verfassung legitimiert die politische Klasse nicht, die Arbeitnehmer durch die Zerstörung ihrer Arbeitsplätze anzugreifen. Die Rolle meines politischen Vorschlags besteht darin, das wahre Ziel der italienischen Verfassung wiederherzustellen. Für mich ist es wesentlich, den Geist der Verfassung wiederzuerlangen, der auf sozialistischen, katholischen und liberalen Idealen beruht. Innerhalb des Geltungsbereichs der Verfassung gibt es Raum für die Unternehmensfreiheit, aber Artikel 36 stellt klar, wie der Arbeitnehmer zu entlohnen ist. Die Väter der Verfassung stritten nicht über die Frage, wer mehr oder weniger Geld verdienen soll, sondern stellten sich die Frage, wie die bestmögliche Verfassung mit dem Ziel ausgearbeitet werden kann, ein optimales Gleichgewicht im Leben der Italiener zu finden.

Statement Carlos García Hernández:  Ich habe jedoch die Vorschläge des Italexit-Manifestes gelesen, und ich habe keine Elemente gefunden, die als rechtsgerichtet betrachtet werden könnten.  

Gianluigi Paragone: Das liegt daran, dass es sich um sozialistische Vorschläge handelt. Diese Vorschläge könnten aber auch zu den besten des Katholizismus gehören, als dieser in seinem goldenen Zeitalter für die Kleinunternehmen kämpfte. Die wahrscheinlich schlimmsten Angriffe auf die Arbeiterklasse kamen von linken Parteien, seit sie den Neoliberalismus übernommen haben. Sie finden den sozialistischen Sinn, aber in diesen Vorschlägen kommen auch der Sinn und die Meinungen der Liberalen und der Katholiken zum Ausdruck. Das ist es, was wir heute brauchen, um dem Arbeiter die Garantie zu geben, dass er nicht der Gnade der Märkte ausgeliefert ist, und dem italienischen Unternehmer die Garantie zu geben, dass die kleinen Fische nicht von den großen multinationalen Fischen verschlungen werden. Heute muss der Unternehmer den schlimmsten Steuerdruck, die schlimmste Bürokratie und das Schlimmste der Globalisierung ertragen, aber stattdessen verschlingen die Multis den Erfindungsreichtum der Kleinunternehmer. Dies scheint mir zutiefst unfair zu sein. Katholizismus, Sozialismus und Liberalismus sind in der realen Wirtschaft funktionsfähig, wenn sie alle zusammengenommen werden, man kann nicht unter permanentem Kriegsrecht leben.

Carlos García Hernández:  Wie stellen Sie sich Italien in 10 Jahren vor?

Gianluigi Paragone:Wenn wir mit der gleichen Politik weitermachen wie bisher, wird Italien ärmer, gedemütigter und durch Rabatte und Liquidationen noch mehr im Verkauf sein. Aber das gilt nicht nur für Italien. Italien ist eine sehr starke Nation, aber die Krise wird den gesamten Mittelmeerraum betreffen, und der politische Raum Europas kümmert sich nicht um die Länder, die der Norden PIIGS nennt.

Carlos García Hernández:  Welche Beziehung sollte Italien zum übrigen Europa haben? Sollte die Europäische Union durch eine andere Einrichtung mit europäischem Charakter ersetzt werden, oder wäre es besser, das ganze Projekt zu vergessen?

Gianluigi Paragone:Das EU-Projekt ist ein Projekt, das ich nach den geltenden Verträgen weder in Erwägung ziehen noch versuchen werde, zu korrigieren. Italien ist jedoch ein Land, das, wie andere souveräne Länder auch, ein wichtiger Akteur in einem neuen konföderalen Europa sein könnte, in dem die volle Macht in den Händen der souveränen Staaten liegt. Sie wären diejenigen, die über wirtschaftliche Maßnahmen und ihr Verhältnis zu den Märkten entscheiden würden. Sie wären somit jederzeit in der Lage, über ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik zu entscheiden.

