"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
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Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

Zypern blockiert Ceta

Die prophetischen Worte des Literatur -Nobelpreisträgers Odysseas Elytis

Odysseas Elytis, 2.11.1911, † 18.3.1996

von Rainer Brunath, HH, 8.8.2020

Im Zweiten Weltkrieg war Odysseas Elytis ein Kämpfer für die griechische Unabhängigkeit und nahm am griechischen Widerstandskampf teil. Er schrieb damals das Werk: „Heroischer und elegischer Gesang für den Leutnant, der im Albanienfeldzug verloren ging“.

1959 schloss er Freundschaft mit Mikis Theodorakis, der sein Werk Axion esti als Volksortorium bearbeitete. In den Jahren zwischen 1960 und 1980 veröffentlichte Elytis eine Vielzahl von Gedichtsammlungen und Dichtungen und 1979 wurde Elytis der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Anlässlich einer Pressekonferenz während der Verleihung des Nobelpreises in Stockholm sagte Odysseas Elytis einen prophetischen Satz:

Das ist Barbarei. Ich sehe sie getarnt unter gesetzlosen Bündnissen und vorbestimmten Versklavungen kommen. Es geht vielleicht nicht um Hitlers Öfen, aber um die methodische und quasi-wissenschaftliche Unterwerfung des Menschen. Seine absolute Erniedrigung. Seine Schande„.

Ja, er sah sie kommen, die unter höchster Geheimhaltung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der Völker Europas, ausgehandelten Bündnisse der Imperialisten, die unter dem Deckmantel des Freihandels höchste Profite für die Initiatoren dieser Abkommen, wie CETA zwischen Kanada und der EU, garantieren sollen und die gewachsene lokale Wirtschaftskreisläufe ruinieren würden.

Und er sah voraus, dass das europäische politische Personal der Imperialisten die Abstimmungen der Völker darüber, sollten sie in dem einen oder anderen Fall unausweichlich sein, solange wiederholen werden, bis ihnen das Ergebnis in den Kram passen würde.

Ja, wir erleben seine prophetischen Worte täglich und wir haben es erlebt: das nicht unwirksame propagandistische Trommelfeuer in die Hirne der Menschen in Europa vor Referenden und immer wieder das unerklärliche Umfallen der Volksvertreter in den parlamentarischen Abstimmungen, wie jetzt wieder im EU-Parlament, wo die Mehrheit der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke für die Annahme der Entschließung des Europäischen Rates über den europäischen Rüstungs- und Verteidigungsfond befand. Und das obwohl diese „Linken“ mit einer klaren antimilitaristischen Haltung in die Europawahl gegangen waren. Profiteure werden wieder mal die Waffenschmieden sein. Und man fragt sich, wie viel kriminelle Energie notwendig gewesen ist, um die Umfaller dieser Partei (es waren 29 von 39) von der „richtigen Abstimmung“ zu überzeugen.    

Und seit Neuestem steht Zypern im Rampenlicht der CETA-Lobbisten, der Profiteure aus Kanada und der EU. Volksvertreter in Nikosia hatten am 6.8.2020 die Gültigkeit des EU-Kanada-Handelsabkommen (CETA) für Zypern abgelehnt.

Doch, dabei bleibt es nicht. Zypriotische Regierungsbeamte sagten voraus, dass Nikosia versuchen werde, einige Ausnahmeregelungen für zypriotische Produkte auszuhandeln, bevor das Abkommen dem Parlament zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Genehmigung vorgelegt wird.

Man kann darüber Wetten abschließen, ob Odysseas Elytis auch in diesem Fall Recht behalten wird. Freuen würde er sich über den Ausgang der Wette nicht.

Zum Streecks „Zerfall Italiens“

von Rainer Brunath, Hamburg

Zusammenfassung eines Interviews erschienen in der online FAZ: Die Zeitbombe ist der Zerfall Italiens

Die nächste Euro-Krise steht bevor. Reichen die alten Instrumente? Ein Gespräch mit dem Soziologen Wolfgang Streeck über die Folgen von Corona für die Europäische Union.

Die westliche „Wertegemeinschaft“ hat sich (bisher) bedingungslos dem Globalisierungsprozess ausgeliefert, hat, um diese Transformation zu bezahlen, die dafür nötigen Ausgaben in die Zukunft verschoben. Schlimmer, sie hat Schulden gemacht, die nicht in ihrer Gesamtheit mit Steuereinnahmen finanziert werden konnten. So bauten sich von Krise zu Krise riesige Schuldenberge auf. Um diesen Zustand verwalten zu können, entstand eine „Exekutivdemokratie“ die die nationalen Parlamente ausschaltete – immer mit dem Vorwand, es seien Schritte hin zur politischen Union der EU. Andererseits holten sich nationale Regierungen in Brüssel jene Mandate, die die eigenen Gesetze nicht abdeckten.

Die Schuldenlast führte dazu, dass sich Krisen der Finanzindustrie, wie auch die aktuelle durch die Covid 19-Pandemie hervorgerufene, sich mit hoher Geschwindigkeit global ausbreiten – mit einem Tempo, dem sich bürgerliche Demokratien nicht gewachsen zeigten, zeigen können. Das führt (wie erlebt) zum Regieren per Dekret,  die Anzeichen einer autoritären Demokratie sind.

Um „Haushaltskonsolidierungen“ (Austerität) durchzusetzen, gab/gibt es Überwachungsinstrumente in der EU, mit denen Brüssel in den letzten Jahren in 63 Fällen die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, Kürzungen in deren nationalen Gesundheitssystemen vorzunehmen – wie auch bei der Arbeitslosenunterstützung und  den Arbeitnehmerrechten. In Italien fiel dadurch die Quote des öffentlichen Gesundheitssystems auf 6,5 % des nationalen Haushaltes. In der BRD liegt sie noch (!) bei 9,5%.

Und es gibt Anzeichen, dass die Regierungen nach der Bewältigung der Pandemie diese Politik fortsetzen wollen. Dass nach der Corona-Krise nichts mehr so sein werde wie zuvor, ist bis jetzt nur ein frommer Wunsch breiter Bevölkerungsschichten.  Das bedeutet:

=> weitere Verschuldungen der Art, dass die Geldmenge im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten der EU zunimmt,

=> steigendes Gewicht der EZB mit Draghi an der Spitze als big Leader im Hintergrund,

=> zunehmende soziale Ungleichheiten werden weitergeführt (öffentlich erkanntes Beisspiel: Bezahlung der Pflegekräfte)

Das gilt  in katastrophalem Maß für den Süden Europas, während Deutschland bisher Honig aus der strukturellen Asymmetrie der europäischen Währungsunion zog, also aus Begünstigungen für die auf  Exporte setzende Volkswirtschaft.

