"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
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Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

Dortmund: „… raus aus dem Euro?“

Ein Streitgespräch zur aktuellen Euro-Debatte mit Prof. Dr. Heinz J. Bontrup und Prof. Martin Höpner

 

„… raus aus dem Euro?“ – Die Plan-B-Diskussion und die Frage nach einer sozialverträglichen Auflösung der Euro-Zone

Montag, den 14. März 2016, Beginn: 19.00 Uhr

Veranstaltungsort: Auslandsgesellschaft Dortmund, Steinstr. 48 (Nordausgang Hbf., neben Cinestar)

 

Die EU hat sich gerne als Friedensprojekt der europäischen Völker dargestellt. Die Hoffnungen in die EU und den Euro waren groß. Wurden in der Nachkriegszeit in den Nationalstaaten Demokratie und Sozialstaat auf- und ausgebaut, so baut das Euro-System diese Schritt für Schritt ab. Immer deutlicher entwickeln sich in der EU zwei Pole, die unübersehbare Zeichen einer Desintegration zwischen Zentrum und Peripherie sind. Die EU ist zu einem Synonym für Zwietracht und Verfall geworden.

Auf dem Hintergrund der Griechenland-Krise wurde die Frage eines „Grexit“ aufgeworfen und die Frage gestellt, ob „ein linke Euro“ möglich ist. Inzwischen sind Initiativen wie Plan-B (Lafontaine/Mélenchon) und DiEM 25 (Varoufakis) oder „Euroexit“ gegen Sozialabbau entstanden. Die vor allem von Gewerkschaftern getragene Initiative „Europa neu begründen“ plant in diesem Jahr eine größere Konferenz.

Mit einem Streitgespräch zwischen Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup (Sprecher der Memorandum-Gruppe) und Prof. Dr. Martin Höpner wollen wir Sachinformationen und Orientierungshilfen in der aktuellen Debatte um die Zukunft des Euro geben.

 

Heinz-J. Bontrup, Prof. Dr. rer.pol, Dipl.-Ökonom und Dipl.-Betriebswirt. Langjährige Praxiserfahrung in der Industrie, u.a. als Personalvorstand und Arbeitsdirektor in der Stahlindustrie. Seit 1996 Hochschullehrer für Wirtschaftswissenschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

Ausgewählte Veröffentlichungen:u.a.: Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft / Krisenkapitalismus und EU-Verfall / Pikettys-Kapitalismusanalyse / Der diskreditiere Staat / Wo geht es hier bitte zur Marktwirtschaft? / Zukunftsfähiges NRW? Politik und Wirtschaft zwischen Schuldenbremse und Demographie-Mythen

Martin Höpner studierte Politikwissenschaft und Germanistik an der Universität Heidelberg. Er promovierte zum Thema: „Wer beherrscht die Unternehmen? Shareholder Value, Managerherrschaft und Mitbestimmung in Deutschland“. Es folgte ein Forschungsaufenthalt am Center for European Studies der Harvard University und die Habilitation zum Thema: „Organisierter Kapitalismus in Deutschland: Komplementarität, Politik, Niedergang“.

Seit 2008 ist Höpner Leiter einer Forschungsgruppe zur „Politischen Ökonomie der europäischen Integration“ am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG) und seit 2013 außerplanmäßiger Professor für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln

 

Veranstalter: Attac Regionalgruppe Dortmund AG Globalisierung konkret, DGB Stadtverband Dortmund, NachDenkTreff*

* Der NachDenkTreff ist eine Einladung, viele Dinge anders zu sehen.

Eine Ähnlichkeit mit der Internetseite „www.nachdenkseiten.de“ ist dabei nicht zufällig, sondern beabsichtigt und wird zur werktäglichen Lektüre empfohlen. Informationen und Einladungen können Sie unter folgender E-Mail-Anschrift anfordern: NachDenkTreff@gmx.de

Weitere interessante Veranstaltungen in und um Dortmund unter: www.dortmund-initiativ.de

Erklärung der Europäischen Koordination gegen den Euro über die Plan-B Konferenz in Madrid

Auf der Plan-B Konferenz für Europa am 23. und 24. Januar in Paris standen sich zwei gegensätzliche Positionen gegenüber: die eine, verteidigt etwa von Frédéric Lordon und anderen, für die geordnete und kollektive Auflösung der Währungsunion oder auch einen einseitigen Austritt von Ländern, die von den Forderungen der Troika erdrückt werden, wie Griechenland und andere Länder der südeuropäischen Peripherie. Die andere Position stellt die Fortsetzung der traditionelle Unklarheit in der Linken dar: Anklage der herrschenden Politik ohne die Krise des Euroregimes als Grund anzusprechen. Dies hat seit jeher zu Verwirrung und Desorganisation in der Bevölkerung und der engagierten Linken geführt.

Es sind die Verteidiger dieser unklaren und illusorischen Position, die die zweite Plan-B Konferenz vom 19.-21. Februar in Madrid organisiert haben.

Währenddessen verdüstern sich die Perspektiven der Weltwirtschaft und die EU verharrt weiter in einem Klima der Unsicherheit und Lähmung, ohne Hoffnung auf eine Lösung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die die Union als Ganzes und einzelne Mitgliedsstaaten schwer erschüttern. Das Manifest der Madrider Konferenz ist inhaltlich schwach, ideologisch unklar und politisch unrealistisch und nutzlos. Die bescheidenen Ziele sind der Kampf gegen die Austeritätspolitik, die die europäischen Institutionen den Regierungen aufnötigen, und die Demokratisierung der Union. Als ob kleine Veränderungen in den Institutionen die antidemokratische Grundlage der Währungsunion verändern würden. Die Regierungen verfügen heute nicht mehr über die Instrumente für eine souveräne Entscheidung über ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik zugunsten der europäischen Völker. Sie sind den Direktiven der Verträge unterworfen, die gerade über die Kontrolle der öffentlichen Ausgaben zu permanenter Austerität zwingen.

Auch neben dem Manifest zeigt der Inhalt der Madrider Konferenz, dass die zentrale Frage des Euro nicht angesprochen wird. Unserer Meinung nach, ist es mittlerweile für jeden klar, dass die gegenwärtige Krise in Europa ihren Hauptgrund in der Einführung des Euro als gemeinsame Währung hat, die implizit fixe Wechselkurse zwischen Ländern mit unterschiedlich produktiven Wirtschaftsstrukturen installiert hat, ohne eine gemeinsame Fiskalpolitik, die zur Umverteilung der marktbestimmten Einkommen beiträgt. Von daher erfordert eine Krisenlösung notwendigerweise, sich die Frage des Euro zu stellen, was in Madrid aber nicht auf der Tagesordnung steht. Das Programm scheint eher ein Spektakel zu sein, um dutzenden Rednern verschiedenster politischer Herkunft eine Bühne zu geben, wobei diese in der Mehrheit gar nicht mit den zentralen Fragen des Euro und der Krise der Europäischen Union beschäftigt sind. Die Eigendarstellung der Konferenz, die Austeritätspolitik bekämpfen zu wollen, bleibt nur Rhetorik, wenn die Veranstaltung nicht einmal das Ziel vorgibt, den Stabilitätspakt zu verlassen und das daraus abgeleitete Verfassungsgesetz für Budgetstabilität in Spanien aufzuheben. Ein unverständliches Schweigen, angesichts eines jüngst veröffentlichen offenen Briefes hunderter politischer Persönlichkeiten und sozialer Aktivisten an die neuen Abgeordneten im spanischen Parlament, wo genau dies gefordert wurde.

Wir erkennen an, dass unter den Teilnehmern Personen sind, die kohärent und konsequent eine Anti-Euro Position vertreten und auch, dass jede Diskussion dazu beiträgt, unter den Völkern Bewusstsein über die Wurzeln und möglichen Lösungen der Krise zu entwickeln. Dennoch können wir nur bedauern, dass die Konferenz sich in allen möglichen Fragen verliert, die vielleicht interessant sind, aber die Aufmerksamkeit von der Grundfrage der Währungsunion ablenken.

So etwa wäre es entscheidend, sich der komplexen Problematik zu widmen, die sich mit einer Auflösung des Euro ergeben würde, sei es für die gesamte Union als auch für einzelne Länder. Dafür könnten derartige Konferenzen nützlich sein, an denen informierte Personen teilnehmen, erfahrene Politiker und engagierte Ökonomen: sie müssten sich damit beschäftigen, politische Maßnahmen und Instrumente vorzubereiten, um die Währungssouveränität wiederzugewinnen, sodass es nie mehr zu einer Situation kommen kann, wie in Griechenland nach dem Referendum: eine Regierung die keinen ökonomischen Plan hatte, um sich der Troika entgegenzustellen (unabhängig der vorhandenen Bereitschaft von Tsipras sich zu unterwerfen).

Die Europäische Koordination gegen den Euro wurde zu der Konferenz von Madrid nicht eingeladen, wie auch nicht zu jener in Paris. Auch die Mitglieder der spanischen Plattform „Raus aus dem Euro“ waren nicht eingeladen, was den Graben zeigt, der zwischen den Organisatoren der Konferenz und all jenen liegt, die sich die Auflösung der Währungsunion als unerlässliches Ziel gesteckt haben.

Die Europäische Koordination wird versuchen, sich unter den politischen und sozialen Kräften in Europa zu verbreitern, weitere Treffen, Diskussionen und Mobilisierungen zu organisieren, sich in den verschiedenen Ländern zu stärken und ihre Überzeugung zu verbreiten, dass die Emanzipation der Völker das Ende des Euro voraussetzt, den Bruch mit der derzeitigen Europäischen Union deren imperialistische Rolle über die NATO mit ihren dramatischen Konsequenzen man heute nicht mehr verbergen kann.

 

19/02/2016

Yanis Varoufakis lässt es im Theater donnern

von Paul Steinhardt

Trotz der vielen Jubelmeldungen über die erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Eurozone, lassen sich die Fakten nicht verleugnen. Das Eurozonen BIP hat bislang noch immer nicht wieder das Niveau von 2007 erreicht und die Arbeitslosigkeit beträgt noch immer nahezu 11%. In vielen südlichen Ländern der Eurozone, wie z.B. in Spanien, Portugal und Griechenland, droht gar einer ganzen Generation der unumkehrbare wirtschaftliche und soziale Abstieg und bleibt als Ausweg oft nur noch die Emigration. Die Deindustrialisierung in vielen Ländern der Eurozone – selbst von Gründungsmitgliedern der EU wie Italien und Frankreich – schreitet weiter voran und auch in den vermeintlichen nördlichen Siegerländern führt der neoliberale Wirtschaftskurs der dort Regierenden zu Sozialabbau und zunehmender sozialer Spaltung.

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass für das wirtschaftliche und soziale Desaster der Eurozone die Medizin der von der deutschen Bundesregierung angeführten Marktradikalen mit Namen „Austerität“ dazu einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet hat, und dass in den „Programmländern“ elementarste Anforderungen an demokratisch legitimierte Entscheidungsprozesse verletzt wurden und diese Länder nur noch bloße Befehlsempfänger der Troika sind.

Bis hierhin dürfte es unter europäischen Linken kaum einen Dissens geben. Dissens aber gibt es darüber, welche politische Strategie unter den gegebenen Umständen als zielführend erachtet werden kann, um den Menschen gerade in den Krisenländern wieder die Möglichkeit zu geben, ihre wirtschaftliche und soziale Situation rasch zu verbessern und ihre demokratische Souveränität wieder herzustellen.

Ich habe in vielen Beiträgen kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich als einzig gangbaren Weg die Auflösung der Europäischen Währungsunion sehe (z.B. hier). Denn ohne dass diese Länder wieder über eine eigene Zentralbank verfügen, die es ihnen erlaubt, eine expansive Fiskalpolitik zu betreiben und durch Abwertung die entstandene Wettbewerbslücke mit kluger Wirtschaftspolitik zu schließen, wird es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben können, der die dort entstandene Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen imstande ist. Die Souveränität des Volkes wird durch die Macht von Kapitalmärkten und EZB massiv eingeschränkt bleiben.