Carlos García Hernández:  Welches sind die wichtigsten Herausforderungen für Italien, wenn die volle Souveränität erreicht ist?

Gianluigi Paragone:  Der Staat müsste einen Teil der Staatsverschuldung übernehmen, die sich heute in den Händen der spekulativen Märkte befindet. Der Staat muss wieder zu einem starken Staat werden, der die Macht hat, sich den Stürmen der Finanzmärkte und der Globalisierung zu stellen. Italien muss einen Staat haben, der auf der Seite der Unternehmer und Arbeitnehmer steht und der weiß, dass die kleinen Dinge wichtig sind. Wir gehen von dem Konzept aus, dass kleine Dinge kostbar sind. Das ist die Grundlage unserer Geschichte, die die mächtigen Familien in ihren Gutshöfen und Villen herausgefordert hat. Heute geht die Idee, dass klein kostbar ist, verloren. Dieser Verlust ist ein großer Fehler. Klein gibt Italien einen Mehrwert. Klein ist die Stärke eines siegreichen Staates.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Paragone. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Zypern blockiert Ceta

Die prophetischen Worte des Literatur -Nobelpreisträgers Odysseas Elytis

Odysseas Elytis, 2.11.1911, † 18.3.1996

von Rainer Brunath, HH, 8.8.2020

Im Zweiten Weltkrieg war Odysseas Elytis ein Kämpfer für die griechische Unabhängigkeit und nahm am griechischen Widerstandskampf teil. Er schrieb damals das Werk: „Heroischer und elegischer Gesang für den Leutnant, der im Albanienfeldzug verloren ging“.

1959 schloss er Freundschaft mit Mikis Theodorakis, der sein Werk Axion esti als Volksortorium bearbeitete. In den Jahren zwischen 1960 und 1980 veröffentlichte Elytis eine Vielzahl von Gedichtsammlungen und Dichtungen und 1979 wurde Elytis der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Anlässlich einer Pressekonferenz während der Verleihung des Nobelpreises in Stockholm sagte Odysseas Elytis einen prophetischen Satz:

Das ist Barbarei. Ich sehe sie getarnt unter gesetzlosen Bündnissen und vorbestimmten Versklavungen kommen. Es geht vielleicht nicht um Hitlers Öfen, aber um die methodische und quasi-wissenschaftliche Unterwerfung des Menschen. Seine absolute Erniedrigung. Seine Schande„.

Ja, er sah sie kommen, die unter höchster Geheimhaltung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Völker Europas, ausgehandelten Bündnisse der Imperialisten, die unter dem Deckmantel des Freihandels höchste Profite für die Initiatoren dieser Abkommen, wie CETA zwischen Kanada und der EU, garantieren sollen und die gewachsene lokale Wirtschaftskreisläufe ruinieren würden.

Und er sah voraus, dass das europäische politische Personal der Imperialisten die Abstimmungen der Völker darüber, sollten sie in dem einen oder anderen Fall unausweichlich sein, solange wiederholen werden, bis ihnen das Ergebnis in den Kram passen würde.

Ja, wir erleben seine prophetischen Worte täglich und wir haben es erlebt: das nicht unwirksame propagandistische Trommelfeuer in die Hirne der Menschen in Europa vor Referenden und immer wieder das unerklärliche Umfallen der Volksvertreter in den parlamentarischen Abstimmungen, wie jetzt wieder im EU-Parlament, wo die Mehrheit der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke für die Annahme der Entschließung des Europäischen Rates über den europäischen Rüstungs- und Verteidigungsfond befand. Und das obwohl diese „Linken“ mit einer klaren antimilitaristischen Haltung in die Europawahl gegangen waren. Profiteure werden wieder mal die Waffenschmieden sein. Und man fragt sich, wie viel kriminelle Energie notwendig gewesen ist, um die Umfaller dieser Partei (es waren 29 von 39) von der „richtigen Abstimmung“ zu überzeugen.    