Zur systemkonformen Bewältigung der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise spielt die EZB eine gewichtige Rolle, obwohl monetäre Staatsfinanzierung durch die EZB  kraft des  Vertrags von Maastricht ausgeschlossen ist.  Sie arbeitet mit einem Trick:  Sie kauft den privaten Kreditgebern (Banken) ihre Schuldverschreibungen  (an die Mitgliedsstaaten) ab und gibt ihnen dafür frei geschöpfte Euros.

Damit übernimmt die EZB quasi politische Aufgaben ohne demokratische Kontrolle. Aber das ist nur eine von vielen unsauberen Instrumenten in der EU, und die Bundesregierung nimmt das hin, weil damit der Wechselkurs z.B. gegenüber dem Dollar, durch die Mitgliedschaft der schwächeren Länder gedrückt wird, was den Export begünstigt.

Die südeuropäischen Länder haben durch die feste Bindung an den Euro keine Möglichkeit abzuwerten und damit die Talfahrt zu stoppen. Damit ist der Verfall speziell Italiens – eines der Gründerländer der europäischen Einigung – eine Einbahnstraße, gefolgt von Frankreich in gewissem zeitlichen Abstand.  Der Italiener Draghi (Chef in der EZB) prophezeite bzgl der Wirksamkeit der allgemeinen Sanierungsversuche „… it won’t be enough“ und dass die große Gefahr bestehe, dass die EU-freundliche politische Kaste in Italien hinweggefegt werden könnte.

Der Soziologe Wolfgang Streeck ist der Auffassung, dass die EU-Elite die Union nur retten könnte, wenn sie den Umbau der EU zu einer horizontalen Kooperation – sozusagen alle auf Augenhöhe – in Angriff nähme – also ohne die bisherige hierarchische Ordnung. Das würde auch die nationalen Währungsparitäten und deren Möglichkeit zu „floaten“ berücksichtigen müssen Das jetzige, schon lange in Verfall befindliche Modell sei ein technokratisches Globalisierungs- und Zentralisierungsprojekt. Dessen Zeit sei abgelaufen. Weiter sollte die EU sich abschminken, machtpolitisch mit den USA und Russland/China (dem asiatischen Block, dem noch Indien beitreten wird) konkurrieren zu können. Im Gegenteil, die EU (damit auch die BRD) sollte zeigen, aus der Geschichte gelernt zu haben und dafür arbeiten, dass eine ihre Vielfalt bewahrende europäische Zivilisation ohne imperiale Ambitionen nach innen oder außen „blockfrei“ und friedlich leben kann. Dafür bräuchten wir keine Mitgliedschaft in der NATO und keinen auf 2 % steigenden Wehretat. Positiver Nebeneffekt: der rechte politische Rand würde nach und nach abbröckeln! (Kommentare in kursiv vom RB)

Yanis Varoufakis lässt es im Theater donnern

von Paul Steinhardt

Trotz der vielen Jubelmeldungen über die erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Eurozone, lassen sich die Fakten nicht verleugnen. Das Eurozonen BIP hat bislang noch immer nicht wieder das Niveau von 2007 erreicht und die Arbeitslosigkeit beträgt noch immer nahezu 11%. In vielen südlichen Ländern der Eurozone, wie z.B. in Spanien, Portugal und Griechenland, droht gar einer ganzen Generation der unumkehrbare wirtschaftliche und soziale Abstieg und bleibt als Ausweg oft nur noch die Emigration. Die Deindustrialisierung in vielen Ländern der Eurozone – selbst von Gründungsmitgliedern der EU wie Italien und Frankreich – schreitet weiter voran und auch in den vermeintlichen nördlichen Siegerländern führt der neoliberale Wirtschaftskurs der dort Regierenden zu Sozialabbau und zunehmender sozialer Spaltung.

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass für das wirtschaftliche und soziale Desaster der Eurozone die Medizin der von der deutschen Bundesregierung angeführten Marktradikalen mit Namen „Austerität“ dazu einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet hat, und dass in den „Programmländern“ elementarste Anforderungen an demokratisch legitimierte Entscheidungsprozesse verletzt wurden und diese Länder nur noch bloße Befehlsempfänger der Troika sind.

Bis hierhin dürfte es unter europäischen Linken kaum einen Dissens geben. Dissens aber gibt es darüber, welche politische Strategie unter den gegebenen Umständen als zielführend erachtet werden kann, um den Menschen gerade in den Krisenländern wieder die Möglichkeit zu geben, ihre wirtschaftliche und soziale Situation rasch zu verbessern und ihre demokratische Souveränität wieder herzustellen.

Ich habe in vielen Beiträgen kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich als einzig gangbaren Weg die Auflösung der Europäischen Währungsunion sehe (z.B. hier). Denn ohne dass diese Länder wieder über eine eigene Zentralbank verfügen, die es ihnen erlaubt, eine expansive Fiskalpolitik zu betreiben und durch Abwertung die entstandene Wettbewerbslücke mit kluger Wirtschaftspolitik zu schließen, wird es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben können, der die dort entstandene Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen imstande ist. Die Souveränität des Volkes wird durch die Macht von Kapitalmärkten und EZB massiv eingeschränkt bleiben.

Wer die Rückübertragung bestimmter Kompetenzen, wie z.B. der Währungssouveränität, von der EU auf die nationalstaatliche Ebene fordert, muss, wie die Reaktionen auf Wagenknechts entsprechenden Vorstoß zeigten, damit rechnen, von der politisch Linken entweder ignoriert oder gar als „sozialnationalistisch“ diffamiert zu werden (hier habe ich darüber berichtet und dazu Stellung genommen). Warum aber wird die Forderung nach der Übertragung von Kompetenzen von der EU- auf die Nationalstaatsebene abgelehnt und wie sieht eine realistische Alternative zu dieser Strategie aus?

Üblicherweise wird behauptet, dass die europäische Integration ein richtiger Schritt hin zur Überwindung des Nationalstaates sei, weil dieser in den Zeiten der Globalisierung ohnehin die vielen Probleme der Menschheit nicht zu lösen vermag. Zudem sagt man, mit der Integrationsleistung der EU sei die reale Gefahr innereuropäischer kriegerischer Konflikte gebannt worden. Kaum wird auf die Frage eingegangen, wie eine demokratische Ordnung jenseits des Prinzips der nationalen Souveränität genau aussehen soll und kann.