Wer die Rückübertragung bestimmter Kompetenzen, wie z.B. der Währungssouveränität, von der EU auf die nationalstaatliche Ebene fordert, muss, wie die Reaktionen auf Wagenknechts entsprechenden Vorstoß zeigten, damit rechnen, von der politisch Linken entweder ignoriert oder gar als „sozialnationalistisch“ diffamiert zu werden (hier habe ich darüber berichtet und dazu Stellung genommen). Warum aber wird die Forderung nach der Übertragung von Kompetenzen von der EU- auf die Nationalstaatsebene abgelehnt und wie sieht eine realistische Alternative zu dieser Strategie aus?

Üblicherweise wird behauptet, dass die europäische Integration ein richtiger Schritt hin zur Überwindung des Nationalstaates sei, weil dieser in den Zeiten der Globalisierung ohnehin die vielen Probleme der Menschheit nicht zu lösen vermag. Zudem sagt man, mit der Integrationsleistung der EU sei die reale Gefahr innereuropäischer kriegerischer Konflikte gebannt worden. Kaum wird auf die Frage eingegangen, wie eine demokratische Ordnung jenseits des Prinzips der nationalen Souveränität genau aussehen soll und kann.

Vor diesem Hintergrund ist die von Yannis Varoufakis ins Leben gerufene Initiative DiEM25, deren primäres Ziel ja die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ ist, durchaus zu begrüßen. Denn anstatt nebulös über die Demokratisierung der EU zu reden, wird hier – wenn auch eher implizit – zuzugeben, dass ohne ein Parlament, das den Willen der europäischen Bürger repräsentiert und ohne exekutive Organe, die ihm entsprechend zu handeln in der Lage sind, von Demokratie keine Rede sein kann.

Freilich dürfte selbst von Berufsoptimisten der geplante Zeitpunkt der feierlichen Vereinigung der Völker der EU im Jahre 2025 als arg ehrgeizig erachtet werden und es stellt sich die Frage, was man in der möglicherweise doch auch sehr viel längeren „Zwischenzeit“ genau zu tun gedenkt, um den wirtschaftlichen und sozialen Problemen in der EU zu begegnen. In dem Manifest der DiEM25 (hier) liest man dazu, dass die „aktuelle Wirtschaftskrise mit den bestehenden Institutionen und im Rahmen der bestehenden EU-Verträge“ angegangen werden soll. Wie sich das mit der dort auch zu findenden Behauptung verträgt, dass für den erbärmlichen Zustand der Eurozone „eine gemeinsame Bürokratie und eine gemeinsame Währung“ verantwortlich zu machen sind, die „heute die europäischen Völker trennen“, bleibt das Geheimnis von Varoufakis und seinen Mitstreitern.

Der als radikal medial inszenierte Widerstand in der Berliner Volksbühne gegen die EU-Nomenklatura erweist sich damit aber als Theaterdonner. Er bietet der Empörung besorgter und wohlmeinender Menschen aus ganz Europa ein Ventil, um den aufgestauten Frustrationsdampf ablassen zu können. Während das für die Psyche dieser Menschen durchaus begrüßenswert ist, ist diese Initiative für die Organisation wirksamen politischen Widerstands fatal. Denn die EU und der Euro werden als alternativlos angesehen und man insinuiert gar, dass den Problemen der EU mit etwas gutem Willen selbst innerhalb der bestehenden Institutionen begegnet werden kann. Das Ergebnis dieser Dialektik von radikaler Rhetorik und neoliberaler Realpolitik lässt sich gerade in Griechenland bestaunen, wo eine sich selbst als linksradikal verstehende Partei die von der Troika vorgeschriebene Politik exekutiert. Vor diesem Hintergrund macht dann auch das auf der Eintrittskarte zur Auftaktveranstaltung der DiEM25 aufgedruckte Motto überraschend viel Sinn: „Announcing the Democrazy“.

 

Der Beitrag erschien erstmalig auf www.flassbeck-economics.de/diem25-was-helfen-uns-jetzt-die-vereinigten-staaten-von-europa/ Wir reproduzieren ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Diskussionsveranstaltung: Ein Plan B für Europa

Fr. 4. März, 19h, Gußhausstraße 14/3, 1040 Wien

• Steffen Stierle, Mitglied des Lenkungsausschusses der deutschen Linken Euro-Kritiker (Plan B) und Aktivist von Attac, Berlin
• Martin Konecny, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter von mosaik-blog.at
• Wilhelm Langthaler, Autor „Europa zerbricht am Euro“ und Mitarbeiter von euroexit.org
• Norbert Bauer, Solidarwerkstatt Wien

 

Eine neue europäische Bewegung im Entstehen?

Als im Sommer 2015 die griechische Linksregierung unter Alexis Tsipras von Brüssel und Berlin in die Knie gezwungen und das Schockprogramm verlängert wurde, begannen viele am „sozialen Europa“ zu zweifeln – die Idee eines Plan B zur Überwindung des Euro-Regimes begann zu reifen.

Im Jänner fand in Paris auf Initiative prominenter Namen wie Oskar Lafontaine (Deutschland), Zoe Konstantopoulou und Yanis Varoufakis (Griechenland), Stefano Fassina (Italien) und Jean-Luc Mélenchon (Frankreich) das erste europäische Treffen für einen Plan B statt. Es folgten weitere Treffen in Frankfurt, Berlin und Madrid.

Zweifellos ist an der südeuropäische Peripherie die Bewegung für eine Alternative zur Austeritätspolitik der EU am dynamischsten. Dennoch stellt sich auch für die Linke und soziale Bewegung in den Zentren die Frage, in welcher Form sie den Plan B-Impuls aus dem Süden aufnahmen kann. Auch in Österreich sollte die Debatte dazu aufgenommen werden. So sehr Österreich auch wirtschaftlich und politisch an Deutschland hängt, ist der österreichische Bankensektor doch eine Zeitbombe (nicht nur die Hypo). Zudem ist es auch ein Gebot der Solidarität, dem europäischen Süden eine Chance zu geben.

 

Veranstalter: Personenkomitee Euroexit gegen Sozialabbau

Der EU-Retter

von Andreas Wehr

Der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis und die Bewegung »Democracy in Europe Movement 2025« will die Europäische Union mit dürftigen Forderungen in eine Demokratie verwandeln.

Alle warnen vor dem Zerfall Europas. Die Voraussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, »Scheitert der Euro – scheitert Europa«, liegt erst wenige Monate zurück, da werden bereits neue Gefahren beschworen. Nun ist es die Flüchtlingskrise und die Zerstrittenheit der Mitgliedsländer über die Wege zu ihrer Lösung, die die Politiker vom Ende der EU sprechen lassen. Da wollen Linke nicht nachstehen. Das am 9. Februar in der Berliner Volksbühne vorgestellte »Manifest für die Demokratisierung Europas« des »Democracy in Europe Movement 2025« (DiEM 25) warnt: »Die EU wird entweder demokratisch sein, oder sie wird zerfallen!«¹

Es ist eine bunte Mischung von Kräften, die sich hinter diesem Manifest versammelt. Bei seiner Präsentation hatten die üblichen Aktivisten der Alter Summits (Treffen der europäischen sozialen Bewegungen), Sozialforen, Euro-Märsche, von Blockupy und von Stiftungen auf den Podien Platz genommen. Nur wenige Politiker der europäischen Linken waren dabei, kaum Gewerkschafter, einige Sozialdemokraten, aber auffallend viele aus dem Spektrum der europäischen Grünen. Gewürzt wurde die Teilnehmerliste durch Namen wie den des italienischen Neomarxisten Toni Negri, des österreichischen Journalisten Robert Misik, des postmodernen Philosophen Slavoj Žižek und des englischen Minimalmusikers Brian Eno. Als Überraschungsgast trat sogar die SPD-Politikerin Gesine Schwan auf. Auffällig war, dass weder ein Politiker aus der griechischen Linkspartei Syriza noch aus der von ihr abgespaltenen Laiki Enotita, Volkseinheit, dabei war. Und das, wo doch der Initiator des Manifests und Star des Volksbühnen-Events kein anderer als der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis war.

Welches Bild haben nun die Unterzeichner des Manifests von der Europäischen Union, dass sie fürchten, sie könne zerfallen? Die EU stellt für sie eine »außerordentliche Leistung« dar: »Sie hat europäische Völker, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen pflegen, in Frieden zusammengeführt und damit bewiesen, dass es möglich ist, einen gemeinsamen Rahmen der Menschenrechte auf einem Kontinent zu errichten, auf dem vor noch nicht allzu langer Zeit mörderischer Chauvinismus, Rassismus und Barbarei herrschten. Die Europäische Union hätte der sprichwörtliche Leuchtturm sein können, sie hätte der Welt zeigen können, wie aus jahrhundertelangen Konflikten und Bigotterie Frieden und Solidarität entstehen können. (…) In den Nachkriegsjahrzehnten, in denen die EU erbaut wurde, wurden nationale Kulturen in einem Geist des Internationalismus, der Überwindung von Grenzen, gemeinsamen Wohlstands und eines steigenden Lebensstandards wiederbelebt, alles Entwicklungen, die die Europäer einander näher brachten.« Doch damit sei es jetzt vorbei, denn, so wörtlich im Manifest: »Im Herzen des Integrationsprozesses lag ein Schlangenei.«

Folgt man dem Text des Aufrufs, so verlief die Geschichte der EU wie folgt: »Ökonomisch betrachtet, begann die EU als ein Kartell der Schwerindustrie (später bezog sie noch die Bauern mit ein), das entschlossen war, die Preise zu diktieren und die Gewinne des Oligopols durch die Brüsseler Bürokratie zu verteilen. Das im Entstehen begriffene Kartell und seine in Brüssel beheimateten Verwalter fürchteten den Demos und verachteten die Idee einer Regierung durch das Volk.

Geduldig und methodisch wurde der Prozess der Entscheidungsfindung entpolitisiert, mit dem Ergebnis, dass der Demos langsam, aber stetig aus der Demokratie verschwand und jegliche politische Entscheidungsfindung in einen alles überwuchernden pseudotechnischen Fatalismus gehüllt wurde. Die nationalen Politiker wurden gut dafür entlohnt, dass sie dabei mitmachten, die Kommission, den Rat, den Finanzministerrat Ecofin, die Euro-Gruppe und die EZB (Europäische Zentralbank, jW) in politikfreie Zonen zu verwandeln. Wer sich diesem Prozess widersetzte, bekam das Etikett ›Europagegner‹ verpasst und galt als eklatanter Außenseiter. So nahm der Betrug im Herzen Europas seinen Anfang und führte zur institutionellen Verpflichtung auf eine Politik, die heute deprimierende Wirtschaftsdaten und vermeidbare wirtschaftliche Not hervorbringt.«

Doch diese Sicht auf die Geschichte der EU ist eine Legende. Sie entspricht nicht der Realität. Als die Europäischen Gemeinschaften (EG) 1957 gegründet wurden, drohten nicht mehr »mörderischer Chauvinismus, Rassismus und Barbarei« der deutschen Faschisten. Das Ende des Zweiten Weltkriegs lag zwölf Jahre zurück, diesseits und jenseits des Rheins standen Truppen der USA, und die Bundesrepublik war 1955 Mitglied der NATO geworden. Zwar drohte tatsächlich ein Krieg, aber nicht einer zwischen Deutschland und Frankreich, sondern zwischen West und Ost. Man befand sich in der Hochzeit des Kalten Krieges, der jederzeit zu einem heißen Konflikt werden konnte. Die EG leisteten einen entscheidenden Beitrag dazu, den kapitalistischen Westen wirtschaftlich gegen den sozialistischen Osten zusammenzuschweißen. Die feste Einbindung der BRD in das westliche Militärbündnis und ihre Aufnahme in die politische Gemeinschaft des Westens war daher nicht Ergebnis, sondern vielmehr Voraussetzung ihrer wirtschaftlichen Integration im Rahmen der EG, der heutigen EU.