Und seit Neuestem steht Zypern im Rampenlicht der CETA-Lobbisten, der Profiteure aus Kanada und der EU. Volksvertreter in Nikosia hatten am 6.8.2020 die Gültigkeit des EU-Kanada-Handelsabkommen (CETA) für Zypern abgelehnt.

Doch, dabei bleibt es nicht. Zypriotische Regierungsbeamte sagten voraus, dass Nikosia versuchen werde, einige Ausnahmeregelungen für zypriotische Produkte auszuhandeln, bevor das Abkommen dem Parlament zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Genehmigung vorgelegt wird.

Man kann darüber Wetten abschließen, ob Odysseas Elytis auch in diesem Fall Recht behalten wird. Freuen würde er sich über den Ausgang der Wette nicht.

Warum sich die Conte-Regierung halten konnte

Über die tragenden Regime-Narrative, die Rückkehr des Bipolarismus und Italexit als dritter Pol

[Bild: Aufhebung des Ausnahmezustands, die Menschen Leiden Hunger]

Auszüge aus einem Artikel von Leonardo Mazzei, über die Ergebnisse der Regionalwahlen in Italien am 20. Und 21. September 2020

Zwei wichtige Gründe dafür, dass die Koalitionsregierung von Fünfsternen und Partito Democratico zwar Verluste hinnehmen musste, sich aber dennoch halten konnte, sind die Narrative zur EU und zur Epidemie. Diese ziehen ihre Kraft auch aus der Tatsache, dass sie von niemanden bestritten werden, die Zugang zu den Medien haben.

Zu Europa

Die EU sei auch dank der italienischen Regierung nun besser geworden. Sie stünde nun nicht mehr für die Kürzungen und die Austerität, sondern für Zuschüsse. Wir wissen sehr gut, dass dies nicht der Fall ist und der Recovery Fund eine Art Super-EMS sein wird, der Italien unter Kuratel stellt. Die versprochenen Mittel bestehen zum guten Teilen aus zurückzuzahlenden Krediten, zu Bedingungen mittels deren und die EU-Eliten dank ihrer Großzügigkeit die Schlinge um den Hals legen können.

Ja, wir wissen das. Und mit uns Millionen von Bürgern. Aber es handelt sich dennoch um eine Minderheit. Denn diejenigen, die das mit ganz anderen Mitteln die offiziellen Fabeln in den Medien in Frage stellen könnten, tun das nicht. Doch weder die Lega noch die Fratelli d’Italia haben das in der Wahlkampagne versucht. Von ihnen kam kein einziges sinnvolles Argument gegen die PD. Und die großartigen Gouverneure der Lega nord wollen nicht nur die Gelder aus dem Recovery Fund, sondern sogar aus dem ESM. Damit wird klar, warum die PD nicht verloren hat.

Die Epidemie

Die Regierung Conte hat den Ausnahmezustand dazu verwendet sich im Sattel zu halten. Die Angst erweist sich als hervorragendes Instrument der Regierungsführung. Wir haben rund 1,5 Millionen arbeitslose mehr. Doch was ist das schon angesichts des furchtbaren Virus!

Il governo Conte – certo non unico al mondo, questo va riconosciuto – ha fatto dell’emergenzialismo la carta vincente per restare in sella. Come strumento di governo la paura funziona alla perfezione. Andiamo verso un milione e mezzo di disoccupati in più? Che volete che sia rispetto al terribile virus!

Laut offiziellen Angaben haben wir täglich 10-15 Covid-Todesopfer zu beklagen. Aber nach den Daten von ISS sterben täglich 140 Personen zur Krankenhausinfekte. Doch obwohl diese zehn Mal mehr sind, kommen sie nicht zur Sprache. Auch dienen sie nicht dazu, den Ausnahmezustand zu verlängern.