Vor diesem Hintergrund ist die von Yannis Varoufakis ins Leben gerufene Initiative DiEM25, deren primäres Ziel ja die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ ist, durchaus zu begrüßen. Denn anstatt nebulös über die Demokratisierung der EU zu reden, wird hier – wenn auch eher implizit – zuzugeben, dass ohne ein Parlament, das den Willen der europäischen Bürger repräsentiert und ohne exekutive Organe, die ihm entsprechend zu handeln in der Lage sind, von Demokratie keine Rede sein kann.

Freilich dürfte selbst von Berufsoptimisten der geplante Zeitpunkt der feierlichen Vereinigung der Völker der EU im Jahre 2025 als arg ehrgeizig erachtet werden und es stellt sich die Frage, was man in der möglicherweise doch auch sehr viel längeren „Zwischenzeit“ genau zu tun gedenkt, um den wirtschaftlichen und sozialen Problemen in der EU zu begegnen. In dem Manifest der DiEM25 (hier) liest man dazu, dass die „aktuelle Wirtschaftskrise mit den bestehenden Institutionen und im Rahmen der bestehenden EU-Verträge“ angegangen werden soll. Wie sich das mit der dort auch zu findenden Behauptung verträgt, dass für den erbärmlichen Zustand der Eurozone „eine gemeinsame Bürokratie und eine gemeinsame Währung“ verantwortlich zu machen sind, die „heute die europäischen Völker trennen“, bleibt das Geheimnis von Varoufakis und seinen Mitstreitern.

Der als radikal medial inszenierte Widerstand in der Berliner Volksbühne gegen die EU-Nomenklatura erweist sich damit aber als Theaterdonner. Er bietet der Empörung besorgter und wohlmeinender Menschen aus ganz Europa ein Ventil, um den aufgestauten Frustrationsdampf ablassen zu können. Während das für die Psyche dieser Menschen durchaus begrüßenswert ist, ist diese Initiative für die Organisation wirksamen politischen Widerstands fatal. Denn die EU und der Euro werden als alternativlos angesehen und man insinuiert gar, dass den Problemen der EU mit etwas gutem Willen selbst innerhalb der bestehenden Institutionen begegnet werden kann. Das Ergebnis dieser Dialektik von radikaler Rhetorik und neoliberaler Realpolitik lässt sich gerade in Griechenland bestaunen, wo eine sich selbst als linksradikal verstehende Partei die von der Troika vorgeschriebene Politik exekutiert. Vor diesem Hintergrund macht dann auch das auf der Eintrittskarte zur Auftaktveranstaltung der DiEM25 aufgedruckte Motto überraschend viel Sinn: „Announcing the Democrazy“.

 

Der Beitrag erschien erstmalig auf www.flassbeck-economics.de/diem25-was-helfen-uns-jetzt-die-vereinigten-staaten-von-europa/ Wir reproduzieren ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

„WOFÜR STEHT DIE VOLKSEINHEIT?“

Das Programm der LAE: eine Neuformierung der griechischen Linken

Wir dürften die SYRIZA nicht aus der Linken ausschließen, erklärte am „Volksstimme“-Fest ein in Griechenland geborener alter Genosse. Er übersah dabei Eines: Tsipras und die SYRIZA-Mehrheit haben sich selbst aus der Linken ausgeschlossen, als sie mit den Memo­randumsparteien, der ND, der PASOK, To Potami, gegen die eigene Linke stimmten und damit das neue Memorandum durch das Parlament peitschten.

Man spaltet sich nicht leichtfertig von einer Partei ab, welche für kurze Zeit die Hoffnung fast der ganzen Bevölkerung darstellte. Aber nach dem letzten Trick der Tsipras-Gruppe, den vorgezogenen Neuwahlen, um die Linke los zu werden, blieb den loyalst Gesinnten unter dieser keine andere Alternative – außer die Linke aufzugeben. Die Linke Plattform konstitu­ierte sich somit zusammen mit mehr als einem Dutzend Gruppen und Bewegungen aus der konsequenten Linken, zur neuen Bewegung. Die Linke Plattform bleibt zwar der Kern. Sie ist aber bei weitem nicht die einzige Komponente der neuen Bewegung.

Radikal-sozialistisch und Anti-Memorandum – auf diese beiden Slogans lässt sich das Pro­gramm der Volkseinheit bringen. Das NEIN zur EU-Austerität vom 5. Juli ist ihre wirkliche Geburts-Urkunde. Sie definiert sich als „patriotische Volksfront“, und fordert damit schon die Häme aller Pseudo-Internationalisten heraus. Aber man muss erst die koloniale Situation, die totale Abhängigkeit von Berlin / Brüssel wieder auflösen, bevor man nur denken kann, eine eigene Politik zu machen. Dabei stellt sie aufrichtig fest: Als Front sind wir nicht monoli­thisch und wollen es auch gar nicht sein, weder ideologisch noch praktisch-politisch. Aber: Wir stehen gegen die Austerität, für den Schuldenschnitt, auch für einen Schnitt in den priva­ten Schulden, welche die Haushalte erdrücken. Die Privatisierungen mit ihren räuberischem Charakter werden wir wieder rückgängig machen. Wir wollen das Einkommen wieder heben, den Arbeitsmarkt umgestalten und Kollektivvertrags-Verhandlungen entsprechend unterstüt­zen. Auch werden ein neues („umverteilendes“) Steuersystem einführen. Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem muss wieder aufgebaut werden. Mit Deutschland werden wir in harte Ver­handlungen treten, um endlich die Frage der deutschen Kriegs-Schulden aus der seinerzeiti­gen Zwangs-Anleihe zu bereinigen.

Das Alles hat Konsequenzen. Wir müssen die „monetäre Souveränität“ wieder gewinnen und die Bindung der griechischen Nationalbank an die EZB lösen. Konkret heißt dies: Der Austritt aus der €-Zone steht auf der Tagesordnung. Danach, und hier beginnt das Programm deutlich über die Anti-Memorandum-Linie hinaus zu gehen, müssen wir die Banken nationalisieren. Wir werden regionale und nationale Planung etablieren. Der Arbeitsmarkt muss neu gestaltet werden. Wir werden überdies einen Teil der Importe zu ersetzen versuchen. In der Industrie-Politik werden wir u. a. neue Formen der Produktion und der Wirtschaft unterstützen. In der Außenpolitik stehen wir gegen die wahnsinnige US- und EU-Konfrontations-Politik und den neuen Kalten Krieg. Das Problem Zypern lösen wir entlang der Linie der UNO. Mit der Türkei wollen wir freundschaftliche Beziehungen, doch lehnen wir jede Grenzveränderung ab: Basis ist das Seerecht.