Und was die im Manifest so gelobte »Solidarität« und den »gemeinsamen Wohlstand« der Anfangszeit angeht, sei hier an die Aussage des ehemaligen französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France in der Nationalversammlung aus Anlass der Ratifizierung der Römischen Verträge am 18. Januar 1957 erinnert: »Um schließlich zum Kern zu kommen, das Projekt des Gemeinsamen Marktes, so wie es uns vorgestellt wird, oder wenigstens, so wie man es uns wissen lässt, ist auf den klassischen Liberalismus gegründet, nach dem die Konkurrenz ohne Wenn und Aber alle Probleme löst.«² Dieser Liberalismus prägt die EU von ihren Anfängen bis heute. Die vier Binnenmarktfreiheiten für Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen stellen quasi die Verfassung der EU dar. Auf diesen »Freiheiten« beruht auch das System des Euros. Die Gründung der Europäischen Gemeinschaften richtete sich zugleich gegen die sozialpolitischen Erfolge der Arbeiterbewegungen in Frankreich, Italien, Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs. So wurde die Sozialstaatsklausel des deutschen Grundgesetzes vor allem durch die europäische Einigung eingeschränkt.

Es lag daher nicht »ein Schlangenei im Herzen des Integrationsprozesses«, wie uns Varoufakis und andere glauben machen wollen. Es ist vielmehr der unter ganz normalen kapitalistischen Bedingungen ablaufende europäische Integrationsprozess selbst, der dieses Monster EU hervorgebracht hat.

Verrat der europäischen Idee

Da die Autoren diese Zusammenhänge ignorieren, nehmen sie zur Begründung ihrer Kritik an der EU Zuflucht zu Theorien des Verrats und der Verschwörung: »Doch leider trennen eine gemeinsame Bürokratie und eine gemeinsame Währung heute die europäischen Völker, die trotz unterschiedlicher Sprachen und Kulturen auf dem Weg zur Einigung waren. Eine Verschwörung kurzsichtiger Politiker, ökonomisch naiver Beamter und in Finanzdingen inkompetenter ›Experten‹ unterwirft sich sklavisch den Beschlüssen der Finanz- und Industriekonzerne, entfremdet die Europäer einander und schürt eine gefährliche europafeindliche Stimmung. Stolze Völker werden gegeneinander aufgestachelt. Nationalismus, Extremismus und Rassismus erwachen wieder.« Und an anderer Stelle heißt es: »Im Zentrum unserer zerfallenden EU liegt ein böser Betrug: Ein durch und durch politischer, undurchsichtiger und autokratischer Entscheidungsprozess wird zu einem ›unpolitischen‹, ›rein technischen‹, ›prozeduralen‹ und ›neutralen‹ Verfahren erklärt. Dessen Zweck ist es, die Europäer daran zu hindern, eine demokratische Kontrolle über ihre Währung, ihre Finanzen, ihre Arbeitsbedingungen und ihre Umwelt auszuüben.«

Es fehlt hier jedes Verständnis für den engen gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen Basis und Überbau, genauer zwischen einer monopolkapitalistischen Ökonomie als gesellschaftlicher Grundlage und dem darauf fußenden rechtlichen, politischen und kulturellen Überbau des bürgerlichen Staats, zu dem auch die EU als zwischenstaatliches Gebilde gehört. Marxisten bezeichnen dieses gesamte System als »Staatsmonopolistischen Kapitalismus«. Zwar ist es der Arbeiterbewegung und anderen fortschrittlichen Kräften immer wieder gelungen, Breschen in den bürgerlichen Staatsapparat zu schlagen, um sich dort zu verankern und anschließend weiteres Terrain zu erobern, doch eine vollständige Demokratisierung des staatlichen Überbaus ist nur möglich, wenn sie mit der Umwälzung der materiellen Basis der Gesellschaft, d. h. mit der Aufhebung des kapitalistischen Eigentums, zumindest an den Monopolunternehmen, einhergeht.

Eine solche, grundlegende Veränderung kann nur von der nationalen, einzelstaatlichen Ebene ausgehen. Die EU bietet dagegen fortschrittlichen Bewegungen keinen Raum. Der Kampf um Demokratie und soziale Rechte kann in ihr nicht erfolgreich geführt werden, da eine europäische Öffentlichkeit so gut wie nicht existiert. Es fehlt dafür schon an einer gemeinsamen Sprache. Es gibt keine europaweiten Medien, in denen die gesellschaftlichen Debatten grenzüberschreitend geführt werden könnten. Es fehlt an parteipolitischer und gewerkschaftlicher Zusammenarbeit. Bei den europäischen Parteien handelt es sich nicht um solche im klassischen Sinne. Es sind lediglich »Parteienparteien«, bloße Zusammenfassungen der jeweils nationalen Organisationen auf europäischer Ebene. Auch die Gewerkschaftsbewegungen der Mitgliedsländer arbeiten weitgehend isoliert voneinander. Unterschiedliche Traditionen, Organisationsformen und Rechtsordnungen behindern ein einheitliches Auftreten.

Warnung vor »Renationalisierung«

Nach Ansicht der Autoren des Manifests »zerfällt« heute dieses »ineffiziente, autoritäre, illegitime und antidemokratische Europa«, und die Europäer »werden vor die falsche Wahl« gestellt: »Rückzug in den Kokon unserer Nationalstaaten« oder »Unterwerfung unter Brüssels demokratiefreie Zone«. Aber beide Konsequenzen, die »Rückkehr zum Nationalstaat« oder das »Festhalten an der gegenwärtigen EU sind schrecklich für Europa, Europäer und Europeanists«. Scharfe Kritik übt das Manifest dabei an einem »Rückzug in den Nationalstaat«: »Dieser Prozess (der Erneuerung der autoritären Macht in der EU, A. W.) läuft unbemerkt ab und sorgt dafür, dass sich Europas Völker in der Krise nach innen und gegeneinander wenden und vorhandene chauvinistische und fremdenfeindliche Tendenzen sich verstärken. Die Privatisierung der Angst, die Furcht vor dem ›anderen‹, die Nationalisierung von Ambitionen und die Renationalisierung der Politik können eine toxische Auflösung gemeinsamer Interessen bewirken, unter der Europa nur leiden wird.«

Diese pauschale und undifferenzierte Kritik am Nationalstaat muss verwundern, denn als ehemaliger griechischer Finanzminister müsste es Varoufakis eigentlich besser wissen. Hat er doch am eigenen Leib erfahren müssen, was es bedeutet, wenn ein schwaches Land wie Griechenland der Gewalt der EU-Kernstaaten, mit Deutschland an der Spitze, ausgeliefert ist, wenn es zu einer Halbkolonie degradiert wird. Einen »Kokon«, besser noch einen nationalen Schutzschild durch die Geltendmachung der Option des Austritts aus der Euro-Zone, hätte Griechenland in dieser Situation bitter nötig gehabt!

Demokratie als »Gegengift«

Das Manifest verlangt eine »unverzügliche Demokratisierung« der EU: »Der Realitätssinn verlangt, dass wir uns vornehmen, in einem realistischen Zeitrahmen bestimmte Ziele als Meilensteine zu erreichen. Deshalb setzt sich DiEM 25 vier Durchbrüche in regelmäßigen Zeitabschnitten zum Ziel, um bis 2025 zu einem vollkommen demokratischen, funktionierenden Europa zu gelangen. (…) Wir müssen uns zur Einigkeit entschließen, um dafür zu sorgen, dass Europa die Wahl trifft, die auf der Hand liegt: echte Demokratie!«

Doch auch nur der kleinste Fortschritt auf Ebene der EU setzt voraus, dass sich zuvor die Kräfteverhältnisse in den Mitgliedsländern ändern. Dafür gibt es aber heute keinerlei Anzeichen. Oskar Lafontaine hat in der jungen Welt vom 14. Oktober 2015 auf diese aussichtslose Situation, bezogen auf die Euro-Zone, hingewiesen: »Das Warten auf eine linke Mehrheit in allen 19 Mitgliedsstaaten ist ein Warten auf Godot, ein politischer Selbstbetrug, insbesondere deshalb, weil auch die sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas das neoliberale Politikmodell übernommen haben.«³ Für die in der Finanzkrise unter Druck der europäischen Kernstaaten geratenen Länder wie Griechenland, Zypern, Portugal und womöglich auch bald Spanien und Italien, bedeutet das, sich auf die eigenen Kräfte verlassen zu müssen und dabei auch einen Austritt aus der Euro-Zone nicht länger auszuschließen. Im »Plan B«, den Varoufakis im September 2015 zusammen mit Oskar Lafontaine, Zoe Konstantopoulou, Jean-Luc Mélenchon und Stefano Fassina veröffentlicht hatte, ist diese Austrittsoption enthalten. Im Manifest des DiEM25 ist hiervon aber keine Rede. Und so war es denn wohl auch kein Zufall, dass Varoufakis seine Teilnahme an der Veranstaltung der Initiatoren von »Plan B« am 23./24. Januar in Paris abgesagt hatte.

Realitätsfremde Forderungen

»Auf die Frage, was wir wollen und wann wir es wollen, antworten wir: Sofort: Volle Transparenz bei der Entscheidungsfindung. Innerhalb von zwölf Monaten: Die aktuelle Wirtschaftskrise mit den bestehenden Institutionen und im Rahmen der bestehenden EU-Verträge angehen, Innerhalb von zwei Jahren: Eine verfassunggebende Versammlung.«

Die verlangte Transparenz bei der Entscheidungsfindung ist darunter noch die konkreteste Forderung. Sie soll per Livestream aus bisher geschlossenen Sitzungen, etwa des Rats, und durch die Veröffentlichung von Protokollen, z. B. der Sitzungen des Gouverneursrats der Europäischen Zentralbank, erreicht werden. Außerdem sollen »alle Dokumente im Zusammenhang mit wichtigen Verhandlungen (zum Beispiel TTIP, ›Rettungs‹-Kredite, über den Status Großbritanniens), die alle Facetten der Zukunft der Europäer betreffen, ins Netz gestellt werden«. Es sollen sich auch »alle Lobbyisten registrieren lassen und dabei die Namen ihrer Kunden angeben, wieviel Geld sie erhalten und wann sie sich mit (gewählten und nicht gewählten) Vertretern Europas getroffen haben«. All diese Forderungen sind zu begrüßen. Sie sind aber nicht besonders originell, werden sie doch seit Jahren von Nichtregierungsorganisationen und auch Parteien erhoben.

Weniger konkret sind dann schon die Vorhaben, mit denen man die aktuelle Wirtschaftskrise innerhalb der nächsten zwölf Monate angehen will. Hier beschränkt sich das Manifest auf die Nennung von lediglich fünf Themen: Staatsschulden, Banken, Investitionsschwäche, Migration und wachsende Armut. Vier davon, Migration wurde erst in die letzte Fassung des Manifests aufgenommen, entsprechen Kapitelüberschriften des Buches »Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Euro-Krise« von Gianis Varoufakis sowie den Ökonomen Stuart Holland (Großbritannien) und James K. Galbraith (USA), das im Frühjahr 2015 auf Deutsch erschien. Im Zentrum dieses Bandes steht der Plan, die Schulden der Banken der einzelnen Mitgliedsstaaten in eine riesige Badbank auf europäischer Ebene in den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu transferieren, um so die »tödliche Umklammerung von Banken und Staaten aufzulösen«.⁴ Doch diese Forderung ist vollkommen unrealistisch, da die Übertragung der Schulden der nationalen privaten Banken auf den ESM so ziemlich das letzte wäre, was die Politik in Berlin, Paris und anderen Hauptstädten anstrebt. Jetzt wird man also mit einer Wiedervorlage der Positionen dieses Buches, nun als Forderungen der DiEM 25, rechnen dürfen.

Ähnlich realitätsfremd ist auch die Forderung, innerhalb von zwei Jahren eine »Verfassunggebende Versammlung« einzuberufen. Wie diese zustande kommen soll, erfährt man nicht. Mitgeteilt wird allein: »DiEM 25 wird für eine Verfassunggebende Versammlung werben, die aus Vertretern besteht, die über transnationale Listen gewählt werden.« Weitreichend sollen hingegen ihre Kompetenzen sein: »Die Versammlung, die daraus hervorgehen wird, wird die Befugnis haben, über eine künftige demokratische Verfassung zu entscheiden, die innerhalb eines Jahrzehnts die bestehenden Europäischen Verträge ersetzen wird.«

Die Idee einer europäischen Verfassung ist ein alter Hut. Der »Vertrag über eine Verfassung für Europa« scheiterte 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden. Und keine Regierung in der EU denkt daran, dieses Thema wieder aufzugreifen. Jede Änderung der Europäischen Verträge fällt zudem in die Kompetenz der Staaten. Das war auch bei der gescheiterten Verfassung so. Der Entwurf des Europäischen Konvents wurde seinerzeit in einer EU-Regierungskonferenz überarbeitet und verändert. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Mitgliedsstaaten jemals ihre Zuständigkeit dafür aus der Hand geben könnten.