Vor kurzem kam in den Fernsehnachrichten (TG1) eine unerwartete Frage auf: und wenn die Schweden damit rechtgehabt hätten, keinen Lockdown zu machen? Die Kurven würden jedenfalls Stockholm recht geben, doch sei es noch zu früh Schlüsse zu ziehen.

Zu früh? Waren es nicht die Mainstreammedien, die im vergangenen Frühling noch die Schweden als Verbrechervolk gekreuzigt hatten, weil die ihre Alten und Kranken dem Tode preisgeben würden? Umso eigenartiger erscheint der Vorwurf aus der PD-Blase, weil in Stockholm nicht kriminelle Populisten, sondern wie in Italien eine linksliberale Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen regiert.

Ich habe den schwedischen Fall herangezogen, wie er zeigt, dass der harte italienische Lockdown keineswegs obligatorisch gewesen ist. Genauso wenig wie die ewige Sperre der Schulen, der Büros und viele andere antisoziale Maßnahmen. Doch auch hier hat die offizielle Opposition der Linie der Regierung, laut der die italienischen Maßnahmen die besten der Welt waren, nichts entgegenzusetzen – haben sie sich doch daran tatkräftig beteiligt.

Schlussfolgerungen

Die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand. Wenn man den Grund versteht, warum die PD nicht verloren hat, dann ergeben sich auch die Hebel mittels deren man gegen die Regierung der Unterordnung unter Brüssel und Berlin vorgehen kann.

Die beiden alten und überwunden geglaubten Pole, Centrosinistra (Mitte Links) und Centrodestra (Mitte Rechts), haben sich neu gebildet und sind in der Substanz austauschbar. Insbesondere die Fünfsterne, die angetreten waren um das politische System aufzumischen, sind in die Arme der PD zurückgekehrt und sind in ihrem Pol aufgegangen. Darum ist der Aufbau des dritten Pols von absoluter Dringlichkeit – und dieser kann nur in Form des Italexits passieren.

Prominente Künstler schließen sich Kundgebung der italienischen Linkssouveränisten an

Übersetzung eines Artikels aus der Tageszeitung La Repubblica (6.10.20):

[Bild: der Schauspieler Enrico Montesano unterstützt die Kundgebung]

In Rom der „Marsch der Befreiung“. Montesano: „Wenn das nicht ausreicht, braucht es ein bisschen zivilen Ungehorsam.

Der Schauspieler mit einer kurzen, aber intensiven politischen Vergangenheit gehört zu den Anhängern der Initiative der  Souveränisten, die  auf der Piazza San Giovanni für Samstag, den 10. Oktober zu einer Massenveranstaltung aufgerufen haben. Sie fordern ein „Ende des Neoliberalismus“ für „einen tiefgreifenden Wandel, gegen eine Sklavenregierung gegebüber der Europäischen Union und der großen Finanzen“.

 „Das Ende des Neoliberalismus, eines Wirtschafts- und Denkmodells, das viele ausbeutet, um wenige zu bereichern“ sei schon lange überfällig. Sie wollen „mehr Staat und weniger Markt und dass die Verfassung von 1948 angewandt wird“. Damit all dies geschehen kann, „ist ein tiefgreifender politischer Wandel erforderlich: Die (PD und 5-Sterne) Regierung Conte muss abgelöst und Neuwahlen müssen unverzüglich abgehalten werden“. Auf diesen Prinzipien basiert der „Marsch für die Befreiung“, der für Samstag, den 10. Oktober um 14 Uhr auf der Piazza San Giovanni in Rom geplant ist, „für einen tiefgreifenden Wandel, gegen eine der Europäischen Union versklavte Regierung und gegen die große Finanzwirtschaft“.

Das Ziel ist eine „Demonstration, die in erster Linie den sozialen Kategorien und Klassen eine Stimme geben will, die von der Wirtschaftskrise und der liberalistischen Politik der Regierung hart getroffen wurden. Zu verlangen, dass der Staat wie der Staat handelt, d.h. die untergeordneten Klassen schützt und ihnen Sicherheit gibt“.