Wir lehnen es auch ab, uns der NATO zu unterwerfen und wollen uns aus diesem Club zurück ziehen. Schließlich muss die militärische Zusammenarbeit mit Israel beendet und der palästinensische Staat anerkannt werden.

Und die EU? „Die Frage, ob Griechenland die EU verlässt, ist auf die Agenda zu setzen.“

Die folgenden, auch kritischen Bemerkungen sollen keineswegs als Wadel-Beisserei ver­standen werden. Wir müssen eine nüchterne Analyse durchführen, und dazu gehört eine solidarische Kritik – man zögert, das Wort zu verwenden: Heißt doch Solidarität heute die Konformität mit den Bösartigkeiten und Verbrechen der EU. Vielleicht sollten wir das Wort ihnen überlassen und einen neuen Begriff prägen.

Wie sehr Realismus nötig ist, zeigt die Entwicklung des letzten halben Jahrs. Wir waren skeptisch hinsichtlich SYRIZA. Doch die ersten Bewegungen nach den Wahlen waren unerwartet positiv. Es war daher völlig richtig, sie zu unterstützen. Aber gleichzeitig mischte sich doch eine gewisse Illusion hinein. Wir erwarteten zuviel von dieser Partei.

Auch jetzt scheint es das einzig Richtige zu sein, LAE zu unterstützen, soweit wir können. Aber wir geben nicht vor Begeisterung unser Hirn ab. Wir wissen, dass manche Kräfte in der LAE ihren eigenen Mut fürchten.

Die gewundenen Formulierungen bezüglich der €-Zone, noch mehr aber hinsichtlich der EU zeigen, dass es in diesen Punkten Differenzen gibt, und dass noch immer oder wieder einigen die Konsequenz abhanden kommt, wenn sie die Folgen ihrer Politik bedenken müssen. Das hat auch eine positive Seite: Sie wollen nicht gegen die Bevölkerung agieren. Aber damit hegt man den Illusionismus: „Wir gehören zu Europa.“ Ja: Aber zu welchem? Zum hoch entwi­ckelten Kern, oder zur geschurigelten Peripherie? Das muss man aussprechen, wieder und immer wieder. Das Ergebnis ist sonst eine Situation wie heute und eine SYRIZA-Politik.

Ein weiterer, ganz entscheidender Punkt ist: LAE wird in den kommenden Wahlen mit Sicherheit keine Mehrheit erhalten. Was geschieht in der folgenden Zeit der Opposition gegen die Memorandums-Parteien? Und damit stellt sich eine Frage, die weit über die Alltags-Politik einer Oppositions-Partei hinaus geht. Denn dringlich notwendig ist: eine neue und vertiefte Debatte um die Problematik von gegenwärtigem Parlamentarismus und sozialistischer Politik. Dieser Punkt kommt überhaupt nicht vor, obwohl es einige reichlich diffuse Nebensätze in diese Richtung gibt: „eine radikale Transformation des Staats, des Justizwesens und der Verwal­tung, … eine gründliche Revision der Verfassung, … ein Zusammenführen von repräsentativer und direkter Demokratie…“

Hier liegt ein Kernpunkt des Programms und eine Defizienz. Es geht nicht darum, hier lange Abhandlungen um die Transformations-Periode, oder wie immer man die künftige Politik bezeichnet, einzufügen. Aber es sollte erkennbar sein, dass sich die Bewegung / Partei darüber Gedanken macht, dass nicht das Grundsätzliche hinter einem hastig zusammen gezimmerten Wahlprojekt und dem alltäglichen Parlamentarismus verschwindet.

Im Einzelnen gibt es noch eine Reihe von Punkten, die man kritisch sehen könnte. Ohne zu beckmessern, frage ich nach: Was heißt „zentrale und regionale Planung“ konkret? Wie kann man in der Asyl- und Immigrations-Politik die „Unterstützung der EU“ verlangen, die man doch verlassen will? Ähnlich: Wenn man die EU verlässt, geht einem TTIP nicht mehr allzuviel an. Doch lassen wir dies. Aber es sind Widersprüche die verraten, dass in der neuen Bewegung auch in solchen Grundfragen keineswegs Übereinstimmung herrscht.

Aber das ist nicht tragisch. Die neue Bewegung ist im Aufbau. Auch wenn eine vertiefte theoretische Bemühung wesentlich ist: In der praktischen Politik wird sich entscheiden, ob LAE dazu wird, was sie anstrebt: eine Volksbewegung und gleichzeitig eine radikal-sozialistische Partei. Aber die Praxis der Theorie gehört auch zur politischen Praxis. Griechenland wird nicht von heute auf morgen transformiert. Doch LAE ist ein viel versprechender Ansatz. Das verdient unsere ganze Sympathie und unsere Unterstützung, soweit wir sie leisten können.

10. September 2015

Der englische Text des Programms:

ttps://www.jacobinmag.com/2015/09/tsipras-popular-unity-syriza-eurozone-snap-elections/

Wo die Kette gesprengt werden kann…

Die spanische und italienische Delegation am internationalen Forum NoEuro von Chianciano

Italien und Spanien stellen aktuell zwei schwache Kettenglieder im krisengeschüttelten Europa dar:

  • Italien, viertgrößten Volkswirtschaft der EU, ist nach mehr als einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Niedergangs durch eine akute Bankenkrise bedroht, während der Regierung Renzi eine schwere politische Niederlage im Verfassungsreferendum droht. Ein Krisen-Mix, der die oppositionelle und Euro-kritische Fünfsternebewegung an die Spitze des Landes hieven könnte.
  • Spanien brüstet sich zwar mit der höchsten BIP-Wachstumsrate der EU, schafft jedoch den von Brüssel aufgezwungenen Budgetsanierungspfad dennoch nicht, trotz anhaltender Austerität. Mit einer Arbeitslosigkeit, die immer noch bei 20 % liegt, hat sich vor diesem Hintergrund mit der Oppositionspartei Podemos ein dritter Pol in der Gesellschaft neben den Sozialdemokraten der PSOE und den Konservativen der PP etabliert. Auch nach den Neuwahlen im Juni macht diese neue politische Konstellation eine Regierungsbildung extrem schwer. Mit den bestehenden Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und dem Baskenland – letzteres wird im Oktober wählen – ist kein Ende der politischen Instabilität in Sicht.