Klassenneutrales Manifest

Wer soll nun den Wandel auf europäischer Ebene herbeiführen? Die Autoren des Manifests maßen sich an, für die europäischen Völker zu sprechen: »Wir, die Völker Europas, haben die Pflicht, uns die Kontrolle über unser Europa von nicht rechenschaftspflichtigen ›Technokraten‹, Politikern, die ihre Komplizen sind, und dubiosen Institutionen zurückzuholen. Wir kommen aus allen Teilen des Kontinents und sind vereint durch unterschiedliche Kulturen, Sprachen, Akzente, parteipolitische Ausrichtung, Hautfarbe, Geschlecht, Glaubensüberzeugungen und unterschiedliche Vorstellungen, wie eine gute Gesellschaft aussieht. Wir bilden DiEM 25 in der Absicht, von einem Europa nach dem Motto ›Wir, die Regierungen‹ und ›Wir, die Technokraten‹ zu einem Europa nach dem Motto ›Wir, die Völker Europas‹ zu gelangen.« Hierzu passt die Aussage von Varoufakis, wie sie auf faz.net vom 10. Februar wiedergegeben wird: »Es gehe ihm nicht darum, eine neue Partei zu gründen aus einem bestimmten Land heraus. Vielmehr gehe es um eine grenzüberschreitende Bewegung, die allen demokratischen Kräften offen stehe – Linken, Grünen, Sozialisten und Liberalen.« Es ist diese Klassenneutralität, die Giannis Milios, lange Zeit Chefökonom von Syriza, polemisch auf den Punkt brachte: »Varoufakis ist ein liberaler Clown. Der meint, weil wir eine Krise haben, gibt es keinen Klassenkampf mehr, weil wir eine Krise haben, sind die Interessen von Unternehmern und Arbeitern gleich. Ein solcher Politiker hat mit der Linken wenig zu tun.«⁵

Wozu das Ganze?

Was ist nun Funktion des Manifests der Bewegung DiEM 25? Als Initiative pro Europäische Union, die sie trotz aller Radikalität ihrer Forderungen ist, bleibt sie anschlussfähig an Positionen etwa von Jürgen Habermas, Daniel Cohn-Bendit oder an die des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Sie und noch viele andere mehr haben ganz ähnliche Forderungen nach einer Stärkung der EU und der gleichzeitigen Entmachtung der Mitgliedsstaaten erhoben.⁶ Der Auftritt der deutschen Sozialdemokratin Gesine Schwan bei der Präsentation des Manifests in der Volksbühne zeigt hier die Richtung, mit wem die Zusammenarbeit gesucht wird. Damit unterscheidet sich DiEM 25 klar von der »Plan B«-Initiative von Lafontaine und anderen, die eine Stärkung der nationalen Souveränitätsrechte ausdrücklich vorsieht.

Nicht zuletzt dient DiEM 25 dazu, die in der Krise um Griechenland bekanntgewordene »Marke Gianis Varoufakis« in der Öffentlichkeit möglichst lange präsent zu halten. Doch ob sich das Stück, das in der Volksbühne seine Premiere erlebt hat, angesichts der beschriebenen Unbestimmtheit und Illusionen lange auf den Brettern halten wird, darf bezweifelt werden.

Anmerkungen

1 http://diem25.org/de/ Die im Artikel nicht gekennzeichneten Zitate beziehen sich auf diesen Text.

2 Zitiert nach Gerhard Brunn: Die Europäische Einigung. Stuttgart, 2004, S. 355

3 Oskar Lafontaine: Zersplitterung überwinden, in: junge Welt vom 14.10.2015

4 Vgl. Andreas Wehr: Links ist das nicht, Rezension des Buches in junge Welt vom 29.6.2015

5 Ein Gespräch mit Giannis Milios in junge Welt vom 25.9.2015

6 Vgl. Andreas Wehr: Der Europäische Traum und die Wirklichkeit. Über Habermas, Rifkin, Cohn-Bendit, Beck und die anderen. Köln 2013 – auch im jW-Shop erhältlich

 

erschienen unter https://www.jungewelt.de/2016/02-16/069.php?sstr=wehr|varoufakis

DiEM25: Was helfen uns jetzt die Vereinigten Staaten von Europa?

von Martin Höpner

Am 9. Februar fand in der Berliner Volksbühne die Auftaktveranstaltung der maßgeblich vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis angeschobenen Initiative DiEM25 statt. Das Kürzel „DiEM“ steht hierbei für „Democracy in Europe Movement“ und 2025 für das Jahr der angestrebten europäischen Staatsgründung (ich komme hierauf unten ausführlich zu sprechen). Das Event war hochprofessionell organisiert und fand sowohl in der Presse als auch in den sozialen Netzwerken ein großes Echo. Hierzu kann man den Aktivisten von DiEM25 nur herzliche Glückwünsche aussprechen. In inhaltlicher Hinsicht hinterlässt die Initiative aber leider einen verheerenden Eindruck.

Dabei war der Ausgangspunkt klug gewählt. Es war und ist eine gute Idee, das autoritäre europäische Regieren in das Zentrum der Auftaktveranstaltung und des schriftlichen Manifests (es findet sich hier) zu rücken. Seit Beginn der Eurokrise intervenieren die europäischen Institutionen in vorher nicht gekanntem Maß in die Demokratie sowie in die Tarifautonomie der Sozialpartner. Das kommt in den Vorgaben der Troika, im Fiskalpakt, den neuen Überwachungs- und Korrekturverfahren und wirtschaftspolitisch konditionierten Anleihekäufen der EZB zum Ausdruck. Die Demokratiewirkungen dieser Interventionen malen die Aktivisten von DiEM25 in düsteren Farben. Von nicht rechenschaftspflichtigen Technokraten, dubiosen Institutionen und einem pseudo-technischen Fatalismus, der den Demos aus der Demokratie verschwinden lässt, ist da die Rede – und man kann nur von ganzem Herzen zustimmen.

Leider wird die konsequente und ausdrucksstarke Beschäftigung mit diesen Problemen von einem beredten Schweigen über alles begleitet, was mit dem Euro oder, allgemeiner formuliert, den Konvergenzerfordernissen von Währungsunionen zu tun hat. Mutmaßlich aus strategischen Gründen, denn über diese Dinge können sich progressive Kräfte aus unterschiedlichen Ländern und Zusammenhängen trefflich zerstreiten. Aber der strategische Schachzug, die Problemanalyse durch integrationistische Parolen zu ersetzen, funktioniert nicht. Er führt vielmehr zu einem politökonomisch entleerten, naiven und höchst angreifbaren Ergebnis.

Denn die Interventionen und Korrekturverfahren fallen ja nun nicht zufällig mit der Eurokrise zusammen. Sie sind vielmehr Antworten auf die weit geöffnete Schere zwischen den anspruchsvollen Konvergenzerfordernissen des Euro einerseits und der Unfähigkeit und Unwilligkeit seiner Teilnehmer, den Erfordernissen Rechnung zu tragen, andererseits. Ohne die Fähigkeit und den Willen zur mittelfristigen Synchronisation der Lohn- und Preisauftriebe kann der Verzicht auf Wechselkurskorrekturen nicht funktionieren. Beides ist angesichts der Unterschiedlichkeit der in der Eurozone vertretenen Regime der Lohnaushandlung, der Koexistenz eher binnenorientierter und eher merkantilistischer Orientierungen und des Fehlens transnationaler Lohnkoordination nicht gegeben (eine ausführliche Darstellung findet sich hier). Vor diesem Hintergrund ist es nur höchst konsequent, Verfahren zu errichten, die zum Ziel haben, das Fehlen transnationaler Lohnkoordination zu kompensieren, ja die Tarifautonomie der Sozialpartner in letzter Konsequenz zu brechen. Das ist der Preis des Euro. Wenn man denn, wie DiEM25, am Euro festhalten will, wird man zumindest anzudeuten haben, wie die Synchronisation der Lohn- und Preisauftriebe eigentlich sonst bewerkstelligt werden soll.

Dasselbe ließe sich von den Interventionen in die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiken sagen. Diese Politikfelder entfalten erhebliche Wirkungen auf die Lohnpolitik – die Arbeitsmarktpolitik beispielsweise, weil sie die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften beeinflusst, und die Sozialpolitik, weil sie einen faktischen Mindestlohn setzt. In einem festen Wechselkursregime steigen daher auch die Anforderungen an die in diesen Politikbereichen angesiedelten Instrumente. Sie müssen so eingesetzt werden, dass sie die Synchronisation der Lohn- und Preisauftriebe unterstützen, und gegensteuern, wenn es zu Fehlentwicklungen kommt. Soweit die Theorie. In der Praxis aber sind die Teilnehmer des Euro Demokratien, in denen mal eher sozialstaatsfreundliche, mal eher sozialstaatskritische Parteien regieren, mit ganz unterschiedlichen politischen Systemen, Traditionen, Problemperzeptionen und Dynamiken. Wenn der Euro denn verteidigt werden soll, seine Bestandsvoraussetzungen aber eklatant verletzt werden, solange die Euro-Teilnehmer Demokratien sind – dann ist es nur höchst konsequent, die Freiheitsgrade der Demokratien durch technokratische Interventionen immer weiter einzuschränken, bis hin zur faktischen Vollsuspendierung demokratischer Verhältnisse in den Krisenländern. Kurz: Wer das autoritäre Regieren in Europa kritisiert, wird in seiner Argumentation zu der ökonomischen Konstellation vordringen müssen, aus der das autoritäre Europa hervorgeht. Vielleicht haben die Aktivisten von DiEM25 einen Weg gefunden, das Spannungsfeld zwischen den Imperativen des Euro einerseits und Demokratie und Tarifautonomie andererseits schmerzfrei aufzulösen – aber nichts dergleichen findet sich im Manifest.

Was also will DiEM25? Die Katze wird im Abschnitt „Was ist zu tun? Unser Horizont“ aus dem Sack gelassen: Varoufakis und seine Mitstreiter fordern die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung innerhalb der nächsten zwei Jahre und das Inkrafttreten einer europäischen Verfassung bis spätestens 2025. DiEM25 reiht sich damit in die Initiativen ein, die die Lösung der Probleme in radikaler Zentralisierung erkennen. Man mag das Ziel teilen oder nicht. Aber was tragen die Vereinigten Staaten von Europa zur Auflösung der Eurokrise bei? Sollen die Sozialpartner im europäischen Bundesstaat gänzlich entmachtet werden und Vorgaben aus Brüssel folgen? Sollen die heterogenen europäischen Wohlfahrtsstaaten einem EU-weiten Sozialstaat weichen, der auf Rumänien ebenso passt wie auf Schweden? Und wie kommen die Aktivisten auf die Idee, die eklatanten Demokratiedefizite der Europäischen Union würden sich nicht in die Vereinigten Staaten von Europa fortpflanzen? Erwarten sie die zeitnahe Entstehung eines europäischen Parteiensystems mit transnationalen Parteien? Und erwarten sie, dass die ein Maß an interner Kohärenz aufweisen könnten, das es ihnen erlauben würde, den Bürgerinnen und Bürgern unterscheidbare politische Programme zur Auswahl vorzulegen? Das ist mehr als unwahrscheinlich, so lange die Eurokrise die EU politisch nicht in links und rechts spaltet, sondern in Nord und Süd.

Aber vielleicht geht es um all das ja gar nicht und man wollte vor allem ein Manifest schreiben, das irgendwie für „mehr Europa“ plädiert und daher eingefleischte Integrationisten anspricht. Denn wirklich ernst gemeint kann das alles nicht sein. Der letzte Konvent, der eine europäische Verfassung erarbeitete, flog den Eliten mit den verlorenen Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005 um die Ohren. 2005 – das waren bessere Zeiten für die europäische Integration, auch wenn es sich damals nicht so anfühlte. Die Vorstellung, ein Vertrag zur Gründung der Vereinigten Staaten von Europa könne unter heutigen Bedingungen nicht nur 28 Parlamente, sondern auch alle notwendigen Volksabstimmungen erfolgreich durchlaufen, ist angesichts des Niedergangs der öffentlichen Zustimmung zur EU – man beachte nur die jüngsten Daten des Eurobarometers (hier, vgl. zum Eurobarometer auch hier) – abwegig.