Die Souveränisten berufen sich auf ihre zehn Gebote, die von „der souveränen Währung in einem souveränen Staat“ über „die Erhöhung der Löhne und ein Mindesteinkommen von 1.000 Euro auch für Arbeitslose„, von der „Verteidigung der Kleinunternehmen“ bis hin zur „öffentlichen Kontrolle des Bankensystems“ und einem „öffentlichen Gesundheitssystem reicht, das die Gesundheit aller Bürger schützt, das die Freiheit der therapeutischen Wahl garantiert, kombiniert mit einer nicht fassadenhaften Umweltpolitik, die auf Souveränität und Ernährungssicherheit abzielt, die inzwischen einen Stopp der 5G-Kommunikations-technologie verordnet„.

„Italien steht am Scheideweg: Geht unter oder erhebt euch wieder, indem ihr den Weg der Freiheit und der Wiedergeburt beschreitet. Wir fordern daher eine klare Kehrtwende mit einer neuen Regierung, die in der Lage ist, das Land nicht nur aus dem Käfig dieser Europäischen Union zu befreien, die weiterhin die gleichen Rezepte für Misserfolg und Versklavung  anbietet, sondern dass es zurückkehrt, um den Staat und nicht die Märkte in den Mittelpunkt der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entscheidungen dieses Landes zu stellen“, erklären die Organisatoren

Und unter den Anhängern befindet sich auch Enrico Montesano, ein berühmter römischer Schauspieler mit einem kurzen, aber intensiven Engagement für die Politik. Eine Vergangenheit in den siebziger Jahren im Psi (die ehemalige ital SPD) und dann Mitte der neunziger Jahre im Pds (zu Demokraten nach US-Amerikanischem Vorbild mutierte ehemalige ital Kommunistische Partei). In diesen Jahren war er zusammen mit Quercia, mit dem er zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt wurde, der meistgewählte Stadtrat in Rom. Nach Rom und Straßburg endete seine politische Karriere nach nur wenigen Jahren. Als kurze Klammer in der liberalen Bewegung gab er der Neuheit, die die M5* (5-Sternebewegung) darstellen, so sehr nach, dass er 2015 auf der Piazza del Popolo die „Nacht der Ehrlichkeit“ von Beppe Grillo eröffnete. Dann löste er sich von der 5-Sternebewegung, die er zu kritisieren begann.

Jetzt ist er für den „Marsch für die Befreiung“, will aber präzisieren, dass „er nicht am Samstag auf dem Platz in Rom aufmarschieren wird“, sondern „aber ich unterstütze die Initiative und stimme den zehn Punkten des „Marsches für die Befreiung“ voll und ganz zu, wir müssen in großer Zahl teilnehmen. Wenn es uns nicht gelingt, mit diesen schönen Demonstrationen etwas zu erreichen, bedeutet das, dass wir friedlich beginnen sollten, zivilen Ungehorsam zu leisten, friedlich und ohne Molotowcocktails“, scherzt Montesano.

Quelle

Marcia della Liberazione – Italexit am Wachsen

von Wilhelm Langthaler

Am Samstag, 10.10.2020, fand am größten Platz Roms, der Piazza San Giovanni, der „Marsch der Befreiung“ statt. Fest stand bereits lange vorher, dass eine Demonstration aufgrund des Corona-Ausnahmezustands nicht genehmigt werden würde. Doch auch die Standkundgebung war bis zum letzten Tag unsicher, zumal gerade eben neue Maßnahmen, wie die Maskenpflicht auch im Freien, verordnet wurden.

Die vier Hauptlosungen lauteten: Arbeit, Einkommen, Demokratie und Souveränität. Die Plattform bestand aus zehn Punkten, die im Kern aus einem Investitionsprogramm insbesondere im Gesundheitssektor, Arbeitsbeschaffung, ein Ende des Ausnahmezustands sowie dem Bruch mit der neoliberalen EU bestanden. Die Klammer ist dabei immer die Wiederherstellung der antifaschistischen und sozialen Verfassung von 1948.