Die Delegationen aus Italien und Spanien repräsentieren die Breite der oppositionellen Stimmen und Strömungen, die sich aus diesen politisch-ökonomischen Krisen-Konstellationen im Süden Europas gebildet hat.

Italien

In Italien ist die Fünfsternebewegung (M5S) der politische Kristallisationspunkt, ein widersprüchliches und heterogenes Sammelbecken der Unzufriedenen mit der politischen „Kaste“ und dem wirtschaftlichen Niedergang. Mit dem Europaparlamentsabgeordneten Marco Zanni ist die M5S auf dem Forum mit einer linken und klar eurokritischen Stimme vertreten. Aber auch in den traditionellen Linksparteien, die das Thema EU/Euro lange mit dem Argument der Priorität der „sozialen Frage“ abtaten, fordern einige prominente Figuren endlich die Zentralität der europäischen Frage ein, um die Entwicklungen im Land zu begreifen und eine oppositionelle Politik zu formulieren. Etwa Giorgio Cremaschi, ex-Präsident der linken Metallergewerkschaft FIOM, und heute Initiator der Plattform Eurostop. Selbst aus Renzis PD sind einige Persönlichkeiten in Richtung einer neuen eurokritischen Linken abgesprungen, so etwa Alfredo D’Attore, Abgeordneter der „Italienischen Linken“ (Sinistra Italiana), der am Forum von Chianciano sprechen wird. Kennzeichnend für Italien ist aber auch die Vielzahl – zumeist aus der Linken kommender – Intellektueller in und außerhalb der Universitäten, die nicht oder nur lose mit einer politischen Partei/Bewegung assoziierten sind, aber dennoch in der Gesellschaft wahrnehmbare Stimmen gegen das Euro-Regime und seine politischen Stützen in Italien darstellen. Zahlreiche Ökonomen und Sozialwissenschaftler aus diesem Milieu werden am Forum inhaltliche Beiträge bringen. Eine zentrale Rolle in Italiens Anti-EU/Euro Bewegung und wesentlicher Organisator des Forums von Chianciano kommt der Bewegung „Programm 101“ zu: sie entstand jüngst aus der „Linken gegen den Euro“ und stellt einen Vorposten einer, wenn auch erst im Entstehen begriffenen, Sammelbewegung für einen (linken) Austritt aus dem Euro und der EU dar.

Spanien

Seit Podemos in Spanien die politische Bühne betreten hat, ist das Land von einem bipolaren (PSOE, PP) zu einem tripolaren System geworden. Das hat das traditionelle Regime der Eliten entscheidend destabilisiert, wie die aktuellen Schwierigkeiten der Regierungsbildung zeigen, wo selbst ein dritter Wahlgang nicht ganz auszuschließen ist (wenn auch eher unwahrscheinlich).

Bereits 1986 versuchte Izquierda Unida (IU), mit der Spanischen KP im Zentrum, einen dritten Pol links der PSOE zu etablieren. Was Podemos (zuletzt im Wahlbündnis mit IU) heute gelungen ist, blieb der IU jedoch stets verwehrt – sie kam bei den nationalen Wahlen nie über knappe 10 % hinaus. Ihr bestes Ergebnis erzielte IU 1996 mit 10,6 % unter Spitzenkandidat und Gründungsfigur Julio Anguita. Anguita ist auch nach seinem Ausscheiden aus der IU/PCE-Führung (nicht zuletzt wegen deren illusionären Hoffnungen in ein soziale Europa) bis heute eine treibende Kraft im Kampf gegen EU/Euro: mit der Frente Civico regte er 2012 eine neue linke Bewegung gegen das spanisch-europäische Elitenregime an. Anguita wird am internationalen Forum in Italien anwesend sein, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Frente Civico sowie mit ihr verbündeter Bewegungen und Zeitschriften. Mit dem Parlamentsabgeordneten und langjährigen KP-Theoretiker Manolo Monereo ist ein prominentes Bindeglied zwischen IU/PCE und Podemos in Chianciano dabei. Auch der derzeitige Vorsitzende der KP Spaniens José Luis Centella Gómez wird in Chianciano die Position der KP zur Frage von EU und Euro sowie einer alternativen Perspektive für Spanien darlegen.

Der zweite Pol des Widerstandes und der Instabilität im spanischen Staat ist die nationale Unabhängigkeitsbewegung, wo derzeit Katalonien der Kernpunkt ist. Mit Josep Manel Busqueta nimmt ein Mitglied und ehemaliger Parlamentarier der linken Unabhängigkeitsbewegung CUP an Forum teil. Gerade bei den nationalen Bewegungen, nicht nur auf der iberischen Halbinsel, ist die Beziehung zur EU umstritten: die bürgerlichen Fraktionen träumen meist von einem Europa der Regionen, das jenes der Nationalstaaten ablöst und ihre Ambitionen unterstützt. Die Linke gibt sich dieser Illusion freilich weniger hin, bleibt aber in der EU-Frage dennoch oft eher unklar im Rahmen des „sozialen Europa“-Diskurses. Umso spannender wird es die Stimme eines radikal-linken Pols der Unabhängigkeitsbewegung zu hören.

 

Wizz Air raus aus Norwegen!

Boykott!

Eine sehr starke linke Kampagne will Wizz Air zwingen, entweder die norwegischen Rechte und Standards der Beschäftigten zu akzeptieren oder das Land zu verlassen – sie sagen Schluss mit den neoliberalen Angriffen!

Haupthebel von Wizz und den neoliberalen Eliten ist das Abkommen mit der EU (European Economic Area), das in der üblichen Weise unter dem Titel „Wettbewerb“ die sozialen Errungenschaften zu zerstören versucht.

Darum ist der Austritt aus der EU die EINZIGE MÖGLICHKEIT, alte soziale Errungenschaften zu verteidigen und neue zu erkämpfen. Darum ist das Handelsabkommen zwischen EU und England auch eine halbe Kapitulation, weil es genau solche Praktiken wie von Wizz Air erzwingen will.

Wie können wir Ceta kippen?

Aktionsbesprechung Mo 17.10.16 19,30
Café Einstein, Rathausplatz 4, Galerie – gleich im Anschluss an die Protestaktion vor dem Parlament

Die überwältigende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist gegen Ceta. Der SP-Kanzler Kern dachte günstig mit dem Wind zu segeln, die Stimmung für seine Partei zu nutzen und dennoch das Abkommen beschließen zu können – nämlich mittels „Beipacktext“.