Wissen die Aktivisten das alles nicht? Doch, sie wissen es – und tragen der offensichtlichen Kluft zwischen ihren Vorstellungen und den Haltungen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung. Die verfassungsgebende Versammlung, so schreiben sie explizit, „wird die Befugnis haben, über eine künftige demokratische Verfassung zu entscheiden, die innerhalb eines Jahrzehnts die bestehenden europäischen Verträge ersetzen wird“. Die europäische Verfassung soll sich also irgendwie an den nationalen Parlamenten und Volksabstimmungen vorbeimogeln, der Konvent soll keinen Entwurf vorlegen, sondern selbst entscheiden. Man liest das, schließt die Augen, atmet durch, wünscht sich, das alles möge verschwinden, öffnet die Augen wieder, aber es ist alles noch da. Was soll man damit anfangen? Den Aktivsten erklären, dass die von ihnen angestrebte Staatsgründung durch die Hintertür von den Verfassungsgerichten der EU-Mitglieder gestoppt würde? Das Ganze, das wäre mein Vorschlag zur Güte, als nicht so genau zu nehmenden, über das Ziel hinausgeschossenen Provokationsversuch verbuchen?

Was von DiEM25 vor allem bleibt, ist der Eindruck linksliberal-radikaler Integrationisten, die sich gegenüber den Problemen des Euro gleichgültig verhalten und stattdessen nach Wegen suchen, die Vereinigten Staaten von Europa am Demos vorbei durchzusetzen. Nun denn. Sie sind nicht die ersten mit diesem Programm und werden nicht die letzten sein. Auf eines sollten sich die Aktivisten dabei freilich nicht berufen: die Demokratie.

 

Der Beitrag erschien erstmalig auf www.flassbeck-economics.de/diem25-was-helfen-uns-jetzt-die-vereinigten-staaten-von-europa/ und wir reproduzieren ihn hier mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

NEUE TÖNE -ALTE POLITIK? Über die Varoufakis-Bewegung und eine Stellungnahme von transform!europe

Franz Stefan Parteder

Die EU der Banken, Konzerne und Militärs kann nicht zu einem sozialen Europa umgebaut werden.

Das ist die Position der steirischen KPÖ. Wir haben das immer wieder gesagt und damit auch unse­re Differenz zur Bundes-KPÖ und zur EU-Linkspartei ausgedrückt. Nun dürfte sich in diesen Kreisen die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass man unglaubwürdig wird, wenn man weiter­hin behauptet, dass sich im institutionellen Rahmen dieser EU und ohne qualitativen Bruch ein Ende von Sozialabbau und Entdemokratisierung erreichen ließe. Die vielfältigen ökono­mischen und politischen Krisen haben hier anscheinend einen Denkprozess in Gang gesetzt.

Deshalb hört man seit einigen Wochen neue Töne aus dieser Richtung. Große Hoffnungen setzt man dabei auf eine neue Bewegung, die mit dem Namen des ehemaligen griechischen Finanzministers Varoufakis verbunden wird und die am 9. Februar in Berlin ihren ersten öffentlichen Auftritt hat. Am Vorabend dieses Treffens haben einige Repräsentanten des Thinktanks „transform!Europe“ eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in dem sich sogar der Satz findet: „Wenn die Forderung nach einer Neugründung Europas eine Bedeutung haben soll, dann heißt diese Bedeutung Diskontinuität“. Selbst der Austritt einzelner Staaten aus dem Euro wird nicht mehr als Tabu betrachtet.

So weit so gut. Leider konzentriert sich diese Stellungnahme aber nicht darauf, wie es vom beschriebenen Ist-Zustand aus möglich sein kann, gemeinsam mit großen Teilen der Bevölke­rung den reaktionären Ansturm abzuwenden und Schritte in Richtung auf eine soziale und demokratische Wende in den Mitgliedsstaaten und auf europäischer Ebene zu machen.

Schlagetot-Argument

Im Gegenteil: Ein großer Teil des Papiers „Tracing an Alternative Plan for Europe“ wird darauf verwendet, um vor den Gefahren zu warnen, die angeblich von linken Strategien ausgehen würden, die sich vor allem auf die Widersprüche stützen würden, die von der EU verursacht werden und in den einzelnen Mitgliedsstaaten sichtbar werden. Es wird so getan, als würden Parteien wie die Kommunistische Partei Portugals, aber auch Personen wie Oskar Lafontaine (ohne dass diese genannt würden) auf nationalistische Positionen zurückfallen und außer acht lassen, dass die großen Probleme der Menschheit ohne internationale Koope­ration nicht lösbar sind. Man scheut nicht einmal vor dem Schlagetot-Argument zurück, dass niemand glauben dürfe, dass man mit den Rechten und den Ultrarechten auf dem Felde des Nationalismus konkurrieren könnte. So gesehen findet man in diesem Papier zwar neue Töne, mit ihnen soll aber die alte Politik legitimiert werden.

Und das macht die Sache traurig. Die Entwicklung des finanzmarktgesteuerten Kapitalismus hat zu einer derartig tiefen und mannigfaltigen ökonomischen, sozialen und politischen Krise geführt, dass die Institutionen der EU nicht mehr in der Lage sind, die Widersprüche einzu­dämmen. Deshalb denken die Herrschenden darüber nach, ob es für ihre Klasseninteressen nicht dienlicher wäre, die bestehende EU aufzugeben und nach Alternativen (Kern-Europa, Rückbildung zu einer Freihandelszone, etc.) zu suchen. Wer heutzutage noch von „europäi­schen Werten spricht“, tut sich sehr schwer damit, die Menschen davon zu überzeugen. Le­diglich die Linke soll diese unsichtbare Schranke nicht überschreiten und weiterhin „europä­ische Werte“ hochhalten, während immer deutlicher wird, dass der einzige europäische Wert, den die EU hat, der Maximalprofit ist?

Dialektik

Die Erfahrungen der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert haben aber gezeigt, dass die Dialektik und der Zusammenhang von Nationalem und Internationalem von weit größerer Bedeutung ist als dies von den Klassikern angenommen wurde. Es ist nicht nur denkbar, sondern auch wünschenswert, dass man den Widerstand großer Teile der Bevöl­kerung in unserem Land gegen die EU progressiv wenden und zu einem Teil der Bewegung machen kann, die auf eine grundsätzliche Umgestaltung der Gesellschaftsordnung in unserem Sinn zielt. Wer die Mehrheit der Bevölkerung den Reaktionären überlässt, der hat schon verloren.

Da der steirischen KPÖ immer wieder vorgeworfen wird, wir würden genau diese „nationale“ Karte ziehen, zitiere ich aus dem gültigen Parteiprogramm: „Länder, die perspektivisch einen Ausbruchsversuch in Richtung Sozialismus versuchen könnten, müssen die EU verlassen und für ein anderes, friedliches, radikaldemokratisches Europa eintreten. Eine Loslösung von der EU bedeutet nicht nationale Isolierung und Abkoppelung von den internationalen wirtschaft­lichen Beziehungen. Die Zukunft Europas ist untrennbar verbunden mit der Zukunft der anti­imperialistischen und antikapitalistischen Bewegung in jedem EU-Mitgliedsland. Je stärker die antiimperialistische, antikapitalistische Bewegung wird, desto mehr Möglichkeiten für Veränderungen auf der Ebene der Macht werden entstehen.“

Das ist immerhin der Versuch, eine Strategie zu entwickeln, der man zustimmen kann oder auch nicht. In den aktuellen Stellungnahmen aus den Reihen der EU-Linkspartei oder von „transform!europe“ ist hingegen eine Strategie nicht zu erkennen. Und auch bei der Beschrei­bung aktueller Erscheinungen bleibt man auf der parteipolitischen Ebene, sei es bei der Ver­teidigung der griechischen Syriza-Regierung und ihrer aktuellen Unterwerfungspolitik unter die Vorgaben der EU-Institutionen, sei es beim Klagen darüber, dass die linken Parteien in der EU derzeit sehr schwach sind. Welch ein Kontrast zum Jahr 2004, als die EU-Linkspartei gegründet wurde und heutige Repräsentanten von transform von der „Wiederbegründung einer revolutionären Tendenz“ sprachen.

Keine Rechthaberei

Die Entwicklung auf der Seite jener Teile der fortschrittlichen Bewegung, die seinerzeit ihre Hoffnungen auf ein „soziales Europa“ gesetzt hatten, ist aber offen. Von einem Umdenken auch in prinzipiellen Fragen bis zur lediglich taktisch bedingten Anpassung an den Zeitgeist, kann man dort sehr unterschiedliche Positionen finden.

Deshalb ist es notwendig, die Diskussion dieser Gruppen und Personen aufmerksam zu ver­folgen und selbst zu formulieren, welche Schritte jetzt in Österreich und auf europäischer Ebene notwendig wären. Wir haben vor mehr als 10 Jahren in unserer Prognose der gesell­schaftlichen Entwicklung recht gehabt. Rechthaberei ist aber keine Haltung, die eine Bewegung vorwärts bringt.

Niemand kann heute ernsthaft behaupten, dass ein Austritt aus EURO-Raum und EU die gesellschaftlichen Probleme, vor denen wir stehen, mit einem Federstrich lösen könnte. Das wäre, wenn es in einem fortschrittlichen Sinne geschehen würde, überhaupt nur als Folge fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen denkbar.

Und diese fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen sind nur möglich, wenn es ge­lingt, ein politisches Subjekt zu schaffen, das in der Lage ist, massenverbunden und zielge­richtet zu wirken. Wir müssen darum kämpfen, dass es den Herrschenden immer schlechter gelingt, ihren Zorn über die Verhältnisse auf noch Ärmere abzulenken. Diese Auseinander­setzung können wir nur bei uns, in den Gemeinden, in den Betrieben, wir können sie nur vor Ort führen.Wir müssen Menschen ernst nehmen, die sich verbal nicht so artikulieren können wie unsereins, die oft nicht wissen, wie sie die Miete bezahlen können, für die der Schulski­kurs ihrer Kinder zum finanziellen Problem wird, die – auch das ist eine Tatsache – Tag für Tag mit Menschen aus anderen Kulturkreisen Tür an Tür zusammen leben. Ihr Vertrauen lässt sich nur durch geduldige Kleinarbeit erringen. Es hilft wenig, wenn wir im kleinen Kreis feststellen, dass wir mit unseren Analysen Recht haben. Es geht darum, in Bewegungen aktiv zu sein und dort einen Lernprozess über die grundlegenden Widersprüche in unserer Gesellschaft einzuleiten.

Jede positive Veränderung des Kräfteverhältnisses wird dabei auch auf die europäische Ebene wirken.

Varoufakis: von der Tragödie zur Farce

von Wilhelm Langthaler

Am 9. Februar 2016 rief der ehemalige griechische Finanzminister seine neue Bewegung ins Leben – in Berlin, der De-facto-Hauptstadt des Euro-Regimes. Nach der griechischen Kapitulation im Sommer 2015, die die Anhänger des sozialen Europa in ihrem Glauben zutiefst erschütterte, hatte Varoufakis noch mit einem Plan B für Europa geliebäugelt – wenn auch halbherzig und inkonsequent. Doch nach dem Wahlerfolg von Podemos schien die gänzliche Kehrtwende nun opportun. Als hätte es die griechische Niederlage nie gegeben, tischt er uns die alte Illusion der sozialen EU neu auf, nun mittels einer „transnationalen Bewegung“. Bei der Plan-B-Konferenz in Januar in Paris hatte Lafontaine eine solche Haltung zutreffend qualifiziert: Warten auf Godot.