Die Initiative ist eine Herausforderung des nunmehr wieder bipolaren politischen Systems, sowohl für die regierende linksliberale Koalition als auch für das Rechtsbündnis.

Nach dem Sturz der sich selber als „souveränistisch“ bezeichnenden Regierung aus Fünfsternen und Lega, sind beide wieder in das Lager der Eliten und der Befürworter des Euro/EU-Regimes zurückgekehrt. Conte lässt sich sogar als Bezwinger Merkels feiern, der er den Recovery Fund abgetrotzt hätte. Salvini muss stumm bleiben, weil die Industrieeliten des Nordens im EU-System verbleiben wollen. Das souveränistische Lager, dass jedenfalls einen erheblichen Anteil der unteren Schichten umfasst, hat also keinen parlamentarischen Ausdruck mehr – und damit auch keinen medialen, was vielleicht noch wichtiger ist. Das politische Vakuum ist enorm und der Vergleich mit England drängt sich auf, als die Premierministerin Mey das Brexit-Votum auf Biegen und Brechen umgehen wollte. In Windeseile stieg die Brexitpartei von Farage zur stärksten Kraft auf. Johnson musste nicht nur den Brexit machen, sondern auch allerlei soziale Versprechungen dazu, auch um die Tories zu retten. Bis heute kämpft er mit den Konsequenzen – doch das ist eine andere Geschichte.

Die Initiative „Liberiamo l‘Italia”, ein linkssouveränistisches Bündnis, hatte schon unter Conte I damit angefangen, eine soziale und demokratische Alternative aufzuzeigen, die den Bruch mit dem EU/Euro-Regime unvermeidlich macht und hatte die Inkonsequenz der Fünfsterne/Salvini-Regierung kritisiert. Im Oktober 2019 veranstalteten sie bereits eine ähnliche Initiative, die einiges an Aufmerksamkeit erlangte, doch in den Regimemedien eine Randnotiz blieben.

Angesichts des beschriebenen Vakuums haben sich zwei profilierte Figuren aus der Riege der M5S-Abgeordneten auf der No-Euro-Seite positioniert. Einerseits ist das Gianluigi Paragone, ein bekannter RAI-Journalist, und andererseits Sara Cunial, eine profilierte Impfgegnerin, die sich auch gegen die Maskenpflicht und die Corona-Maßnahmen ausspricht. Beide verfügen über einen enormen Medienhebel. Paragone war im Sommer mit der Ankündigung einer Italexit-Partei vorgeprescht und hatte Liberiamo l’Italia dazu eingeladen, dies gemeinsam ins Werk zu setzen.

Nun kommt noch der Faktor der Krise des Salvinismus hinzu. Denn während sich die Fünfsterne unter Führung der PD durch Corona stabilisieren konnten, musste sich Salvini, der den nationalen Anti-EU-Plebejer gab, den EU-treuen nordistischen Lega-Kapitalisten und der Rechtskoalition mit dem abgehalfterten Berlusconi unterordnen. Zudem trägt er alleine die Verantwortung für den Sturz der souveränistischen Regierung im Dienst der EU. Nicht umsonst hat er im Frühjahr sogar Mario Draghi als Premier vorgeschlagen. Die nunmehr enttäuschten unteren Schichten, die den Druck für die Koalition mit den Fünfsternen gemacht hatten, versucht Paragone nun zu adressieren.

Medienkampagne

Ignorieren war diesmal für die Medien, die eines der zentralen Machtmittel der Eliten bleiben, nicht möglich. Also blieb attackieren, ja verleumden. Systematisch sprach man von der Mobilisierung der negazionisti, also der Leugner, was klar mit dem Holocaust konnotiert ist und somit mit der Rechten assoziiert wird. Der absichtlich unscharf gemachte Bezug waren die Corona-Maßnahmen.