Doch das dürfen wir nicht akzeptieren: wir müssen alles tun, um Ceta zu kippen. Es gibt viele Initiative dazu. Es gab die große Demo im September. In der SPÖ gibt es eine Gruppe, die im Jänner ein Volksbegehren durchführt. Sehr wirkungsvoll erscheint uns die Forderung nach einer Volksabstimmung, die alle dazu zwingt Farbe zu bekennen.

Wir wollen uns treffen, um mögliche gemeinsame Aktivitäten und Aktionen zu besprechen.

Wie die EU Krieg befördert – das ukrainische Beispiel

Zum Programm des Internationalen No-Euro-Forums

 

Die marktgläubigen sozioökonomischen Argumente für das Euro-Regime verliefen zunehmend ihre Glaubwürdigkeit. So zieht sich der Linksliberalismus auf seine letzte Verteidigungslinie zurück: die EU als Friedensprojekt. Man könnte ins Treffen führen, dass die Niederwalzung Afrikas und andere Gebiete der Peripherie durch den Freihandel und die dadurch heraufbeschworenen Konflikte, von der EU für ihren wirtschaftlichen Vorteil in Kauf genommen werden. Aber am Beispiel der Ukraine sieht man das Schüren des Konflikts sogar gegen die Interessen der europäischen Großkonzerne aus geopolitischen Intentionen:

 

Die EU hat auf Biegen und Brechen ein neoliberales Freihandelsabkommen mit der Ukraine in Kraft gesetzt, das das Land von seinem mit Abstand wichtigsten Handelspartner abschnitt, nämlich Russland. Im Zuge der internen Auseinandersetzung über diese Kapitulation gelang es dem ukrainisch-nationalistischen Block die Staatsmacht zu ergreifen. Doch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Südostens war nicht bereit unter einem rechten, antirussischen Regime zu leben und probte den Aufstand. Kiew reagierte mit militärischer Gewalt und schlug die Volksrevolte nieder (siehe das Massaker von Odessa am 2.5.2014). Einzig im Donbass, dem alten industriellen Herz der Sowjetunion, gelang es den Aufständischen dank russischer Hilfe sich zu halten.

 

Eine friedliche Lösung liegt auf der Hand und ist sogar im Kern im Minsker Abkommen enthalten: Autonomie für den Donbass. Was der Vertrag nicht vorsieht, ist die Wiederherstellung der demokratischen Rechte für Odessa, Charkow und den ganzen Südosten, der mehrheitlich gegen den ausschließenden ukrainischen Nationalismus steht. Doch Kiew hält sich nicht an das, was es im Gefolge einer vernichtenden militärischen Niederlage unterschieben hat. Die Fortsetzung des aggressiven Kriegskurses ist nur dank der westlichen Unterstützung möglich, die die rechte Regierung nach wie vor genießt.

 

So gießt die EU nicht nur Öl ins Feuer eines internen Konflikts, den sie selbst wesentlich mit ausgelöst hat, sondern verwendet die Ukraine als Instrument gegen Russland – sie wirkt also gegen den Frieden in Europa, der nur mit und nicht gegen Russland gesichert werden kann.

 

Die ukrainische Delegation bei No-Euro-Forum in Chianciano Terme:

 

Alexej Albu

Ehemaliger Abgeordneter zum Regionalparlament Odessa, Koordinator der Organisation Borotba (Kampf) für die Region Odessa, einer der Anführer des Anti-Maidan. Er wurde durch die Kampagne für ein Referendum über die Autonomie Odessas bekannt. Am 2. Mai 2014 befand es sich im Gewerkschaftshaus, das von Nazis abgebrannt wurde. Rund 50 Menschen verloren ihr Leben. Alexey Albu musste in den Donbass fliehen.

 

Vasilj Volga

Früheres Mitglied des nationalen Parlaments und Leiter der staatlichen Kommission für Finanzverwaltung. Er gründete vor kurzem die Union Linker Kräfte. Obwohl er von rechten Kräften bedroht, attackiert und geschlagen wurde, setzt er seinen Kampf für die Interessen der Unter- und Mittelschichten sowie gegen die Privatisierungen fort.

 

Sergey Platovski

Gehört der Odessaer Oppositionsgruppe „Gegen den Strom“ an, die durch die heftige Repression sehr stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.

 

 

Wie breit wird die Front für das griechische Nein?

von Willi Langthaler

 

Bericht vom Anti-EU-Forum am entscheidenden Wochenende

 

Vom 26.-28. Juni 2015 fand in Athen ein von europäischen demokratischen Anti-Euro-Kräften organisierte Treffen statt, das für den Austritt aus dem Euro und aus der EU aufrief.

 

Als wir am Freitag, den 28.6., in der Schule der Schönen Künste, untergebracht in einer schon ziemlich heruntergekommenen ehemaligen Fabrik, eintrafen, herrschte gedämpfte Stimmung. Man musste davon ausgehen, dass die Syriza-Regierung das Diktat der Troika nach schwerem Ringen doch angenommen hatte. Allein auf die Kräfte der Linken außerhalb Syrizas gestützt und vielleicht mit der Unterstützung einiger vom linken Flügel der Regierungspartei wäre es unrealistisch gewesen, den neuen Angriff der Gläubiger zu verhindern.

 

Auf der anderen Seite fühlen sich einige in der griechischen Linken bestätigt, dass von Syriza nichts als heiße Luft und letztlich Verrat zu erwarten wäre. Die ideologische Ausstrahlung der Kommunistischen Partei KKE, die hinter sozialistischen Phrasen passiv bleibt, ist da zu spüren.

 

Doch dann in der Nacht der Paukenschlag: Die Verhandlung mit der EU-Oligarchie gescheitern, weil diese auf die totale Kapitulation und Demütigung beharrt hatte. Tsipras ruft zu einem Referendum auf. Zur Abstimmung steht das Austeritätsdiktat und damit letztlich der Bruch mit dem Euro-Regime.

 

Am Samstag im Verlauf des Tages änderte sich die Stimmung und drehte ins Kämpferische. Über 500 vorwiegend junge Menschen versammelten sich in Unterstützung des NEIN und hörten den Aufruf eines Vertreters der Syriza-Linken für eine Einheitsfront an alle linke Gruppen wie Mars (die Hauptorganisatoren des Forums), Antarsya (ein antikapitalistisches Bündnis, das außerhalb Syrizas verblieben war und gemeinsam mit Mars erfolglos zu den letzten Wahlen angetreten war) und selbst die KKE.