Der „Rückzug in den Kokon unserer Nationalstaaten“ sei genauso bedrohlich wie die „Unterwerfung unter Brüssels demokratiefreie Zone“. Der Zerfall der EU wird direkt und organisch mit Rechtspopulismus und Nationalismus sowie indirekt sogar mit Faschismus und Krieg in Verbindung gebracht – einer EU die an sich als Friedensprojekt eine ungeheure zivilisatorische Errungenschaft sei. Im fantastischen Manifest von Diem25 liest sich das folgendermaßen:

Die Europäische Union war eine außerordentliche Leistung. [Hervorhebung in Original] Sie hat europäi­sche Völker, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen pflegen, in Frieden zusam­mengeführt und damit bewiesen, dass es möglich ist, einen gemeinsamen Rahmen der Menschenrechte* auf einem Kontinent zu errichten, auf dem vor noch nicht allzu langer Zeit mörderischer Chauvinismus, Rassismus und Barbarei herrschten. Die Europäische Union hätte der sprichwörtliche Leuchtturm sein können, sie hätte der Welt zeigen können, wie aus jahrhundertelangen Konflikten und Bigotterie Frieden und Solidarität ent­stehen können.“

Quasi als stilles Eingeständnis der Unredlichkeit dieses Arguments stellen Varoufakis und seine Mitstreiter dem ein unverbundenes zweites an die Seite. Die Globalisierung könne nicht zurückgedreht werden, kein National­staat könnte alleine der Misere entfliehen, denn die internationalen Verflechtungen seien bereits zu groß – also gäbe es kein Zurück.

Varoufakis bedient damit zwei zentrale Ideologeme der herrschenden Eliten, die damit ihre behauptete Alterna­tivlosigkeit verteidigen. Ähnlich wie Kautsky vor hundert Jahren will er dem Superimperialismus einst in einer wundersamen Verwandlung einen sozialen Charakter aufprägen. Doch in der Logik der supranationalen Institu­tionen gibt es tatsächlich keine Alternative zum ungebremsten Neoliberalismus. Da muss man es schon wagen den Bruch und die Unter-Kontrolle-Nahme der Staaten als Gestaltungsinstrument der Mehrheit zu denken.

So unhaltbar und aussichtslos sich ein transnationales Reformprojekt auf EU-Ebene für uns auch darstellen mag, uns ist bewusst, dass diese Argumente unter den linksliberalen Mittelschichten sich nach wie vor einer gewissen Glaubwürdigkeit erfreuen. Ihre Lehre aus der Geschichte ist, dass es einer europäischen Kooperation bedarf. Dass diese exklusiv unter der Kontrolle der gleichen sozialen Eliten durchgeführt wird, die letztlich in Kontinuität der Serie an europäischen Katastrophen steht, wollen sie nicht sehen, weil sie sich keine Alternative vorstellen können. Viel größer ist ihre Angst vor dem Rechtspopulismus, der von der alten Rechten geführten sozialen Rebellion der Unterschichten. Gegen diese ziehen sie die liberalen Eliten vor.

Es ist notwendig sich mit diesen Argumenten zu befassen, denn jedes emanzipatorische Projekt gegen die kapitalistische Oligarchie braucht neben der Unterstützung der Unterschichten auch einen demokratisch gesinnten Teil des Mittelstandes auf seiner Seite.

Die Position Varoufakis’ fällt zusammen mit einer Verteidigungsoperation des linken Flügels des herrschenden Euro-Regimes. Verstaubte Gewerkschaftsbürokraten, abgehalfterte Sozialdemokraten und verbrauchte Alter­mondisten bedürfen des frischen Windes der modernen Medien-Inszenierung. Oder größer betrachtet: wer ist der bessere Exekutor des Eliten-Programms – Pasok oder Syriza? Die Antwort liegt auf der Hand. Und in Spanien wird sich das griechische Problem bald erneut stellen. Eine Große Koalition in Madrid mag in Berlin und Brüssel die bevorzugte Lösung sein, aber jeder weiß, dass dies nur temporären Aufschub brächte. Irgend­wann wird man Podemos domestizieren müssen. Und es sieht nicht danach aus, dass Iglesias sich auf den Bruch vorbereiten würde. Im Gegenteil, die Umarmung mit Varoufakis deutet in eine andere Richtung. Doch glücklicherweise ist die Geschichte offen.

Gegenwärtig geht es wohl darum, die Geburt einer ernsthaften Plan-B-Bewegung, die das Euro-Regime tatsächlich von links attackieren könnte, zu verhindern oder zumindest zu verzögern. (So lange bleibt das politische Feld dem Rechtspopulismus überlassen). Man sieht, dass Varoufakis’ Plan C=A nicht nur einer Mittelstandsillusion entspringt, sondern auch einem akuten Bedarf der Eliten entspricht. Darum ist es so entscheidend, dass die Plan-B-Initiative sich von den Halbheiten abgrenzt und mit einer klaren Position des Bruchs endlich startet – denn es ist ohnehin bereits reichlich spät.

Aus all den Gründen steht zu befürchten, dass uns die Chimäre der sozialen und demokratischen EU noch länger begleiten wird, während Varoufakis selbst wie jedes Spektakel sich als flüchtig erweisen könnte. Als geläuterte (nicht erratische) Marxisten haben wir gelernt, dass sich der Unterbau mitunter sehr viel schneller bewegt als der Überbau. So könnte das Ende des Euro schneller als erwartet kommen (was nicht notwendiger­weise deckungsgleich mit dem Zusammenbruch des dazugehörigen diktatorisch-ultraliberalen Regimes ist), die Realität also jene überholen, die sich hinter der Initiative Varoufakis’ versammeln und sich als Realpolitiker wähnen. Varoufakis selbst gibt jedoch lieber den Visionär: er fordert sogar einen europäischen Bundesstaat – welch Alptraum!

Zum Kern: Soziales und Demokratisches versus supranationaler Parastaat

Die EU- und Euro-Institutionen – von uns Euro-Regime genannt – sind gemeinsames Projekt der europäischen Eliten zur Durchsetzung des neoliberalen Programms. Die supranationalen Institutionen wurden nicht gegen die (National)staaten als solche aufgebaut, im Gegenteil sie stützen sich auf deren Spitzen. Aber sie sind direkt ge­gen den sozialen Kompromiss der 1970er Jahre gerichtet, kraft dessen der Staat eine gewisse soziale Umvertei­lung vornahm. Die EU hat den Gesellschaftsvertrag der Sozialreform aufgekündigt, um die (mit europäistischer Ideologie gedeckte) Diktatur der kapitalistischen Oligarchie durchzusetzen.

Dabei kann ein qualitativer Bruch in den 1970er Jahren festgestellt werden. Die alte EG war ein Staatenbündnis unter US-Vorherrschaft. Gegen die UdSSR war man im Sinne der Gewinnung von Hegemonie bereit soziale und demokratische Zugeständnisse zu machen und bei den schwächeren Staaten eine noch nie gekannte natio­nale Selbständigkeit zuzulassen. Mit dem Einbruch der ersten Nachkriegskrise kam es dann zum Zusammen­stoß, der mit der Niederlage der Sozialreform endete. Die 80er Jahre sind vom ununterbrochenen und bis heute andauernden neoliberalen Rollback geprägt. Die supranationale Zentralisierung der EU organisiert und dient diesem permanenten Angriff auf die Subalternen – radikale Verschärfung der sozialen Ungleichheit, Binnen­markt zur Durchsetzung der stärksten Kapitalien, gemeinsame Währung zur Disziplinierung der ehemaligen Weichwährungsländer. Letztlich führte dies entgegen den Versprechungen mit dem Einbruch der Weltwirt­schaftskrise 2007/8 zum Wiederaufleben der deutschen Herrschaft über Europa – statt mit Panzern nun eben mit Bankern.

Fazit: die EU ist ultraliberal oder sie ist nicht. Sie kann nicht sozial gewendet werden. Die sozialen wie politi­schen Reste des sozialen Kompromisses sind verkörpert im (National)staat. Es ist nur logisch, konsequent und politisch vernünftig, wenn sich die Subalternen in sozialer Selbstverteidigung der Wiedereroberung des (Na­tional)staates zuwenden. Die 70er Jahre waren kein Paradies, aber für die Unter- und Teile der Mittelschichten sicher besser als alles was danach kam. Der Ausgangspunkt für den Widerstand heute ist die Forderung nach der Wiederherstellung des Sozialen und des Demokratischen, und das geht nur im (Nationl)staat, denn dort gibt es zumindest noch die formalen Reste der Volkssouveränität, da gibt es Reste von alten Errungenschaften und da gibt es günstigere Kräfteverhältnisse als auf EU-Ebene, der fast blanken Diktatur des Kapitals.

Denn in der EU gibt es trotz aller Versprechungen auf Konvergenz extreme Unterschiede. Die Herrschaft der Eliten bedeutet die Herrschaft Deutschlands, des stärksten Staates. Die Eliten der anderen wollten sich an Ber­lin anhängen, ja bettelten förmlich unter den Euro-Schirm zu kommen, um mit dessen Unterstützung das ultra­liberale Programm durchzuziehen. Die Hegemonie der Oligarchie ist in Deutschland und den Zentrumsländern noch weitgehend und durchdringend, während sie an der Peripherie sehr brüchig geworden sind. Es kommt einem Aufruf zum politischen Selbstmord gleich vom griechischen oder portugiesischen Widerstand zu verlan­gen, auf den sozialen Aufstand im Zentrum zu warten – so wie es Varoufakis’ transnationale Bewegung sugge­riert. Im Gegenteil, die politisch fortgeschrittenen Bewegungen des Südens sollen und müssen vorwärts schrei­ten, den Bruch wagen, denn nur so kann Deutschland aufgerüttelt werden. Solange man der deutschen Export­maschine keinen Sand ins Getriebe wirft, wird Berlin die breiten Massen (ungeachtet Hartz-IV) passiv halten können. Der Bruch mit dem Neoliberalismus muss quer durch die EU gehen, muss das Euro-Regime zerbre­chen. Es ist dabei unvermeidlich, dass der Kampf den Gegensatz Zentrum-Peripherie aufgreift, so wie er das gesamte 20. Jahrhundert prägte. Das nicht sehen zu wollen oder gar verhindern zu wollen, heißt nichts anderes als die Position des Stärkeren, des Zentrums, zu beziehen.

Die neue Geschichte kennt keine soziale Revolution, keinen Bruch mit den kapitalistischen Eliten, die sich nicht auch des Nationalen bediente. Der Kern eines antikapitalistischen Projekts kann nur Hegemonie erlangen, wenn er den kapitalistischen Eliten die Herrschaft über die Nation streitig macht, sich als besseren Vertreter der Nation positioniert und die Eliten so isoliert – man erinnere sich an Gramsci. Das rein Soziale hat dazu noch nie ausgereicht und wird es auch in Zukunft nicht. Eine Alternative muss umfassend sein, den gesamten Demos erfassen und der ist zumindest in Europa national gefasst. Das gilt natürlich in erster Linie für die Peripherie. Aber es ist kein Zufall, dass der höchste je von der KPD erreichte Punkt der Widerstand gegen die französische Besetzung der Ruhr war. Durch die Sozialfaschismuslinie überlies man dann das Feld den Nazis…

Der Rechtspopulismus ist ein unvermeidlicher Bestandteil der Krise insbesondere in den Zentrumsländern, die historisch eine chauvinistische Kultur als Komponente mit sich führen. Doch das darf kein Vorwand sein, die Herrschaft der ultraliberalen Eliten als kleineres Übel hinzunehmen. Ein soziales und demokratisches, ja ein sozialdemokratisches Programm ist heute nur über den (National)staat möglich. Brandt, Kreisky oder Palme mögen die Referenzpunkte sein. Sie standen für gegenwärtig undenkbare Zugeständnisse der Eliten. Die heutige Problemstellung ist jedoch viel näher an Mitterrand, dem die Eliten die Reform bereits verweigerten und der in der Folge einknickte.

Heute bedarf es für ein simples sozialdemokratisches Programm einer wahren politischen Revolution, auch gegen die heutigen Sozialdemokraten die Teil der Konterreform sind. Es bedarf des Bruchs, den sich Tsipras nicht getraute und gegen den Varoufakis transnational wirbt – Iglesias kommt das gerade zupass.