Doch auch da stimmt es keineswegs: Zwar haben sich die Organisatoren sehr deutlich gegen die politische Nutzung der Epidemie für autoritäre Zwecke und gegen die Angstmache gestellt. Das hat aber nichts mit Leugnung der Krankheit zu tun. Im Gegenteil. So wurde immer wieder von der Bühne aus zum Tragen der Masken aufgerufen, so wie es behördlich vorgeschrieben ist, auch wenn die Skepsis gegenüber dieser Maßnahme, zumal im Freien, unter den Teilnehmer sehr groß war. Hauptkritik war von Anfang an, dass die Spardiktate der EU und der diversen neoliberalen Regierungen nicht nur zum radikalen Abbau der Krankenhauskapazitäten geführt hat, sondern ihr auch die Einrichtungen zur Abwehr von Epidemien zum Opfer fielen.

Diese ungeheuerliche semantische Übertragung der Holocaustleugnung auf die Kritiker der Corona-Maßnahmen ist sicher die bedeutendste Form der Kampagnisierung. Aber es gab noch ein paar klassischere, wie die Darstellung einer völlig friedlichen Kundgebung als von gewalttätigen Verrückten oder auch die gemeinsame Berichterstattung mit einer zeitgleich stattfindenden Demo der neofaschistischen Forza Nova, die somit eine Nähe herstellen sollte.

Insgesamt hat die Exposition in den Medien den Marcia della Liberazione seines sozialen Inhalts gegen den Neoliberalismus als auch der Stellung gegen die EU zu entkleiden und auch als No Mask umzuetikettieren versucht. Das mag unter den passiven Schichten funktioniert haben, doch bei der subkutan brodelnden Rebellion nicht.

Bedeutender Erfolg

Natürlich kam es zum üblichen Streit um die Teilnehmerzahl, die die führende Repubblica zunächst mit 200, dann mit 2.000 angab, während die Organisatoren von 20.000 sprachen.

In jedem Fall handelt es sich um einen wirklichen politischen Erfolg. Nicht nur, dass es die erste große politische Mobilisierung im Corona-Ausnahmezustand war, just zu einem Zeitpunkt wo die Angst wieder zunimmt. Sondern es konnte ein massives politisches Signal gesetzt werden.

Auch das politische Bündnis um den Marcia della Liberazione hat sich erheblich erweitert. Neben den diversen linkssouveränistischen Gruppierungen und den ehemaligen Fünfsterne-Abgeordneten Paragone und Cunial haben sich bedeutende Figuren des öffentlichen Lebens wie Journalisten und Künstler angeschlossen, wie beispielsweise der Schauspieler Enrico Montesano oder Rosita Celentano, die Tochter des bekannten Sängers. Künstler sind immer auch Anzeiger des öffentlichen Einflusses.

Es ist auch ein Netzwerk an lokalen Komitees entstanden, die sich nun italienweit zu organisieren versuchen.

Italexit

Die führende Gruppe des Marcia della Liberazione versucht die Bewegung in Richtung einer Italexit-Partei zu entwickeln, die bis jetzt lediglich eine Proklamation von Paragone ist. Immer wieder bestätigen Umfragen, dass die Partei, würde sie kandidieren, gute Chancen auf den Einzug ins Parlament hätte. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der durch die Corona-Geschichte nicht kürzer wird.

Auf der anderen Seite hat eine Italexit-Bewegung ein enormes Potential, das Gebälk der der neoliberalen EU-Zwangsjacke zu erschüttern.

Eigene Bilder

Bericht der Nachrichtenagentur AGI, dar den Begriff negazionisti im Titel verwendet

La Stampa, ebenso

Video: Unterstützungserklärung eines deutschen Teilnehmers

Video: Bericht von Wilhelm Langthaler

Videogesamtaufzeichnung

Norwegen: Die Bewegung gegen Wizz

von Roy Pedersen

Der norwegische Verkehrsminister erklärte, dass die norwegische Regierung aufgrund des EWR-Abkommens mit der EU dem Dumping-Unternehmen Wizz Air nicht verbieten kann, Inlandsflüge in Norwegen durchzuführen.