 

Doch der Widerspruch in Syriza und der Mehrheit des griechischen Volkes selbst sorgt weiterhin für Schwierigkeiten und politische Differenzen. Syriza war mit einem unmöglichen Programm angetreten und hatte just dafür das Mandat des Volkes bekommen: Austerität beenden, im Euro verbleiben. Die quälenden Verhandlungen seit Februar und die Härte der Gläubiger erlauben keine auch nur so geringfügige Dämpfung der Absenkung des Lebensniveaus – das liegt in der monetaristischen Logik der jahrzehntelangen deutschen Währungspolitik. Syriza hätte viel akzeptiert, aber eben nicht die totale Unterwerfung, auch weil weite Teile des Volkes das nicht akzeptieren würden.

 

Doch ein Nein beim Referendum heißt mit großer Sicherheit auch den Austritt aus der Euro-Zone. Die noch laufenden Geplänkel zwischen Athen und dem Zentrum drehen sich eher um die politische Schuldzuweisung. Die Extra-Syriza-Linke warnt indes vor einem möglichen Versuch der Regierung das Referendum nur als Verhandlungsmasse zu benutzen, um doch noch zu einem Kompromiss zu kommen.

 

Wir halten das für unwahrscheinlich, weil die Oligarchie dann nachgeben müsste. Es schaut nun vielmehr danach aus, dass sie alles dazu tun wird, ein JA beim Referendum zu erreichen und damit Tsipras zu stürzen. Bei einem NEIN ist der Austritt quasi fix. Aber auch dann sind Verhandlungen notwendig zu den Bedingungen des Austritts, nämlich insbesondere die Stabilisierung der neuen Währung und damit verbunden ein Schuldennachlass. Denn die Erklärung der Nichtzahlung ist eine ernst Waffe.

 

Die Hauptgefahr besteht nun darin, dass der halbe Austritt durch die Sperrung der Banken und die Kapitalverkehrskontrollen, das Trommelfeuer der Oligarchie und ihrer Medien einschließlich der griechischen, die Angst- und Terrorkampagne dazu führen, dass die Mittelklassen den Mut verlieren. Gegen das Diktat der Troika hatten sie sich hinter Tsipras gestellt. Da nun alles auf einen Bruch und eine massive Abwertung hinausläuft, werden wohl einige, die tatsächlich oder vermeintlich noch etwas zu verlieren haben, kalte Füße bekommen.

 

Sollte sich eine seriöse Kompromissmöglichkeit anbieten, kann Tsipras gar nicht anders, also diese anzunehmen, denn sonst würde er mit Sicherheit die Mehrheit verlieren. Bleibt die Troika hart, dann gibt es die wirkliche Chance auch bei einem Bruch die Mehrheit zu halten. Dazu bedarf es allerdings eines Plan B, um das Land nach der Abstimmung so schnell wie möglich aus der Schockstarre zu holen. Von dem ist allerdings noch nichts zu sehen und zu hören. Dabei wird der Syriza-Linken, deren Programm so zur Realität werden kann, die entscheidende Rolle zukommen.

 

Von den internationalen Delegationen aus Deutschland (einschließlich des MdB Inge Höger von der Linken), Frankreich (Partei der Emanzipation des Volkes PEP), Italien (Linke Koordination gegen den Euro einschließlich einiger Ökonomen und Gewerkschafter), Spanien (Podemos), Österreich (Euroexit), Ukraine (Borotba) sowie Russland gab es massive Unterstützung für das Nein und Unterstützungsaktionen wurden angekündigt.

 

Am Sonntag endete das Forum mit einer Demonstration für das NEIN vor der Vertretung der EU hin zum griechischen Parlament. Zu den knapp tausend TeilnehmerInnen zählten auch Teile der Syriza-Jugend. Hoffentlich ein Fanal für eine breite Einheitsfront.

What comes after SYRIZA?

speech by Dimitris Mitropoulos, member of the leading body of Polular Unity at the Second Assembly of the CLN (Confederation for National Liberation), 1-3 September 2017, Chianciano Terme

The first question we need to address is which the elements that compose the current image and describe the developments in Greece are.

First, for many decades Greece will be the EU‘s contemporary colony of debt.

The recent deal between the Greek government and the Troika has not made any decision on the Greek debt, while at the same time it anticipates a yearly surplus rate between 2,5 and 3,5% until 2060, in order to save the necessary resources for the repayment of a debt that has mainly been created by the banks themselves and has been magnified for the sake of their survival.

This means an endless austerity, though lower than the one that we have experienced during the last 7 years. But in any case is an austerity built on the ruins of an economy that has lost 25% of its GDP.

The main victim of austerity is the welfare state: the schools, the hospitals and the security forces. This lack of personnel and infrastructure was also proven in the latest summer’s forest fires. 3 airplanes tried to put out more than 80 fires all over Greece. Many others could not fly because the state would not invest money on their technical maintenance.

It’s clear that as a result of the ongoing austerity, Greece gradually tends to become a failed state.

Moreover, a contemporary colony of debt means at the same time a reduced national and popular sovereignty.

Greece will be under an ongoing supervision for almost 40 years, a supervision that is going to be harder than the one provisioned by the Stability pact for the rest of the eurozone’s country members. The reason is because the fiscal requirements will be stricter for the sake of the surpluses and that the Greek debt is unsustainable.

The markets will punish the slightest derogation from the repayment of the debt with increased interest rates. The danger of a new blockage from the markets and new memoranda will function as a permanent and almost automatic mechanism of supervision and discipline.

Nevertheless, Tsipras will have the opportunity to present a new success story, equal to the one that Samaras had presented in 2015: a slight development for the first time after 8 years of recession, accompanied by an agreement for the repayment of the debt after the German elections, especially for the years 2021- 2024, when the expiring bonds will exceed the capabilities of the economy, even if we had a yearly surplus of 5-6%.

In this way, Tsipras will try to preserve himself during the next elections, after one- one and a half years. But the key point here is that the government has in fact prolonged the imposition of this neo-colonial regime until 2060.

Second, a basic characteristic of the contemporary Greek reality is a peculiar social-national depression after the defeat of the anti-memorandum movement in 2015.

The expanding poverty, the dead ends that many families face as a result of the high levels of unemployment or the increased taxation meet the general lack of a future positive perspective.

The Greek people feel frustrated with the EU but do not believe that there is a solution. Several polls have shown a positive attitude towards a political proposal that would take the country outside the Eurozone. But they don’t believe that there is a force that could reliably lead the country without throwing it into chaos.