Wir brauchen einen echten Plan B gegen das Euro-Regime. Er muss sehr breit sein und kann dem Inhalt nach als Ausgangsplattform moderat-sozialdemokratisch bleiben. Aber er muss von Anfang an und dezidiert zum Bruch mit der Oligarchie und zur Rückkehr zum (National)staat bereit sein, um in Richtung Volkssouveränität vorstoßen zu können.

Der einzige Weg den Rechtspopulismus zu bekämpfen ist, dem europäischen Supranationalismus, diesem Internationalismus der Eliten, entgegenzutreten. Wir sind gegen die Realverfassung der EU und ihre Zivilreligion – die drei Freiheiten der Elite: jene auf Bewegung von Kapital, Waren und Arbeitskraft im Dienste des größten Pro­fits. Die Produktionsfaktoren müssen unter die politische Kontrolle der Mehrheit gestellt werden, die durch den (National)staat ausgeübt wird.

Der Einwand, dass die Globalisierung (national)staatliche Steuerung obsolet mache oder gar verunmögliche, vermischt zwei Ebenen. Das ist einerseits die Ebene der internationalen Arbeitsteilung und damit Verflechtung, die man auch als Ausdruck hoher Produktivität fassen kann. Aber dann ist da die politische Ebene, wo die star­ken Staaten des Zentrums den Freihandel und den Rückzug des Staates als Protektor der Schwächeren predigen, während sie selbst unentwegt ihrem Kapital dienen, sie Bankenrettung oder den VW-Diesel-Imperialismus. Ein verstärktes staatliches Eingreifen zugunsten der Unteren, bedeutet nicht notwendigerweise eine Rücknahme der internationalen Arbeitsteilung (obwohl in einigen Bereichen sicher sinnvoll), sondern zuerst eine Verringerung der Ungleichheit.

Der Bruch mit der Globalisierung der Eliten und der stärksten Staaten wie USA, Deutschland (und damit mitten durch die EU) oder Japan eröffnet erst den Weg für eine tendenziell gleichberechtigte internationale Kooperation und damit auch der schrittweisen Überwindung des epochalen Zentrum-Peripherie-Gegensatzes.

Ein demokratischer Internationalismus geht über die Etablierung der Volksouveränität mittels Staaten, die sich als Nationen oder möglicherweise auch als größere politische Einheit definieren, so wie seinerzeit Jugoslawien. Die EU kann das jedoch nicht sein. Sie muss im Verteidigungskampf der Subalternen als Instrument der Eliten zerbrechen.

 

Wilhelm Langthaler

 

* Anmerkung von Albert F. Reiterer: Das ist einer jener verlogenen Darstellungen, wie sie im Zentrum der Euro-Enthusiasten stehen. Was haben Menschenrechte mit der EU zu tun? Menschenrechte wurden vom Europarat, lange vor der Gründung der EWG und natürlich umso länger vor der der EU, zu einer einklagbaren Realität westeuropäischer Länder. Die EU aber betrachtet seit je den Europarat als feindlichen Konkurrenten, den es zugrundezurichten gilt. Weiß Varoufakis nicht, dass die EU sich seit Jahrzehnten weigert, dem Europarat und damit der Menschenrechtskonvention beizutreten? Weiß Vaorufakis nicht, dass der EuGH dem Rat vor einem Jahr ausdrücklich einen solchen Beitritt verboten hat, als sich dieser dazu entschloss? Man fasst es nicht: Die Bürokratie hat es dem angeblich entscheidenden politischen Gremium verboten! Das also ist die „außerordentliche Leistung“ der EU bei den Menschenrechten!

 

Krise der Weltwirtschaft, erneute Eurokrise: Ein Plan B für Europa?

Von Klaus Dräger

Die ‚Weltwirtschaft’ steht vor düsteren Zeiten – so das Fazit vieler Auguren auf dem Eliten-Forum von Davos 2016. Der sinkende Ölpreis, der Verfall anderer Rohstoffpreise, das abfla­chende Wachstum in China – das ist (vordergründig) der Stoff, den der Kapitalismus der ‚globalen Turbulenz’[1] zu verdauen hat. Dies drückt auf die Einnahmen der sich industrialisie­renden Schwellenländer inklusive Russland. Es lässt dort sowohl private wie staatliche Schul­den explodieren, und dämpft künftig u.a. wohl auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen des ‚Exportvizeweltmeisters Deutschland’. Nervöse Börsen, Absturz der Kurse auf Raten – das erinnert viele ‚Analysten’ an das Vorspiel zur ‚Großen Rezession’ 2007/2009.

7 Jahre Stagnation und die Folgen

Wie steht es um die stets von IWF, EU-Kommission etc. beschworene ‚wirtschaftliche Erho­lung’ seither? Ende 2015 laut IWF: das inflationsbereinigte Pro-Kopf-Einkommen in nationa­ler Währung war in 11 von 20 der untersuchten ‚westlichen’ Länder niedriger als zu besseren Zeiten vor Einbruch der Krise in 2008.[2] Sogar in Deutschland als dem Land mit dem höchsten Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens wuchs es 2008 – Ende 2015 nur noch um 0,8 Prozent jährlich. Japan schaffte während seiner zwei ‚verlorenen Jahrzehnte’ von Deflation/Stagnation 1990 bis 2010 immerhin diesbezüglich noch ein jährliches Wachstum von 1 Prozent. Kurzum – es gab seit 2008 keine reale wirtschaftliche Erholung in den Ländern des ‚Westens’. Son­dern im Durchschnitt Stagnation, und sogar vertiefte Krise in den wirtschaftlich schwächeren Ländern.[3]

„Die heutige Lage ist schlimmer als 2007“, verkündete der frühere Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, die ‚Zentralbank der Zentralbanken’) William White in Davos.[4] Nach der Pleite von Lehman Brothers seien die Schwellenländer (emerging markets) stabil geblieben und damit Teil der Lösung der Krise gewesen. Nun seien auch sie Teil des Problems eines immer instabiler werdenden globalen Finanzsystems.

Nullzinspolitik und geldpolitische Lockerung (QE, quantitative easing) der Zentralbanken der reichen Industrieländer hätten in einer Welt des freien Kapitalverkehrs zu massiver Kreditauf­nahme in Dollar in Ostasien und weiteren Schwellenländern geführt. Und damit abermals Spekulationsblasen angetrieben. Nun seien öffentliche und private Schulden zusammen genommen in den Schwellenländern auf 185 Prozent des BIP und im OECD-Raum auf 265 Prozent des BIP angestiegen. Wenn die Blasen abermals platzten, stehe eine harte Landung mit neuen Bankenkrisen bevor.

EU-Banken hätten bereits 1 Billion Dollar notleidender Kredite zugegeben, seien durch ihren Kapitalexport in die Schwellenländer nochmals krisenanfälliger geworden, und hätten verdeckte faule Kredite von vorher wohl vertuscht. Das europäische Bankensystem müsse im Fall einer abermaligen globalen Rezession in einem bislang unvorstellbaren Ausmaß re-kapitalisiert werden.

Dies ergibt ein insgesamt düsteres Szenario: Weltwirtschaftskrise, Finanzkrise, Banken­kollaps, Eurokrise – alles kommt erneut zusammen. Die ‚makroökonomische Munition’ zum Gegensteuern ist durch vormalige Bankenrettung, lockere Geldpolitik etc. aber bereits weitgehend verpulvert worden.

„Plan B“ für Europa

Bereits seit 2011 sah Oskar Lafontaine „das Ende des Euro kommen“[5]. Seine und ähnliche Kritiken von Heiner Flassbeck und anderen sind bekannt. Stichworte: verfehlte Banken­rettung, dadurch steigende öffentliche Verschuldung, Austeritätspolitik, die alles schlimmer macht; eine ohnehin falsch konstruierte Währungsunion mit dem Ergebnis, dass Löhne, real­wirtschaftliche Entwicklung, Leistungsbilanzen etc. im Euroraum immer weiter auseinander driften. Das durch den Europluspakt und den Fiskalvertrag nochmals verschärfte Euroregime zwingt vor allem Länder mit Leistungsbilanzdefiziten zu einer Politik der ‚inneren Abwer­tung’ (Lohnkürzungen, Sozialabbau usw.), um angeblich ‚internationale Wettbewerbsfähig­keit’ zurück zu gewinnen. Dass dies so nicht funktioniert, haben die letzten Jahre gezeigt: Verarmung großer Teile der Bevölkerung, weitere De-Industrialisierung und Anstieg der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte vor allem in den Ländern Südeuropas, aber nicht nur dort. Nun kommen die Risiken einer erneuten Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise hinzu.

Als Reaktion auf die Diktatpolitik der EU gegenüber der von Syriza geführten Regierung in Griechenland lancierten Oskar Lafontaine, Jean Luc Mélenchon und andere eine „Plan B“-Initiative, die in Paris am 23./24.1.2016 stattfand. Diese Tagung diskutierte vor allem, ob der Euro durch ein reformiertes Europäisches Währungssystem (EWS) abgelöst werden solle.[6] Die Währungsunion werde über kurz oder lang zerbrechen, weil die durch das Euroregime verursachten wirtschaftlichen und sozialen Spannungen auf Dauer nicht von den vom deutschen Kapital und seiner Regierung dominierten Ländern des europäischen Südens und anderen ertragen werden könnten – so die Analyse.

Um eine chaotische Auflösung der Eurozone zu verhindern, wird ein EWS als ‚europäische Auffanglösung’ vorgeschlagen. Dabei könne man auf die Erfahrungen des von 1979 bis zum Start des Euro 1999 bestehenden EWS zurückgreifen. Also auf währungspolitische Instru­mente, die in der Vergangenheit einigermaßen funktioniert haben. Das EWS wäre ein System, in dem Auf- und Abwertungen der ihm angeschlossenen Währungen politisch zwischen den Regierungen verhandelt würden, und je nach Bedarf angepasst werden könnten.

Für den öffentlichen Diskurs ist das m. E. erstmal vernünftig. So kann sich die EU- und euro­kritische Linke als Kraft darstellen, die in scharfer Abgrenzung zu den Rechtspopulisten eine europäische Lösung will, die Probleme vielleicht besser anpackt und demokratische Volks­souveränität schützt, als das derzeitige autoritäre Euroregime mit Deutschland als Zucht­meister Europas.

Der linke italienische Ökonom Emiliano Brancaccio schlug in Paris vor, ein EWS u.a. durch Kapitalverkehrskontrollen abzusichern, sowie zusätzlich selektive protektionistische Maß­nahmen zuzulassen (um z.B. Re-Industrialisierungs-Strategien in den europäischen Südlän­dern zu unterstützen). Auch dies erscheint mir vernünftig, und steht dann im Konflikt mit den EU-Binnenmarktregeln.

Interessanterweise war es der Rat der Eurogruppe, der 2013 die Einführung von Kapitalver­kehrskontrollen in Zypern durchsetzte – nachdem der neue konservative Präsident Anastasi­adis dort die Auflagen der Troika für ein ‚Rettungsprogramm’ akzeptiert hatte. In diesem Fall ging es ja nicht um ‚unser’ Geld – d.h. von Banken der EU-Kernländer – sondern von Anle­gern aus Russland, Großbritannien und dem Nahen Osten. Sie sollten es nicht abziehen können und wurden voll dem Schuldenschnitt unterworfen. Die EU-Eliten sind somit durchaus in der Lage, ‚linke’ Instrumente wie Kapitalverkehrskontrollen anzuwenden – sofern dies nicht die Interessen ‚ihrer’ Finanzkapitale berührt. Wie ist es umgekehrt, wenn eine ‚linke Regierung’ die Finanz­industrie der EU-Kernländer zur Verantwortung zwingen wollte?

Ein neues EWS – und alles wird gut?

So einfach liegen die Dinge wohl auch nicht.[7] Erinnern wir uns an Frankreich 1981: Mitterand hatte die Präsidentschaftswahl gewonnen mit einem Programm für Vollbeschäftigung, Ver­staatlichung der Banken und einiger großer Unternehmen, für Re-Industrialisierung, Absen­kung des Renteneintrittsalters und einer Einkommenspolitik für die unteren Schichten zur Belebung der Binnenwirtschaft.