Die Nutzung interner Flughäfen durch Wizz Air ist auf enorme Proteste gestoßen. Es begann mit einer Petition (www.opprop.net/wizz_air_ut) zur Unterzeichnung unter Gewerkschaftern. Diese Plattform wurde zuerst im Gewerkschaftskomitee der Organisation „Nein zur Europäischen Union“ diskutiert, wurde aber schließlich von den Leitern der Regionalkomitees des Norwegischen Gewerkschaftsbundes (LO) in den größeren Städten eingeführt. Sehr bald gewann sie eine große Unterstützung.

Die Kampagne wurde ins Parlament gebracht. Die Sozialdemokraten (mit ca. 21% Unterstützung), die Zentrumspartei (unterstützende Bezirke sind gegen die EU und das EWR-Abkommen mit der EU und haben laut Meinungsumfragen ca. 20% Unterstützung), die Sozialistische Linkspartei (ca. 7-8% Unterstützung) und die Rote Partei (ca. 4% Unterstützung) sind auf die eine oder andere Weise gegen Wizz Air in Norwegen.

Die konservative Premierministerin, Erna Solberg, hat erklärt, dass sie Wizz Air boykottieren wird. Lokale Stadtverwaltungen haben dasselbe erklärt. Im Februar wird es im Parlament eine große Diskussion über Wizz Air geben.

Der Arbeitgeberverband hat erklärt, dass Wizz Air in Norwegen operieren kann. Der offizielle LO wird die Petition nicht unterschreiben, formal, weil sie nicht von LO selbst eingeführt wurde, aber in Wirklichkeit, weil sie diese Kampagne als einen versteckten Angriff auf das EWR-Abkommen betrachten.

Eine sorgfältige Lektüre der Petition zeigt, dass das EWR-Abkommen nicht erwähnt wird. Das Hauptargument ist, dass Wizz Air ein Feind der Gewerkschaften ist und dass das Unternehmen die IAO-Konvention Nr. 87 nicht anerkennt, die das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und auf Tarifverhandlungen gibt. Unsere Forderungen sind, Wizz Air zu boykottieren und dass die Regierung sie aus Norwegen ausweisen soll. Sie können nur bleiben, wenn sie die Menschen sich organisieren lassen und den norwegischen Tarifvertrag für die Luftfahrtunternehmen unterschreiben.

Halbwarmer Brexit

von Wilhelm Langthaler

In letzter Minute einigte man sich doch noch auf ein Freihandelsabkommen. Die neoliberalen Eliten auf beiden Seiten zeigen sich erleichtert, insbesondere die deutsche Autoindustrie. Das ist schon ein starker Hinweis darauf, dass das demokratische und soziale Potential des Brexits begrenzt wurde.

Was ist der Kern des Abkommens? Waren können nun doch zollfrei bewegt werden – solange die EU-Vorgaben zu Wettbewerb, Umwelt und Arbeitsrecht eingehalten werden.

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Wizz Air raus aus Norwegen!

Boykott!

Eine sehr starke linke Kampagne will Wizz Air zwingen, entweder die norwegischen Rechte und Standards der Beschäftigten zu akzeptieren oder das Land zu verlassen – sie sagen Schluss mit den neoliberalen Angriffen!

Haupthebel von Wizz und den neoliberalen Eliten ist das Abkommen mit der EU (European Economic Area), das in der üblichen Weise unter dem Titel „Wettbewerb“ die sozialen Errungenschaften zu zerstören versucht.

Darum ist der Austritt aus der EU die EINZIGE MÖGLICHKEIT, alte soziale Errungenschaften zu verteidigen und neue zu erkämpfen. Darum ist das Handelsabkommen zwischen EU und England auch eine halbe Kapitulation, weil es genau solche Praktiken wie von Wizz Air erzwingen will.