The annexation of Tsipras in 2015 has not only brought a new Memorandum of austerity. Its main consequence has been the defeat of the spirit of a small people that had the courage to say “No” to the markets and to the anti-democratic monster of the EU.

It made the people believe that there is no way out and no solution away from the embarrassing supervision and the permanent austerity. In this way everyone tries individually to get accustomed to such a living.

Furthermore, it has caused the humiliation of the left. Twenty five years after the fall of USSR, during the years of 2010-2015, the case of Greece was the opportunity of the European left to regain its lost reliability, to fight imperialism and retrieve the national dignity and the popular sovereignty against the projects of imperialistic integrations like the EU but in favor of the peoples.

This is Tsipra’s biggest crime, not the neoliberal policies he has implemented. In 2015 the Greek people were in revolt, ready to give fights and collide. Today, the same people are embarrassed and disappointed.

The third element is a political system between ridiculousness and decadency. SYRIZA and New democracy address each other as if they were in the ring, only to create a fake polarization on unimportant issues such us the place where each political leader has spent his holidays, or if the high school students should pray before the start of the lessons or not.

At the same time, they almost completely agree on privatizations, destabilization of labor rights, pension system cuts, external, pro-NATO and pro- Israel relations of the country. The Right wing never gives up the opportunity to accelerate the neoliberal counter-revolution to the limits, given that it has such an opponent as SYRIZA. It deploys an anti-communist rhetoric and adopts extreme positions, such us supporting for example the privatization of forests or the abolition of all the antineoliberal restrictions for the companies that want to invest in Greece.

As a result of all these we are talking about a political system that alienates the people and especially the youth from politics. That’s because all these fights in the parliament and in the media has nothing to do with solutions to the severe problems such us the unemployment, the unbearable taxation, the low wages, the destruction of the healthcare system, the existence of a parliament that simply votes for what the creditors request.

Given the above, which are the duties of the left and the resisting forces?

We are in a different era, we face the end of an era. During the previous years, from 2010 to 2015, the fight against the Memoranda has been the one uniting the people and amplifying the antitheses with the EU and the oligarchy.

Today this is not the fact anymore and the reality is the one described above. We need new initiatives and a great effort to reconstruct the Greek popular movement.

First, we need a new process of unity among the anti-neoliberal space, the left and the wider democratic space that will agree that anti-neoliberalism without a plan for an exit from the EU and the Eurozone, without the reclamation of the national and popular sovereignty cannot exist. As LAE (Popular Unity) we are willing to take such initiatives, together with other political forces.

Second, we need a plan of social mobilization. No political development is ever possible without the resistance movements. Within 2017 the government has already proceeded to the selling of the port of Thessaloniki. Other privatizations are going on. The auction of popular houses by the banks is also about to happen. Companies and manufactures are also being sold to multinational companies. The privatizations fund held by Troika will supervise the Greek property for 99 years! The whole country is being sold. So this is the basic axis for the resistance movement.

Third, we need a direct popular program of claim and change. The three basic elements of our program (cessation of debt payments, exit from the Eurozone, nationalization of the banks) always remain our lap but the people does not pose today the question of the exit so they are not enough.

We need an immediate program of popular claims regarding the wages, the pensions, the labor rights, a program of invigoration for the welfare state, a program to regain our national and popular sovereignty from Brussels and Berlin.

Fourth, all the above will be useless if we forget that the basic problem of the left after 2015 is its lack of reliability. The Greek people today puts its trust into no one, are suspicious with all political forces after being deceived by SYRIZA. They believe that the left is verbalistic but in practice they acts exactly the same as the neoliberals.

Consequently, unity around a specific program is not enough. Without a program we are heading to opportunism and without unity we cannot be effective and we should always keep these two in mind. But at the same time we have to understand that the main problem for the Greek left is the lack of our reliability, and this is not something that we can easily reclaim from disappointed people.

The Communist Party does not bother to deal with these issues. It feels satisfied having a percentage around 5-6%, mostly due to its history. In reality, it abstains from the political struggle. It rejects any cooperation, it poses the agreement on socialism as a precondition, it underestimated the struggle for national independence.

The majority of Antarsya, has already made it clear that there is no space for political cooperation. Two years ago their excuse was that we as LAE are not clearly against the EU. After our national assembly, when we made our pro-EU-exit position clear, the excuse was that we do not fight against capitalism.

The reality of the Greek left makes our job more difficult and increases the unreliable image of the left. But the problem is not only unity. This is actually only one aspect of it. The other is the way we make politics. Let us see how Podemos, La France Insoumise or Grillo, beside our differences, have covered the political space and managed to create a political dynamic. There was a potential, but it has not been covered by the forces of the revolutionary left. Why is this?

Allow me to make three observations that we consider at the same time as crucial for Greece, in our attempt to answer the question, what comes after SYRIZA.

First, there is no political force that can intervene politically from a left-progressive side without posing the central issue of the EU. That means posing the deterioration of the national and the popular sovereignty. The European left pretends to be deaf when it comes to this.

Today, we desperately need an alliance against the EU, accompanied by a plan for the reclamation of our national currency.

Second, it is not only the workers that are affected by the process of the neoliberal globalization and the EU. Let us see what has happened to the EU itself within the crisis.

The employees have lost, the middle strata have lost, but at the same time whole countries have been degraded by German capital and the markets. There is space left to build a wide alliance among the “losers of the globalization”.

We do not talking about a left or an anticapitalist alliance with a direct target towards socialism but for an alliance of democratic forces focusing on the fight against the contemporary imperialism and having at their core the issue of sovereignty in the framework of the nation-state, which has been lost into uncontrollable centers and international organizations.

This is even more important for the states of the south. The relationship between the solution of the problem of gaining sovereignty and the fight against capitalism is obvious. Let us just see the cases of Greece or even Venezuela.

Third, the old-fashioned political discourse and habits are not functional today. New faces, a reliable leadership, new figures and an easier language are necessary in order to make contact with the so-called losers of the globalization. If the left keeps moving as usual, there will be other forces that will cover the political space.

This is the discussion that should open in Greece today, in order to start creating a new liberating political subject, not just a recycling of the old leadership and personalities of the past SYRIZA.

The historical analogies are not always successful. But since this year we celebrate the 100 years of the October revolution, let us remember that the defeat of 1905 was followed a long period of disappointment and retreat of the popular movement.

We can wait for 12 years. But it is even better if we start working from now on to organize the political subject of our needs, to liberate our country, a country-colony of debt. As Popular Unity, we are going to work on this purpose.