Dies geschah in einem internationalen Umfeld, wo Ronald Reagan US-Präsident wurde, US-Zentralbankchef Paul Volcker den Leitzins drastisch erhöhte (‚Volcker-Schock’), die Bundes­bank nachzog und der Rest der EWG auf Bekämpfung der Inflation gepolt war. Frankreich hätte eine deutliche Abwertung des Franc um 20 Prozent benötigt, um diese Strategie der Sozialisten wirksam werden zu lassen. Der damalige Industrieminister Jean Pierre Chevène­ment verlangte den Austritt Frankreichs aus dem EWS und selektive protektionistische Maß­nahmen, um die Re-Industrialisierungsmaßnahmen und das Vollbeschäftigungsprogramm abzusichern.

Mitterand versuchte vergeblich, den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) davon zu überzeugen, mit Frankreich zusammen eine halbwegs keynesianische Strate­gie für Vollbeschäftigung in Europa zu vereinbaren. Nach einigen mickrigen Abwertungen des Franc und ebensolchen Aufwertungen der DM 1981 – 1983 entschied sich die französi­sche Linksregierung zu einem radikalen Umsteuern. Der Franc sollte nach dem Vorbild der DM zur ‚Hartwährung’ ertüchtigt werden, unter Jacques Delors wurde der ‚tournant de la rigeur’ (Austeritätspolitik) proklamiert, und damit das ursprüngliche Programm der Sozia­listen aufgegeben. Dies alles, um der ‚europäischen Integration’ zu dienen. Die Sozialisten wurden dann bis 1993 in mehreren Stufen von ihren WählerInnen hart abgestraft.[8]

Ähnlich die Fragen aus der ersten ‚Griechenlandkrise’ 2010/2011: ein von vielen Ökonomen geschätzter Abwertungsbedarf von 30 – 50 Prozent. Das könnte von einem neuen EWS nicht aufgefangen werden. Insofern: ein erneuertes EWS propagieren – ja. Aber reale und absehbare weitere Krisenentwicklungen (siehe oben) könnten auch dazu führen, dass vor allem von ‚Linksbündnissen’ geführte EU-Länder daraus ausscheren müssten. Sofern sie ihr Programm umsetzen wollten, mit dem sie demokratische Wahlen gewannen.

Nostalgie gegenüber dem ‚alten EWS’ halte ich für unbegründet. Es war hierarchisch struk­turiert (im wirklichen Leben, nicht in der ‚Modell-Theorie’). Die DM als harte Währung diente als ‚Anker’. D.h. alle Teilnehmerländer sollten versuchen, ihre Währung in Richtung der DM ‚härter’ zu machen, um von den weiteren in die engeren ‚Schwankungs-Bandbreiten’ vorzudringen. Im politischen Klima der 1980er und 1990er, wo ‚Inflationsbekämpfung’ das oberste Ziel war, ist es m.E. nicht verwunderlich, dass im alten EWS Abwertungen einzelner EG-Länder dort nicht zu einem heimischen Inflationsschub führten.

Das alte EWS war in dieser Hinsicht in der Praxis ‚asymmetrisch’ angelegt: ‚Anpassungslas­ten’ hatten vor allem die ‚Schwachwährungsländer’ (z.B. Italien, Spanien, Portugal usw.) zu tragen, die sich immer wieder an den ‚DM-Standard heranrobben’ (Tietmeyer, damals Bundesbankchef) mussten.[9] Sie wurden von der deutschen ordo-liberalen Orthodoxie im Vorlauf zur Währungsunion als lasziver ‚Club Med’ gebrandmarkt, den man auf keinen Fall in die WWU hereinlassen dürfe.[10]

Als dann mit dem Vertrag von Maastricht Kurs auf die Währungsunion genommen und des­halb weitgehend auf Auf- und Abwertungen verzichtet wurde, konnte ein gewisser George Soros 1992/93 mit spekulativen Attacken die Bank of England in die Knie zwingen. Groß­britannien und Italien schieden aus dem EWS aus, die ‚Bandbreiten’ wurden für alle auf 15 Prozent festgesetzt (was schon eher ‚flexiblen Wechselkursen’ entspricht). Das alte EWS – eine ‚Erfolgsgeschichte’? Seine historische Bilanz ist eher ‚durchwachsen’.

Zu Nutzen und Grenzen von ‚Modell-Debatten’

Glauben die auf der Pariser Plan B Konferenz versammelten Kräfte daran, es ließe sich eine europäische oder nationale Massenbewegung für ein ‚neues EWS’ erzeugen? Vermutlich nicht. Für Erwerbslose, Arme, ArbeitnehmerInnen und selbst die ‚Mittelschichten’ sind Fragen nach einem anderen Währungsregime in Europa allein zu komplex und von ihrer Lebenswirklichkeit soweit entfernt, dass sie solche ‚Alternativen’ bestenfalls in den Grundzügen (und eher auf einer ‚sozialen Werteebene’) nachvollziehen und bewerten würden.

Antworten zu geben auf Fragen, die den ‚90-Prozent’ auf den Nägeln brennen: soziale Sicher­heit, ökologischer und sozialer Umbau/nachhaltige Entwicklung, Demokratie, Geopolitik des Westens/Flüchtlingskrise etc., Erhaltung des Friedens usw. – auch diese Themen wurden in Paris durchaus diskutiert. Alternative Vorschläge zum existierenden währungspolitischen Regime in der EU sind m.E. ein notwendiger Mosaikstein in diesem Rahmen. Aber das reicht bei weitem nicht hin, um linke gesellschaftspolitische Veränderungsphantasie (und erst recht ‚Bewegungen’) zu beflügeln.

 

Klaus Dräger ist freier Autor in Köln und Mitglied des Beirats der Zeitschrift ‚Z‘ – Marxistische Erneuerung.

 

[1] Siehe Robert Brenner: The Economics of Global Turbulence: The Advanced Capitalist Economies from Long Boom to Long Downturn, 1945-2005, London, Verso, 2006. Seine zusammenfassende Einführung dazu von 2009 hier: http://www.sscnet.ucla.edu/issr/cstch/papers/BrennerCrisisTodayOctober2009.pdf

[2] In weiteren fünf Ländern – Österreich, Schweiz, Island, Irland und Großbritannien), war es nur marginal höher (0,05 % in Österreich bis 0,3 % in Irland).

[3] Siehe Ha.-Joon Chang: Don´t blame China for these global economic jitters; The Guardian, 21.01.2016

[4] World faces wave of epic debt defaults, fears central bank veteran; The Telegraph UK, 19.01.2016

[5] Lafontaine-Interview auf Spiegel-online vom 13.12.2011; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-spitzenpolitiker-lafontaine-sieht-ende-des-euro-kommen-a-803229.html

[6] Siehe Martin Höpner: Voran in ein erneuertes Europäisches Währungssystem – und alles wird gut? http:/­/www.flassbeck-economics.de/voran-in-ein-erneuertes-europaeisches-waehrungssystem-und-alles-wird-gut/

[7] Martin Höppner, der dieses Modell propagiert und zum alten EWS eine faktenreiche empirische Studie vorgelegt hat, behauptet dies auch nicht.

[8] Eine m.E. profunde Analyse dieser Epoche bieten Serge Halimi, Jonathan Michie und Seumas Milne: The Mitterand Experience; in: J. Michie and J. Grieve-Smith (eds): Unemployment in Europe, London, Academic Press, 1994. Siehe auch den Beitrag von Jonah Birch hier: https://www.jacobinmag.com/2015/08/francois-mitterrand-socialist-party-common-program-communist-pcf-1981-elections-austerity/

[9] Vgl. z.B. Heinz-Peter Spahn: Die Krise des EWS und die brüchigen Grundlagen der Leitwährungsordnung; in: Claus Thomasberger (Hg.): Europäische Geldpolitik zwischen Marktzwängen und neuen institutionellen Regelungen, Marburg 1995; S. 171 – 199

[10] Das war damals schon der Vorlauf zur jüngeren Propaganda von den ‚faulen Griechen’, den ‚Müßiggängern’ der EU-Südländer, und den korrupten, vom Staatssozialismus verdorbenen Osteuropäern. Deutschland und die ‚Nordeuropäer’ sind demgegenüber ‚rechtschaffen’ und ‚arbeiten hart’ – was jede vergleichende Statistik widerlegt. Die Manipulationen der Deutschen Bank- sie ist deshalb mit Milliardenbeträgen vor diversen Gerichten konfrontiert – sie zählen nicht. Die Zeche sollen ihre Beschäftigten durch Personalabbau begleichen – wie immer. Das verschärfte Euroregime produziert seinen eigenen Ausgrenzungsmechanismus. Es hetzt Nationen und Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf, und de-legitimiert somit selbst die von ihm propagierte ‚Europa-Idee’ von ‚Einheit in der Vielheit’ und einer immer enger zusammenwachsenden ‚Union’. Vielleicht ist diese ‚kulturelle’ Komponente der Eurokrise noch wichtiger als die eigentlich ökonomische.

Kommuniqué der Europäischen Koordination gegen den Euro

Paris, 22. Januar 2016

Für einen Plan B in Europa von A bis Z…

Die Pläne B sprießen von Paris, über Berlin bis Madrid. A, B oder C – was wollen die Initiatoren wirklich?

 

A. Die Organisatoren der Pariser Konferenz vom 23./24. Januar haben Redner aufgeboten, deren Positionen mitunter weit auseinander liegen. Solche wie die von Oskar Lafontaine, der für einen Euroaustritt eintritt damit jedoch nicht die LINKE repräsentieren, oder von Frédéric Lordon, Emiliano Brancaccio, Costas Lapavitsas – was haben sie gemein mit den „Altereuropäisten“ denen es zuerst darum geht „Europa zu retten“?

 

Letztere ebenso wie die Organisatoren des Treffens beschränken sich darauf die Neuverhandlung der Verträge zu fordern: „Unser Plan A: in jedem unserer Länder und gemeinsam in ganz Europa für eine völlige Neuverhandlung der europäischen Verträge zu arbeiten“. Es ist eine gefährliche Illusion glauben zu machen, dass dies möglich sei. Wie soll eine Neuverhandlung zugunsten der Beherrschten möglich sein, ohne zur Souveränität der einzelnen Länder der Union zurückzukehren? Für die Organisatoren kann „keine europäische Nation isoliert zu ihrer Befreiung fortschreiten“. Man muss befürchten, dass sich der Pariser Plan B in einen Berliner oder Madrider Plan C verwandelt.

 

 

B. Schrumpfplan B

 

Für den 9. Februar haben Yanis Varoufakis, ehemaliger griechischer Finanzminister der vom Pariser Programm verschwunden ist, und Arnoud Montebourg, ehemaliger Wirtschaftsminister von Manuel Valls, Vize-Aufsichtsratschef der Möbelkette Habitat sowie Funktionär der Firma Talan, die Gründung der „Bewegung für Demokratie in Europa 2025“ (DiEm2025) angekündigt. Vom 19.-21. Februar wollen in Madrid verschiedene mit Varoufakis verbundene spanische Linke ein ähnliches Ereignis wie in Paris veranstalten. Will Varoufakis den Spaniern etwa erklären, sich an der Kapitulation Tsipras ein Beispiel zu nehmen? Wäre es nicht besser die Bedingungen für den Widerstand und den Bruch mit den Diktaten Berlins und Brüssels zu organisieren?

 

Die Europäische Koordination für den Euro-Austritt, die bereits Initiativen in Griechenland, Italien und Spanien organisiert hat, der jedoch der Dialog verweigert wurde, stellt sich gegen alle Parteien, Organisationen und Persönlichkeiten, die unbeirrt an einem „europäischen Projekt“ festhalten und die den Konflikt mit der EU und dem Euro als das scheuen, was sie sind: Werkzeuge zur Unterdrückung der Völker.

 

Unsere Koordination erklärt ihre Bereitschaft mit allen zu arbeiten die den Euro verlassen wollen und über das Wie diskutieren wollen.

 

Wir verurteilen alle Versuche, die Beherrschten in der Sackgasse des Euro, der EU und der Nato zu belassen. Die große Mehrheit der Bevölkerungen unserer Länder haben ein vitales Interesse daran ihre nationale Solidarität wiederzuerlangen, um mit der Austerität Schluss zu machen und die Freiheit wiederzugewinnen, eine Politik der sozialen Gerechtigkeit zu definieren.